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Eltmann
Kriegsende in Eltmann: Am 12. April erreichten die US-Streitkräfte mit ihren Sherman-Panzern die Stadt
Entschlossene Bürger zeigten weiße Flaggen. Die kampflose Übergabe bewahrte Eltmann vor größeren Zerstörungen. Die Main-Brücke hatte die Wehrmacht gesprengt.
Zum Kriegsende wurde die Eltmanner Mainbrücke gesprengt. Die Bevölkerung musste sich mit Fähren behelfen, um über den Fluss zu kommen.
Foto: Archiv Lorenz Dümpert | Zum Kriegsende wurde die Eltmanner Mainbrücke gesprengt. Die Bevölkerung musste sich mit Fähren behelfen, um über den Fluss zu kommen.
Günther Geiling
 |  aktualisiert: 18.04.2025 02:36 Uhr

Vergessen seien die Schrecken des Krieges bis heute nicht. "Um Lehren und Schlüsse daraus zu ziehen, ist die Erinnerungskultur wichtig für politische Entscheidungen gerade in der heutigen Zeit." Das sagt Lorenz Dümpert aus Eltmann. Der 91-Jährige hat mit großer Akribie die Erinnerungen an die Kriegsereignisse in seiner Heimatstadt zusammengetragen.

Die amerikanischen Truppen hatten am 26. März 1945 die Stadt Aschaffenburg erobert und am 4. April Würzburg völlig zerstört. Im Landkreis Haßfurt verfolgten die Menschen, wie die Kampffront täglich näher rückte. "Unsere einzigen Lebensmittel von der Hausschlachtung haben wir in einer Kiste im Garten vergraben, damit sie nicht von den Naziführern beschlagnahmt wurden. Auch die Hakenkreuzfahne und Adolf-Hitler-Bilder wurden heimlich verbrannt."

In Eltmann wirkten bis in die letzten Kriegstage hinein Fanatiker und Volkssturmleute. Sie folgten dem Befehl Hitlers, kein Dorf freiwillig preiszugeben. Auf der anderen Seite gab es viele Soldaten, die sich ergeben wollten. Das Hin und Her sorgte für viel Verwirrung.

Der 91-jährige Lorenz Dümpert war bei Kriegsende 11 Jahre alt. Er hat mit großer Akribie die Geschichte des 2. Weltkrieges von Eltmann aufgearbeitet.
Foto: Günther Geiling | Der 91-jährige Lorenz Dümpert war bei Kriegsende 11 Jahre alt. Er hat mit großer Akribie die Geschichte des 2. Weltkrieges von Eltmann aufgearbeitet.

Am 11. April eroberte die US-Armee dann Schweinfurt. "Vor den Tieffliegern musste man Angst haben, da sie blitzschnell kamen und auf alles schossen, was sich bewegte. Mit dem einzigen Holzvergaser-Lkw in Eltmann fuhr Kathinka Hußlein aus den umliegenden Ortschaften die vollen Milchkannen in die Molkerei Ehinger nach Trossenfurt. Sie konnte sich mit dem Lkw mehrmals noch rechtzeitig vor den Tieffliegern verstecken."

Bevölkerung plündert ein aufgegebenes Reichsarbeitsdienstlager

Wenige Tage vor dem Einmarsch der US-Armee fuhren die 60 "Arbeitsmaiden" (Anm. d. Red.: weibliche Jugendliche, die soziale Dienste in Haushalten oder in der Landwirtschaft leisteten) aus dem Reichsarbeitsdienstlager (RAD-Lager) an der Weisbrunner Straße in der Abenddämmerung auf Fahrrädern heim nach Thüringen gefahren. Das Lager sei dann von Menschen geplündert worden, die sich auf alles stürzten, was ihnen in die Finger kam. "Mit Handwagen und Rucksäcken wurden trotz ständiger Tieffliegerangriffe die Vorräte und das Inventar abtransportiert. Die von den Arbeitsmaiden gehaltenen Schweine, Hasen und Hühner hat man mitgenommen. Selbst mit Fuhrwerken aus dem Steigerwald waren Leute gekommen."

"Vor den Tieffliegern musste man Angst haben, da sie blitzschnell kamen und auf alles schossen, was sich bewegte."
Lorenz Dümpert, Eltmann, Zeitzeuge des Kriegsendes

Mit der Bombardierung der Eisenbahnlinie am 10. April 1945 wurde die Angst noch größer. Immer mehr deutsches Militär kam auf seinem Rückzug durch Eltmann. "Ein Packgeschütz, das von halbverhungerten Pferden gezogen wurde, ist in der Limbacher Straße hinter der Panzersperre aufgestellt worden. Die Pferde hat man in der Scheune von Hans Rumpel eingestellt. Die deutschen Soldaten sollten mit dem einzigen Geschütz Eltmann verteidigen", erzählt Lorenz Dümpert.

Versuch der Verteidigung mit nur einem Geschütz

Durch das häufige Schießen sei das Geschütz so heiß geworden, dass eine Granate im Geschützrohr explodierte. Die Amerikaner erwiderten das Feuer.  An den Kellereingängen in der Georg-.Schäfer-Straße wurde Josef Müller tödlich getroffen. Anna Vogel wurde durch eine Granate verletzt. Die deutschen Soldaten setzten sich fluchtartig durch die Stadt in Richtung Bamberg ab.

Die US-Truppen kamen am 12. April 1945 gegen 17 Uhr mit ihren Sherman-Panzern nach Eltmann. Als ein amerikanischer Kriegsbeobachter in einem Einmann-Hubschrauber den Main hin und her folg, flüchteten die Bürger in die Luftschutzkeller. Der seit 1940 amtierende Bürgermeister Oskar Hümmer befahl dem Volkssturm, die Panzersperren nach Limbach und Unterschleichach zu schließen. Gegen 16 Uhr sprengten deutsche SS-Pioniere die Mainbrücke. Die Sprengbomben zündete man von der Schlosssteige aus, was die umliegenden Häuser und die bunten Fenster der noch an der Post stehenden Kreuzkapelle stark beschädigte.

Drei Bürgen für die kampflose Übergabe

Die Sherman-Panzer standen bereits vor der Panzersperre am Brücklein unterhalb der Felsenkeller in der Limbacher Straße. Einige tapfere Bürger, die in dem Keller waren, seien dann unter größter Lebensgefahr mit einer weißen Fahne zur Panzersperre gerannt und hätten die Holzstämme aus den Widerlagern gezogen. Schreinermeister Fritz May, Hans Bendel und August Schramm bürgten Dümpert zufolge für eine kampflose Übergabe der Stadt. Korbmacher Wilhelm Lutz steckte vom Kirchturm und vom Pfarrhaus eine weiße Fahne auf. Von der Schleichacher Straße standen die US-Truppen am Ölberg und schossen auf die Wallburg und die zerstörte Brücke.

Blick auf das ehemalige Reichsarbeitsdienstlager (RAD) in Eltmann
Foto: Chronik der Stadt Eltmann, Reproduktion | Blick auf das ehemalige Reichsarbeitsdienstlager (RAD) in Eltmann

Die deutschen Truppen waren nach Bamberg abgezogen. Gegen 21 Uhr marschierten die US-Truppen in Eltmann ein. "Die Stadt ist ohne größere Kämpfe eingenommen worden. Um 22 Uhr kam der Aufruf, dass alle Bürger aus den Kellern in die Häuser zurück sollen", blickt Dümpert zurück. Die Haustüren mussten zur Kontrolle der amerikanischen Soldaten offen bleiben.

Lorenz Dümpert erinnert sich noch genau: "Gegen 24 Uhr kamen schwerbewaffnete Soldaten in unser Haus, die vom Keller bis zum Dachboden mit Taschenlampen alle Räume nach versteckten, deutschen Soldaten suchten. Mit einem Kerzenlicht haben wir sie in alle Räume geführt."

Kinder bekommen Schokolade und Coca-Cola

Die Nacht durch rollten dann die Nachschubfahrzeuge durch die Straßen der Stadt. "Bei Tagesanbruch entdeckten wir gegenüber unserem Haus in der Vorstadtstraße eine amerikanische Feldküche. Hier sahen wir zum ersten Male dunkelhäutige, schwarze Soldaten unter den Stahlhelmen, die schwer bewaffnet auf den Fahrzeugen saßen. Ein Soldat kam auf uns zu und gab den Kindern Blockschokolade, Erdnüsse und das erste Coca-Cola."

In dem Wohnhaus von Lehrer Hans Dietz in der Landrichter-Kummer-Straße war der Stadtkommandant eingezogen. Alle Eltmänner Volkssturm-Männer und Jungvolkführer mussten sich melden. Sie wurden mit einem Lkw von den Amerikanern nach Ochsenfurt in ein Gefangenenlager transportiert.

So sah sie einst aus, die Mainbrücke bei Eltmann. Die Wehrmacht sprengte sie 1945, bevor die Amerikaner in die Stadt einrücken konnten.
Foto: Archiv Lorenz Dümpert | So sah sie einst aus, die Mainbrücke bei Eltmann. Die Wehrmacht sprengte sie 1945, bevor die Amerikaner in die Stadt einrücken konnten.

Die US-Armee baute wurde umgehend eine Notbrücke mit Pontonschiffen über den Main. Hierüber durften nur Armee-Fahrzeuge fahren. Für die Bevölkerung ließ Hans Düring, der bevollmächtigte Bürgermeister der Stadt, eine Notfähre zusammenbauen, damit die Bürger und Bauern das Feld bearbeiten konnten. Der alte Bürgermeister Oskar Hümmer, der im 1. Weltkrieg ein Bein verloren hatte, wurde einige Tage auf einem Stuhl an den Pranger vor dem Kellerhäuschen in der Georg-Schäfer-Straße gesetzt.

Turnhalle wurde zur Werkstatt für Panzer

Die Militärverwaltung gab strenge Anweisungen. Stadtdiener Alois Guttenberg machte mit der Schelle die Vorschriften bekannt. Die erste bis zur dritten Woche durfte man nur bis 20 Uhr auf die Straße gehen und nach der dritten Woche bis 22 Uhr. Das RAD-Lager wurde beschlagnahmt, in der Turnhalle reparierten die Sieger Panzer und andere Fahrzeuge. Die durchziehenden Amerikaner ließen an den Straßenecken Kanister mit Benzin stehen, welche die Bevölkerung gerne entleerte.

 
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