"Probleme häufen sich, wir wissen nicht, was morgen ist. Pflegenotstand. Keine Taten, außer Worte, nichts." Die Zeilen, die Daniel Scherer rappt, haben es in sich. Der 32-jährige Altenpfleger, der auf der Pflegestation im Sozial-Psychiatrischen-Zentrum (SPZ) in Ebern arbeitet, hat Anfang Dezember einen Rapsong veröffentlicht – und will damit gegen den Pflegenotstand in Deutschland ankämpfen.
Der Titel des Liedes: "Bedeutsam und Wichtig". Scherer macht in dem knapp dreieinhalb Minuten langen Song auf die prekäre Lage aufmerksam, in die die Pflegebranche steuert und greift in den Zeilen immer wieder auf, wie notwendig das Berufsfeld ist. Gleichzeitig will er mit dem Song jüngere Menschen überzeugen, den Weg einer Pflegefachkraft einzuschlagen.
Den Beruf als Leidenschaft
Wer sich mit dem 32-Jährigen unterhält, der merkt schnell, dass ihm die Sache am Herzen liegt. Der Beruf sei seine Leidenschaft, berichtet Scherer im Gespräch mit der Redaktion. Derzeit nimmt er deshalb auch in Forchheim an einer einjährigen Weiterbildung zum Pflegedienstleiter teil. Dafür müsse er auch eine Projektarbeit abliefern.
Das Thema: Wie die Pflegebranche künftig neue Azubis gewinnen kann. Dabei kam ihm die Idee zu einem Rapsong gegen den Pflegenotstand – in dem er seine eigenen Erfahrungen mit einfließen lässt. Die schönen Aspekte des Berufs, aber eben auch, was besser laufen könnte.
Scherer will mit seinem Song ein Zeichen setzen
Der Altenpfleger, der seit 2009 nebenbei auch deutsche Rapmusik macht, setzt dafür zum einen auf ein Musikvideo, zum anderen auf die sozialen Medien. Das Lied hat er unter seinem Künstlernamen "RB zum Jott" auf dem Videoportal YouTube veröffentlicht. "Ich möchte ein Zeichen setzen, möchte Reichweite generieren und auf den Beruf aufmerksam machen", erklärt er die Intention dahinter. Denn: "Jede einzelne Aktion ist besser, als nichts zu unternehmen."
Ihm gehe es vor allem um das Image des Berufsfelds, und darum, jüngere Leute von der Arbeit in der Pflegebranche zu überzeugen. Scherer will durch seine Zeilen auch mit den Vorurteilen aufräumen. Denn die Arbeitskräfte seien nicht nur damit beschäftigt, die Pflegebedürftigen zu waschen – oder ihnen gar den Po abzuwischen. Genau das macht er auch mit seinem Rap deutlich.
Wer sich das Musikvideo ansieht, aufgenommen wurde es in Bamberg, sieht Scherer zu Beginn einige Strophen lang in schwarz-weiß. "Der Anfang ist kritisch und pessimistisch, dann macht der Song aber den Spagat, zeigt auch die positiven Seiten und die guten Erfahrungen, die ich im Beruf erlebt habe."
Je länger der Altenpfleger rappt, je mehr schöne Aspekte er aufzählt, desto bunter werden die Aufnahmen. "Du rettest Leben und du löst Probleme. Jetzt mal ehrlich: Was kann's schöneres geben?", rappt Scherer. Die Grautöne weichen bunten Farben. "Man muss alle Seiten ansprechen, es gibt nicht nur Schwarz und Weiß", erklärt er den Hintergrund dazu.
Das Video wird farbig, doch die Zeilen bleiben erst. "Ganz ehrlich: Die Prognosen schauen nicht rosig aus, gerade wegen des demografischen Wandels", bringt es der Altenpfleger auf den Punkt. Eben den lässt er mit einer Grafik auch in sein Musikvideo mit einfließen.
Sorge vor dem demografischen Wandel
Der demografische Wandel ist in Deutschland längst angekommen, das geht auch aus einem Bericht des Statistischen Bundesamtes aus diesem Jahr hervor. Die sinkende Zahl der Menschen im jüngeren Alter und die gleichzeitig steigende Zahl älterer Menschen verschieben den demografischen Rahmen in bisher nicht gekannter Art und Weise, heißt es darin. Konkret bedeutet das: Jede zweite Person in Deutschland ist bereits jetzt älter als 45 und jede fünfte Person älter als 66 Jahre.
Zwar gebe es vermehrt Zuzug von jüngeren Menschen aus dem Ausland, ebenso eine höhere Geburtenrate – doch beides mildere die Entwicklung kaum ab. Der Wandel wird sich laut dem Statistischen Bundesamt in naher Zukunft deutlich beschleunigen. Insbesondere wird die Zahl der Menschen im hohen Alter ab 80 Jahren beständig steigen, heißt es in dem Bericht.
Die Folgen des Wandels seien nicht von der Hand zu weisen, sagt Scherer. Für die gesamte Pflegebranche bedeute das, dass sich künftig immer weniger junge Menschen – und damit potenzielle Fachkräfte – um immer mehr ältere Personen, die künftig pflegebedürftig werden könnten, kümmern müssen.
Dringend neue Pflegekräfte in Bayern benötigt
Die Zahlen dazu, wie viele Pflegekräfte bis zu welchem Jahr in Bayern oder gar deutschlandweit fehlen, unterscheiden sich teils je nach Statistik erheblich. Die Aussagen jedoch sind alle gleich: Es werden dringend weitere Fachkräfte benötigt.
Der damalige bayerische Gesundheits- und Pflegeminister Klaus Holetschek (CSU) wies im Sommer dieses Jahres darauf hin, dass alleine in Bayern die Zahl der Pflegebedürftigen von derzeit rund 580.000 auf bis zu einer Million im Jahr 2050 steigen werde. Bis dahin würden voraussichtlich mindestens 60.000 neue Pflegekräfte gebraucht werden.
"Es ist nicht nur ein Berufsfeld. Es ist die Zukunft, die Zeit vergeht zu schnell. Wir müssen handeln", lautet deshalb auch ein Teil von Daniel Scherers Refrain. Die Zeilen habe er bewusst gewählt. Sie sind ein Appell: "Wir haben immer mehr Pflegeempfänger, das muss ankommen in der Gesellschaft", macht er klar. Und jeder und jedem einzelnen könne es passieren, dass ein Elternteil pflegebedürftig wird.
Wie also die Versorgungslücke schließen? Das sei nur mit mehr Personal machbar, mit der finanziellen Unterstützung der Träger und durch Mithilfe der Politik, ist der Altenpfleger überzeugt. Allen Widrigkeiten zum Trotz wirkt Scherer zuversichtlich. Einige Aspekte seien in den letzten Jahren schon deutlich besser geworden, berichtet er, beispielsweise das Gehalt.
Ziehen alle an einem Strang, dann sieht Scherer gleich mehrere Vorteile, und zwar für alle Beteiligten. Zum einen könnte so dem Fachkräftemangel entgegengesetzt werden. Zum einen könnte so dem Fachkräftemangel begegnet werden. Zum anderen steigere mehr Nachwuchspersonal dank Entlastung die Arbeitsqualität für all diejenigen, die bereits jetzt in der Pflege tätig sind, ebenso wie die Lebensqualität und die Gesundheit derer, die Pflege benötigen.
Durchweg positives Feedback zum Video
Das Feedback, das Scherer seit der Veröffentlichung des Videos von Familie, Bekannten, Kolleginnen und Kollegen bekommen hat, sei durchweg positiv gewesen, erzählt er. Auch sein Arbeitgeber stehe hinter dem Projekt. Nach seiner Weiterbildung wird Scherer wieder ins SPZ nach Ebern zurückkehren. Und wer weiß? Vielleicht gibt es dort bis dahin ja auch einen neuen Azubi, der dank Daniel Scherers Musikvideo seine Zukunft in der Pflege sieht.
Ein Problem allerdings wurde ausgeblendet: der Fachkräftemangel ist auch und vor allem eine Folge von Missmanagement, Versagen der Verwaltungs- und Führungsebenen, die keinerlei emotionalen Zugang zur Arbeitsebene haben.
Im Gegenteil: die Probleme werden durch die vor allem auf Fassade und "Image" ausgerichtete Leitungsebene - gerne "christlich" - verschärft, indem man persönliche Belange über die Interessen der Bewohner und Mitarbeiter stellt.
Es soll sogar noch Einrichtungen geben, die Bewerberinnen ablehnen, weil sie Kopftuch tragen. ...