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Haßfurt
Nazi als Namensgeber: Diskussion um Nikolaus-Fey-Straßen im Kreis Haßberge
In Haßfurt, Ebern und Oberschleichach sind Straßen nach dem dem Dichter Nikolaus Fey benannt. Aufgrund seiner Nazi-Vergangenheit fordern nun einige eine Umbenennung.
Die Nikolaus-Fey-Straße in Haßfurt: Wie in vielen anderen Orten in Unterfranken geht es auch hier um die Frage, ob die Straße einen neuen Namen bekommen soll.
Foto: Peter Schmieder | Die Nikolaus-Fey-Straße in Haßfurt: Wie in vielen anderen Orten in Unterfranken geht es auch hier um die Frage, ob die Straße einen neuen Namen bekommen soll.
Peter Schmieder
 |  aktualisiert: 09.02.2024 08:58 Uhr

Etwas mehr als ein Jahrzehnt ist es her, dass Franz Beck mit seiner Familie in die Nikolaus-Fey-Straße in Haßfurt zog. Damals wollte er mehr darüber wissen, wer eigentlich der Namensgeber der Straße war. Eine Suche im Internet brachte dann die Information, dass es sich bei Nikolaus Fey um einen fränkischen Heimatdichter handelte. Über Feys dunklere Seite fand Beck damals noch nichts, denn erst später wurde auch einer breiten Öffentlichkeit bekannt, dass der Dichter ein überzeugter Nazi war. Eben deshalb steht nun eine Straßen-Umbenennung im Raum – und das nicht nur in Haßfurt.

Würzburg als Vorbild

Als Dichter war Nikolaus Fey durchaus bekannt, und so sind in ganz Franken Straßen nach ihm benannt. Drei davon befinden sich im Landkreis Haßberge, genauer gesagt in Haßfurt, Ebern und Oberschleichach. Lange Zeit sah das kaum jemand als Problem: Außer ein paar Experten konnte ohnehin kaum mehr jemand etwas mit dem Namen Nikolaus Fey anfangen, und die, die ihn kannten, wussten größtenteils nicht viel über seine Nazi-Verstrickungen.

Das änderte sich, als Ende 2020 eine Würzburger Fachkommission die Ergebnisse ihre Untersuchungen vorlegte. Diese hatte sich Personen vorgeknöpft, nach denen in Würzburg Straßen benannt sind. Die Kommission recherchierte Biographien, besonders mit Blick auf die Rolle, die diese Menschen in der Nazi-Zeit gespielt hatten. Der Würzburger Stadtrat hatte die Kommission ins Leben gerufen, um herauszufinden, ob es in der Stadt Straßen gibt, bei denen eine Umbenennung angebracht wäre, weil der Namensgeber sich zu viel hatte zu Schulden kommen lassen.

Die Ergebnisse betreffen jedoch nicht nur Würzburg. Denn gerade den Dichter Nikolaus Fey, nach dem auch in vielen anderen Orten Straßen benannt sind, stuft die Kommission als "überzeugten Nationalsozialisten" ein.

Mitglied der brutalen Regierung des Generalgouvernements

Nikolaus Fey wurde 1881 in Wiesentheid geboren und starb 1956 in Gerolzhofen. Er war gelernter Schreiner, studierte dann aber verschiedene Geisteswissenschaften, jedoch ohne einen Abschluss zu machen. Später arbeitete er als freier Schriftsteller und Journalist. Er zog mehrfach um, die meiste Zeit lebte er in verschiedenen Orten in Unterfranken, allerdings verbrachte er auch ein paar Jahre in Berlin. Der NSDAP trat er 1933 bei. Er besuchte mehrere Schulungen der Partei, die ihn auf eine Rolle als offizieller Parteiredner vorbereiten sollten. Als Beauftragter für die Reichsschrifttumskammer war er zudem dafür zuständig, die Texte anderer Autoren darauf zu überprüfen, ob sie zur Parteilinie der Nazis passten.

Doch Feys Tätigkeit für die Nazis beschränkte sich nicht darauf, sich als Schriftsteller in den Dienst des Regimes zu stellen. Von 1942 bis 1944 war er Teil der Regierung des Generalgouvernements in Polen. Im Abschlussbericht der Würzburger Kommission wird die deutsche Besatzungsverwaltung dort als "sehr brutal" bezeichnet: "Ihr Ziel bestand darin, die lokale jüdische Bevölkerung zu vernichten und die nicht-jüdischen Bevölkerungsteile wirtschaftlich zugunsten des Reiches auszubeuten." Fey gehörte dort der "Hauptabteilung Propaganda" an.

Fey handelte aus Überzeugung

Die Kommission kommt außerdem zu dem Schluss, dass Fey nicht zu denen gehörte, die dem Regime nur dienten, weil sie Angst vor Repressalien hatten. Einiges deutet darauf hin, dass der Dichter aus Überzeugung handelte. Deshalb empfahl die Kommission in Würzburg einstimmig eine Umbenennung der Straße.

Der Heimatdichter Nikolaus Fey: Neue Erkenntnisse zeigen, dass er kein harmloser Mitläufer, sondern ein überzeugter Nazi war.
Foto: MP-Archiv | Der Heimatdichter Nikolaus Fey: Neue Erkenntnisse zeigen, dass er kein harmloser Mitläufer, sondern ein überzeugter Nazi war.

Das hat auch andernorts eine Diskussion über den Namen ausgelöst. Eckart Roeß, Ortvorsitzender der Eberner SPD, schlägt vor, seine Heimatstadt solle sich einer offenen Diskussion über den Namensgeber Nikolaus Fey stellen und sich sachlich kritisch mit der Person auseinandersetzen. In einer Pressemitteilung der SPD heißt es, dabei sollte auch die Expertise von Kreisheimatpflegerin Christiane Tangermann eingeholt werden. Außerdem wollen die Eberner Sozialdemokraten die Anwohner mit einbeziehen und nach ihrer Meinung befragen. Außerdem solle eine Expertenrunde installiert werden, die auch die Namensgeber anderer Straßennamen auf den Prüfstand stellt.

Infotafeln statt Umbenennung?

Dazu will die SPD in Ebern Infotafel erarbeiten – eine Kompromisslösung, die auch die Würzburger Kommission in einigen Fällen vorgeschlagen hat, in denen sie zwar dunkle Punkte im Lebenslauf der Namensgeber fand, die aber nicht so gravierend waren wie im Fall von Nikolaus Fey. So können bestimmte Straßen zwar ihre Namen behalten, die Öffentlichkeit wird aber darauf hingewiesen, dass der Namensgeber eben kein lupenreiner Held war.

In Haßfurt ist es die Wählergemeinschaft (WG), die einen Antrag auf eine Umbenennung der dortigen Nikolaus-Fey-Straße gestellt hat. Bürgermeister Günther Werner, der selbst der WG angehört, kündigt im Gespräch mit dieser Redaktion an: "Ich denke, bei der nächsten ordentlichen Stadtratssitzung werden wir's auf der Tagesordnung haben." Diese sei für Mai geplant. Welchen neuen Namen die Straße dann bekommen könnte, ist noch offen.

Keine Ehrung für überzeugte Nationalsozialisten

"Ich bin der Meinung, dass wir mit Straßennamen keine überzeugten Nationalsozialisten ehren sollten", teilt Kreisheimatpfleger Wolfgang Jäger dieser Redaktion schriftlich mit. Daher befürworte er die Umbenennung von "Straßen, die möglicherweise aus früherer Unwissenheit Namen überzeugter Nationalsozialisten tragen". Jäger ist für den Heimatpflegebereich Nord zuständig, zu dem auch Haßfurt gehört. Auf der Suche nach möglichen neuen Namen für Straßen, die umbenannt werden müssen, könne er sich vorstellen, diese nach bedeutenden Persönlichkeiten der ehemaligen jüdischen Gemeinde der Kreisstadt zu benennen.

Jägers Meinung schließt sich Christiane Tangermann an. Sie ist für den Heimatpflegebereich Ost und damit auch für die Stadt Ebern zuständig. Die dortige Nikolaus-Fey-Straße müsse ihren Namen wohl in den 50-er Jahren bekommen haben, gleichzeitig mit zwei anderen Eberner Straßen, die zur gleichen Zeit ebenfalls nach Heimatdichtern benannt wurden, nämlich Josef Lichtenebert und Eva Wärther.

Die Anwohner sollen ein Wörtchen mitreden

"Es wäre wünschenswert, dass die Frage der möglichen Umbenennung der Nikolaus-Fey-Straße in Ebern von allen interessierten Gruppen und unter Zuhilfenahme aller bereits vorliegenden Unterlagen vor einer Entscheidung ausreichend diskutiert wird", schreibt Tangermann. "Insbesondere den Einwohnern der Straße sollte ausreichend Gelegenheit gegeben werden, ihre Meinung zu äußern."

Gegen eine Umbenennung von Straßen wird vor allem das Argument ins Feld geführt, dass das für die Anwohner viel Aufwand bedeute. Doch Franz Beck, der in der Haßfurter Nikolaus-Fey-Straße wohnt, fürchtet sich davor nicht: "Das ist wie bei einem Umzug. Das Ummelden ist doch in der heutigen Zeit schnell machbar."

Nachdem die Würzburger Kommission ihre Ergebnisse veröffentlicht hatte, habe Beck sogar selbst darüber nachgedacht, mit den Nachbarn zu sprechen und selbst die Initiative für eine Umbenennung der Straße zu ergreifen. "Wir müssen uns der Vergangenheit stellen", sagt er. Wenn es neue Erkenntnisse und eine neue Beurteilung gibt, dann müsse das auch Konsequenzen bringen. Wichtig sei ihm allerdings eines: "Ein neuer Name sollte im Konsens mit den Anwohnern gesucht werden."

 
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Kommentare
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  • A. K.
    Da gibt es noch andere Kaliber.
    z.Bsp. Hanns-Martin-Schleyer - Arbeitgeberpräsident, Hauptsturmführer.
    https://de.wikipedia.org/wiki/Hanns_Martin_Schleyer
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  • Veraltete Benutzerkennung
    In Deutschland wird alles auf die Goldwaage getan. In anderen Ländern gibt es solche Diskussionen gar nicht. Was Jahrzehnte lang keinen gestört hat wird auf einmal hinterfragt. Typisch deutsch.
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  • J. W.
    Dann sollte man keine Straßen, Gebäude oder Ähnliches mehr nach "Persönlichkeiten" benennen. Dann gibt es derartige Probleme nicht mehr.
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  • E. H.
    Soll das ein Witz sein? Welche Meinung denn sollen Anwohner zu Nikolaus Fey äußern? Gibt's da so viele Möglichkeiten?
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