
Ein Tag im Sommer, 10 Uhr. Ein sonniger Tag, ideal für einen Ausflug. "Heute einmal anders", dachte sich der Redakteur und begab sich auf die Mitfahrbank direkt vor seinem Haus in Eschenau. Haßfurt, Hofheim, Ebern und zurück über Eltmann, lautete die gedankliche Route, der Tag war ja lang.
"Einfach das Schild mit dem Zielort aufklappen, auf die Bank setzen und warten", so lautete die Theorie. In aller Geruhsamkeit senkte sich das Schild in seine Ursprungsposition zurück. Der Festhaltemechanismus hatte seinen Dienst versagt, aber händisch festhalten geht ja auch.
Sitzfleisch notwendig
Kaum ein Auto passierte die Strecke, und wenn doch, dann fuhr es mit einer stoischen Gelassenheit am Wartenden vorbei. Vierzig Minuten Warten hatte sich der Reisefreudige als Zeitziel gesetzt. Doch die Minuten gingen vorbei. Und der Redakteur saß immer noch da. Ohne Ortswechsel.
Lediglich der Fahrer eines Linienbusses, Thomas Stegner (59), zeigte sich kommunikativ. Wo der Redakteur denn hinwolle, fragte er. Nach Haßfurt, per Mitfahrbank, so die Antwort. "Ohje, dass da einer mitgenommen wird, habe ich noch nie erlebt", entgegnete der Busfahrer.

Der nächste Gedanke des Redakteurs: "Vielleicht muss die Reise dort beginnen, wo mehr Autos unterwegs sind." Im eigenen Auto ging es nach Haßfurt. Eine App zeigt die Standorte der Bänke an, also rauf Richtung Krankenhaus. Die Bank steht hier auf der Straßenseite, die stadteinwärts führt, und die Schilderauswahl umfasst als Ziele Gewerbegebiet Ost, Innenstadt, Gädheim und – Bingo! – Hofheim.
Und wieder versagte der Festhaltemechanismus
Welch kurioser Standort für jemanden, der nach Hofheim reisen möchte. Also doch lieber zunächst zur Innenstadt. Hier hatte der Festhaltemechanismus ebenfalls versagt, der Zweig einer nahestehenden Hecke diente als Ersatzstabilisator.

Der gleiche Busfahrer wie in Eschenau passierte die Haltestelle. Seinem Respekt über den Standortwechsel folgte die Ernüchterung, als er erfuhr, dass die Fahrt per eigenem Auto vollzogen wurde. Auch hier hatte er wenig Hoffnung: "Wo doch Wartende auf den Bus an der gleichen Stelle stehen."
So kam es auch: Obwohl der Autoverkehr recht flüssig war, vierzig Minuten gingen vorüber, kein Fortkommen. Also auf zum nächsten Standort.
Warten, ohne gesehen zu werden
Sylbach, gegenüber dem Restaurant Korfu. Der Haltemechanismus funktionierte perfekt. Auch Autos kamen zuweilen. Manche in dem vorgegebenen Tempo 30, andere wiederum wie der Sausewind. Was alle vereinte, war der Blick Richtung Abbiegestraße auf der linken Straßenseite. So geriet der Wartende leider nie in das Blickfeld der Vorbeihuschenden.

Nach weiteren vierzig Minuten also ein neuer Versuch. Diesmal möglicherweise ein perfekter Standort zur Reise nach Hofheim: Oberhohenried, die richtige Straßenseite, von der Ferne leicht einsehbar, mit sehr guten Möglichkeiten zum Anhalten. "Wenn hier nicht, dann gar nicht", schoss es dem Reporter durch den Kopf. Auch hier klappte der Aufstellmechanismus perfekt, Hofheim schien in erreichbarer Nähe.

Fehlanzeige. Jeglicher Versuch, mit Vorbeifahrenden zumindest zu einem Augenkontakt kommen, misslang. Aufgeben oder weiter machen? Die Abenteuerlust war noch nicht gestillt, vielleicht klappt es ja, von der Königsberger Innenstadt nach Hofheim oder Haßfurt zu gelangen. Schon wieder war das eigene Auto notwendig.
Endlich kam der Retter in der Not
Je eine Bank auf der richtigen Straßenseite signalisierten in Königsberg dann schon gute Voraussetzungen. Das Ziel Hofheim wurde fallengelassen, der Aufsteller war funktionsuntüchtig. Also ab auf die andere Straßenseite Richtung Haßfurt.
Eine Minute später scherte ein Mini aus, der Fahrer öffnete die Beifahrertür. Völlig baff über diese Lebenswirklichkeit fragte der Eingeladene, ob er tatsächlich mit nach Haßfurt fahren dürfe. "Selbstverständlich", sagte der Retter in der Not. "Ich besuche dort mein Enkel. Und wenn jemand mitfahren möchte, klar nehme ich den mit. Das mit den Mitfahrbänken ist doch eine super Einrichtung." Es entwickelte sich ein interessantes Gespräch, am EZO Kreisel hieß es Abschied nehmen.

Nun war der Weg weitere vorbestimmt, das eigenen Auto stand ja noch Königsberg. Eine Bank befindet sich nahe der evangelischen Kirche. Sie steht allerdings so abseits des fließenden Verkehrs, dass jegliche Hoffnung auf einen Erfolg dahinschmolz. Gewitterwolken zogen auf, die Sache drohte, aus dem Ruder zu laufen.
Was tun? Vor Jahrzehnten war trampen ein probates Mittel zur kostenlosen Mitfahrbitte. Also ab zur Hofheimer Straße, gegenüber des Amtsgerichtes hielt der Reporter dann den Daumen raus. Der Berufsverkehr hatte eingesetzt. "Vielleicht sieht mich ja auch der eine oder andere ehemalige Arbeitskollege", so die vage Hoffnung des Reisenden. Nach fünf Minuten hielt ein Golf Variant, älteres Modell. "Königsberg?"
Ehemalige Tramper unter sich
Bingo! Ehemalige Tramper waren nun unter sich. Aus dem Radiostick schallte die passende Musik. In Königsberg begann es zu tröpfeln, auf der Heimfahrt nach Eschenau setzte heftiger Regen ein. Zwei Westheimer gingen bei Mariaburghausen den Radweg entlang, waren dankbar, dass sie mitfahren durften.
Ein Tagesabenteuer hatte sein versöhnliches Ende gefunden. Sicherlich wird der Rufbus "Callheinz" besser kalkulierbar sein und daher Mitfahrbänken den Rang ablaufen, doch mit etwas Humor haben auch Mitfahrbänke ihren Reiz. Schön ist die Welt an vielen Stellen.