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Haßbergkreis
Personalmangel in den Kindergärten im Landkreis Haßberge: "Der Markt ist einfach leergefegt"
Deutschlandweit fehlt Personal in den Kindergärten – auch der Haßbergkreis bildet da keine Ausnahme. Was die Gründe sind und welche Folgen das teilweise für die Eltern hat.
Einige Kindergärten im Landkreis Haßberge haben aus verschiedenen Gründen mit Personalmangel zu kämpfen (Symbolbild).
Foto: Monika Skolimowska, dpa | Einige Kindergärten im Landkreis Haßberge haben aus verschiedenen Gründen mit Personalmangel zu kämpfen (Symbolbild).
Johanna Heim
 |  aktualisiert: 15.07.2024 10:19 Uhr

Der Fachkräftemangel hat im Haßbergkreis auch die Kindergärten fest im Griff. Es gibt viele Kinder, die Betreuung bräuchten, aber teils zu wenig Personal, das eben jene leisten kann. In einigen der Einrichtungen mangelt es an Erzieherinnen und Erziehern, an Kinderpflegerinnen und Kinderpflegern, und das aus verschiedenen Gründen. Der Personalmangel stellt die betroffenen Einrichtungen im Landkreis vor Herausforderungen – und bringt auch Folgen für die Eltern mit sich.

Weil Personal längerfristig erkrankt sei, sucht die Evangelisch Lutherische Kindertagesstätte Maroldsweisach seit Anfang Oktober einen Erzieher, eine Erzieherin, einen Kinderpfleger oder eine Kinderpflegerin – und zwar laut Stellenanzeige zum nächstmöglichen Zeitpunkt. Doch bisher sei keine Bewerbung eingegangen. "Wir suchen immer noch", berichtet Jutta Goldschmidt, Erzieherin der Kita, im Gespräch mit dieser Redaktion. Dabei wäre neues Personal dringend nötig.

Schwangere Erzieherinnen fallen sofort aus

Rund 20 Angestellte kümmern sich um drei Kindergartengruppen mit jeweils 25 Kindern sowie um zwei Krippengruppen mit zwölf Kindern. "Die Gruppen sind voll", macht Goldschmidt klar.  Zusätzlich betreuen die Angestellten weitere 40 Grundschulkinder als Nachmittagsbetreuung in den Gebäuden der Mittelschule.

Im Normalfall kümmern sich drei Angestellte um eine Gruppe, erklärt Goldschmidt – sofern kein Personal erkrankt. Eigentlich, so heißt es aus Leitungskreisen, habe die Kita genügend Personal. Doch sobald eine Erzieherin oder Kinderpflegerin schwanger werde, falle sie aus. Und gerade wenn Angestellte im Herbst an einer Erkältung oder Corona erkranken, werde es anstrengend. Denn zu tun gebe es genug: "Wir haben noch viele Wickelkinder, nicht nur in der Krippengruppe, sondern auch bei den älteren Kindern", informiert die Erzieherin.

Zusätzlich gebe es in der Einrichtung auch zunehmend Kinder mit besonderen Bedürfnissen, die mehr Zuwendung oder auch Einzelbetreuung benötigen würden. "Das kann man nicht alles leisten", sagt die 60-Jährige resigniert. Die Kinder werden zwar alle betreut, macht Goldschmidt klar. Aber: "Manchmal kommt man schon an seine Grenzen."

Notbetreuung aufgrund von Ausfällen

In den vergangenen Wochen sei es vereinzelt auch zur Notbetreuung gekommen, berichtet sie. "Da bittet man die Eltern aus der entsprechenden Gruppe, in der Personal fehlt, ihr Kind an dem jeweiligen Tag anderweitig zu betreuen", erklärt sie. Beispielsweise mithilfe der Großeltern. Dadurch müssten bei Personalausfällen weniger Kinder betreut werden. "Das ist vor ein paar Jahren noch undenkbar gewesen."

Was das bedeuten kann, macht folgendes Beispiel klar: Das Kind hat zwei berufstätige Eltern, die keine Zeit für die Betreuung haben. Die Großeltern wohnen zu weit weg, um unter die Arme greifen zu können oder sind vielleicht im Altenheim. Und ältere Geschwister können nicht auf das Kind aufpassen, weil sie selbst in die Schule müssen. Nicht jede Familie kann ihr Kind – gerade bei spontanen Personalausfällen – selbst betreuen.

"Auf dem Papier" genügend Angestellte

Die Kita Maroldsweisach ist aber kein Einzelfall. Auch die städtische Kindertagesstätte "Zwergenhaus" in Haßfurt musste im Oktober ihre Betreuungszeiten einschränken, wie Leiterin Sigrid Hofmann im Gespräch mit dieser Redaktion berichtet. 74 Kinder werden dort in vier Gruppen durch jeweils drei Angestellte bereut. Auch in dieser Kita gebe es eigentlich genügend Personal. "Zumindest auf dem Papier", so Hofmann.

Ähnlich wie in Maroldsweisach habe auch das "Zwergenhaus" gerade im Herbst mit den Folgen von erkranktem Personal zu kämpfen. "Für uns wäre es schon schön, wenn wir zumindest noch eine Springkraft hätten", sagt die 58-Jährige. "Das würde, glaube ich, vielen Kitas die Arbeit erleichtern."

Zusätzlich steigen die Ansprüche und Anforderungen, die Erzieherinnen und Kinderpfleger erfüllen müssen, so die Leiterin, beispielsweise im Bildungs- und Erziehungsplan. "Das wird immer mehr." Auch die Eltern fordern mehr, wie Hofmann erklärt. Das führe laut der Leiterin dazu, dass das Fachpersonal in manchen Beziehungen nicht mehr nur Elternhaus-ergänzend, sondern schon fast Elternhaus-ersetzend tätig sei.

Unterstützung von Praktikantinnen und Praktikanten fällt weg

Ein weiterer Punkt: Viele der Betreuungseinrichtungen sind auf Praktikantinnen und Praktikanten als zusätzliche Unterstützung angewiesen, so die Leiterin. Auch die Kita "Zwergenhaus" in Haßfurt. "Wir haben immer noch ergänzt mit Praktikanten, da kommen aber immer weniger", berichtet Hofmann.

Hat mit den Folgen von erkranktem Personal zu kämpfen: Die Kita 'Zwergenhaus' in Haßfurt.
Foto: Johanna Heim | Hat mit den Folgen von erkranktem Personal zu kämpfen: Die Kita "Zwergenhaus" in Haßfurt.

Das Problem mit den fehlenden Praktikantinnen und Praktikanten kennt auch Susanne Bös-Nauman, Leiterin der Caritas-Kindertagesstätte St. Michael in Zeil. Weil die Erzieherausbildung von fünf auf vier Jahre verkürzt worden ist, dauere das Vorpraktikum, das für die Ausbildung nötig ist, nicht mehr zwei Jahre sondern, nur noch ein Jahr. Die Folge: Diese Arbeitskräfte fehlen in den Kitas, so die Leiterin.

Ihre Kita sei aktuell zwar gut aufgestellt, da sie erst im September weiteres Personal eingestellt habe. Anders als in Maroldsweisach konnte die Caritas-Kita in Zeil die offenen Stellen schnell besetzen. Bös-Naumann macht im Gespräch mit dieser Redaktion aber eindeutig klar: "Wir hatten heuer einfach Glück." 

"Wenn in kleinen Einrichtungen Personal ausfällt, ist das natürlich eine ganz andere Hausnummer"
Susanne Bös-Naumann, Leiterin Caritas-Kindertagesstätte St. Michael in Zeil

15 Erzieherinnen, zwölf Kinderpflegerinnen und eine Assistenzkraft sind laut Bös-Naumann derzeit für insgesamt 142 Kindergarten- und Krippenkinder zuständig. Zusätzlich helfen eine Berufspraktikantin und eine FSJlerin, also jemand der ein freiwilliges soziales Jahr absolviert, in der Kita mit. "Wir sind eine große Einrichtung und können einen Ausfall kompensieren", so die Leiterin.

Gerade kleine Einrichtungen haben zu kämpfen

"Wenn in kleinen Einrichtungen Personal ausfällt, ist das natürlich eine ganz andere Hausnummer." Im Moment sei die Lage in der Kita St. Michael gut. "Aber das kann morgen schon ganz anders sein", so die Leiterin. Denn: "Der Markt ist einfach leergefegt."

Die Caritas-Kindertagesstätte St. Michael in Zeil am Main hat im September neues Personal angestellt.
Foto: Johanna Heim | Die Caritas-Kindertagesstätte St. Michael in Zeil am Main hat im September neues Personal angestellt.

Laut dem Bayerischen Staatsministerium für Familie, Arbeit und Soziales ist die Zahl der Beschäftigten in den Kindertageseinrichtungen in Bayern von März 2020 bis März dieses Jahres zwar um acht Prozent gestiegen. Doch zeitgleich habe auch die Zahl der betreuten Kinder um sieben Prozent zugenommen. Den wachsenden Bedarf an Bildung, Erziehung und Betreuung, führt das Ministerium auf steigende Geburtenzahlen, steigende Buchungszeiten, den früheren Eintritt in die Kita und die Geflüchtetenbewegungen zurück.

Bis zu 64.000 Kitaplätze könnten in Bayern 2023 fehlen

Mit Blick auf den leergefegten Arbeitsmarkt und die benötigte Zeit für eine qualifizierte Ausbildung kann der Zuwachs an Kräften laut Ansicht des Ministeriums mit dem steigenden Bedarf kaum Schritt halten. Dass sich die Lage künftig verschärfen werde, prognostiziert auch eine im Oktober veröffentliche Studie der Bertelsmann-Stiftung.

Ihr zufolge fehlen im Jahr 2023 in Bayern voraussichtlich bis zu 64.000 Kitaplätze. Doch damit im nächsten Jahr nicht nur ausreichend Kita-Plätze vorhanden sind, sondern die Mädchen und Jungen auch alle mit einem kindgerechten Personalschlüssel betreut werden können, müssten laut der Studie rund 35.300 weitere Fachkräfte beschäftigt werden. Ein Teufelskreis, haben die Einrichtungen doch schon jetzt mit einem Mangel an Betreuungspersonal für die vorhandenen Kitaplätze zu kämpfen.

 
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