Anke Schäflein ist Geschäftsführerin des Caritasverbandes für den Landkreis Haßberge. Sie braucht nur drei Worte, um das Problem des Fachkräftemangels in ihrem Haus zu umschreiben: "Wir brauchen Hilfe." Insbesondere für die Altenpflege suche sie schon seit mehreren Jahren auf nationaler und internationaler Ebene qualifiziertes Personal – und das, obwohl sich die Caritas "um gute Arbeitsbedingungen und ordentliche Entlohnung bemühe", sagt sie mit sorgenvollem Blick auch auf ihre eigene Generation, also die geburtenstarken Jahrgänge und deren Pflegebedürftigkeit in Zukunft.
Fachkräfte aus den Philippinen und Indonesien
Ihre Mitarbeiterin Angelika Schmidt nennt zur Fachkräfteeinwanderung konkrete Zahlen: "Zur Zeit beschäftigen wir fünf Fachkräfte, die aus den Philippinen zu uns gekommen sind, mit zehn weiteren Kräften, aus Indonesien, möchten wir in den kommenden Monaten aufstocken." Circa 100 Fachkräfte hätten sie insgesamt unter Vertrag, der Anteil dieser ausländischen Fachkräfte liege also bei 15 Prozent.
Doch Beschäftigung sei nicht alles. "Es sind Menschen, die zu uns kommen, mit Wünschen, Sehnsüchten, Hoffnung auf ein besseres Leben." Und mit festem Willen: sie nähmen in Kauf, dass sich der Kontakt zu Mann und Kindern für lange, unbestimmte Zeit auf skypen, also telefonieren mit Bildschirmkontakt, beschränke.
"Sie arbeiten ganztags und absolvieren in ihrer Freizeit die erforderlichen Kurse zum Erlernen der deutschen Sprache und der bei uns fachlich anerkannten Qualifikation." Ein über Monate andauernder Prozess, der die grundlegende Voraussetzung für eine Familienzusammenführung in Deutschland sei. Diese sei über das Fachkräfteeinwanderungsgesetz erheblich erleichtert worden.
Deutschland ist für ausländische Fachkräfte nicht das Zielland Nr. 1
Auf internationaler Ebene geschätzter Experte in dem Gebiet der Fachkräfteeinwanderung ist Michael Weiß-Gehring. Der Neubrunner setzte bereits als langjähriger Pflegedienstleiter in den Hassberg-Kliniken auf Teamentwicklungsmaßnahmen und richtete schon in dieser Zeit sein Augenmerk auf die Ausbildung und das soziale Wohlbefinden von Pflegekräften aus dem Ausland. Er spricht ebenfalls von der Notwendigkeit "beruflicher und sozialer Integration". Denn seiner Erfahrung nach seien die häufigsten Gründe, warum ausländische Pflegefachpersonen Deutschland wieder verlassen, "Heimweh und Langeweile".
Bestärkt worden in seiner Position sei er im Rahmen der Veranstaltungsreihe "Integration durch Bildung", die das Landratsamt über drei Jahre hinweg unter der Leitung der hauptamtlichen Integrationslotsin Siza Zaby durchführte und die ihn zu einem ehrenamtlichen Integrationslotsen werden ließ. Von Zaby habe er gelernt: "Wer hier keine Wurzeln schlagen kann, wandert weiter."
Mittlerweile ist Weiß-Gehring Geschäftsführer eines Unternehmens mit Sitz in Kirchlauter, das professionellen ausländischen Pflegekräften bei der Suche nach Arbeitsmöglichkeiten in Deutschland hilft. Er dämpft die Hoffnung auf schnelle Erfolge: "Deutschland ist nicht das Zielland Nr. 1." Viele Fachkräfte beherrschten Englisch und Französisch von Kindheit auf und bevorzugten daher Länder wie England, Amerika, Kanada, Australien oder Frankreich. Erst über Sprachschulen mit Deutschkursen steige das Interesse an der Einwanderung in den deutschsprachigen Raum, aktuell insbesondere von Fachkräften aus dem Mittleren Osten und Nordafrika.
In den Gesundheitsberufen seien auch Indien und die Philippinen Länder mit hoher Abwanderung. Vor allem aus Indien erwartet er eine deutliche Steigerung an Fachkräftezuwanderung. Und, was das Interesse an einer Ausbildung in Deutschland betrifft, seien die Nationalitäten noch deutlich bunter gemischt. Von der Mongolei über Nepal, Usbekistan, Armenien, Burkina Faso und Kamerun bis Kolumbien hätte er schon Auszubildende hier begleitet.
Etwa 9000 Betriebe von Fachkräftemangel im Handwerk betroffen
Die Handwerkskammer für Unterfranken hat errechnet, dass in ihrem Bezirk etwa 9000 von insgesamt rund 18.500 Handwerksbetrieben in der Region Schwierigkeiten haben, offene Stellen zu besetzen. Entsprechend sieht sie in dem Fachkräfteeinwanderungsgesetz einen wichtigen Baustein, "weil es die Weichen für eine arbeitsmarktorientierte Zuwanderung beruflich qualifizierter Fachkräfte stellt", teilt Nadine Hess, die stellvertretende Pressesprecherin, auf Anfrage mit und ergänzt: "Personen aus Drittstaaten, die als Fachkräfte nach Deutschland zuwandern wollen, müssen nach den Regeln des Fachkräfteeinwanderungsgesetzes vor ihrer Einreise die formale Anerkennung des ausländischen Berufsabschlusses anstreben."
Für die Anerkennung ausländischer Berufsqualifikationen im Bereich Handwerk sei die Handwerkskammer für Unterfranken die zuständige Stelle, wenn Wohnsitz beziehungsweise Beschäftigungsort in Unterfranken liegen. Seit Inkrafttreten des Fachkräfteeinwanderungsgesetzes im März 2020 stelle die Handwerkskammer vermehrt Beratungsanfragen in diesem Bereich fest. Das Gesetz habe vor allem bei Arbeitgeberinnen und Arbeitgebern das Bewusstsein für die Möglichkeit erhöht, Fachkräfte aus Drittstaaten anzuwerben.
Eventuell notwendige Anpassungsqualifizierungen könnten in Betrieben oder bei Bildungsträgern stattfinden, unter bestimmen Voraussetzungen werde dies auch von staatlicher Seite gefördert, was ebenfalls Hürden für die Beschäftigung von Fachkräften aus Drittstaaten abbaue. Positiv sei auch zu werten, dass das Gesetz die Zuwanderung zum Zwecke der Ausbildung eindeutig regele.
Sehr hohes Niveau in puncto Arbeitswelt und ein großer bürokratischer Aufwand
Hans-Georg Häfner, Kreishandwerksmeister und Inhaber von Häfner-Elektrotechnik in Eltmann, äußert hingegen Zweifel, ob das Fachkräfteeinwanderungsgesetz den hiesigen Handwerksbetrieben wirklich weiterhilft: "Ich halte das für sehr schwer", sagt er und begründet es zunächst mit der Berufsqualifikation. Man sei in Deutschland bezüglich der Werkzeugtechnik, der Arbeitssicherheit und des Materialeinsatzes auf einem sehr hohen Niveau. Entsprechend problematisch gestalte sich die jeweilige Angleichung der in den unterschiedlichen Ländern erworbenen Fachkenntnisse, dieser Unterschied zeige sich schon im Vergleich mit den direkten Nachbarländern.
Ein weiterer Punkt seien der bürokratische Aufwand und die mit dem Einbürgerungsprozess verbundenen erforderlichen Behördengänge: 4,5 Mitarbeiter habe ein hiesiger Handwerksbetrieb im Durchschnitt, davon eine Bürokraft. "Die Kleinen können das nicht händeln."
Und doch sei er zuversichtlich: "Wer sein Ziel vor Augen hat, einen festen Willen und eine grundfeste Ehrlichkeit, der kann alle Hürden überwinden." Von seinen 29 Facharbeitern seien zwei im Ausland geboren. Ein Jugendlicher aus Syrien sei bei ihm in der Lehre, mit Blick auf dessen Noten sagt Häfner: "Der Auszubildende macht sich gut."
Die beiden Facharbeiter und der Azubi seien sowohl in seinem Betrieb als auch, so Häfners Einschätzung, in der Gesellschaft angekommen und jeder auf seine Weise fest integriert. Mit Blick über das Handwerk hinaus meint er, dass das Fachkräfteeinwanderungsgesetz bei größeren Betrieben mit einem entsprechenden Verwaltungspotenzial durchaus etwas bewirken könnte.
Erfolgreiche Integration hängt von der Wertschätzung für den Menschen ab
Weiß-Gehrig und Häfner bestätigen inhaltlich, was Angelika Schmidt im Gespräch mit der Redaktion so formulierte: "Wir in Deutschland müssen anerkennen, dass wir ein Einwanderungsland sind, mit dem Vorteil, Fachkräfte zu bekommen, und mit der Aufgabe, ihnen ein erfülltes Leben in Deutschland zu ermöglichen."
Integration bedeute für sie Wertschätzung. Und diesbezüglich, bei der Wertschätzung der Pflegearbeit und dem Menschen dahinter, gleich welcher Herkunft, gleich mit welchem kulturellen Hintergrund und Aussehen, habe die Gesellschaft noch viel aufzuholen. "Auch hiervon hängt ab, ob das Fachkräfteeinwanderungsgesetz Früchte tragen kann."