
Aller Anfang ist schwer: "Macht Eure Kameras aus." Oder: "Wie kann ich im Chat ein Handzeichen geben?" Oder: "Irgendjemand schaltet mich immer stumm." Sätze wie diese waren in der ersten Hybridsitzung in der Geschichte des Kreistags am Montag zuhauf zu hören oder zu lesen. Hybridsitzung bedeutet: Wenige Kreisrätinnen und Kreisräte, insbesondere die Fraktionsvorsitzenden, durften der Versammlung im Sitzungssaal des Landratsamtes beiwohnen.
Alle anderen sollten es sich zu Hause oder wo auch sonst vor dem PC, Tablet oder Smartphone bequem machen und online teilnehmen. Der Grund: Die Corona-Pandemie und die hohe Ansteckungsgefahr durch die Omikron-Variante. Da hält man lieber Abstand.
Kein leichtes Unterfangen, die Hybridsitzung, bei der Landrat Wilhelm Schneider, selbst im Sitzungssaal zugegen, bemerkenswerte Geduld bewies. Etwa als er einige Male mit seinen Ausführungen neu beginnen musste, weil ihn von irgendwo das Signal erreichte, er sei nicht zu hören, nicht zu sehen oder beides. Und erst recht, als sich die Beschlussfassungen als Mammutaufgabe erwiesen: "Ich bin dafür, kann aber nicht abstimmen", klagte irgendwann Steffen Vogel (CSU). Ein anderes Mal wiederholte Stephan Schneider (SPD) mehrfach, er habe - rein akustisch wohlgemerkt - den Beschluss nicht verstanden. Ulrike Zettelmeier (SPD) beschwerte sich bei einem Tagesordnungspunkt: "Der Ton ist so schlecht, da ist doch eine Abstimmung gar nicht möglich."
Virtuell waren maximal 24 Köpfe von 61 zu sehen
Und dann war ja da noch das Problem mit den Selbstbildnissen. Die Empfehlung, Kameras und Mikrofone wo immer möglich auszuschalten, um die Leitungen nicht zu überlasten, war zwar eine kluge. Nur: Auch bei virtuellen Versammlungen müssen die Räte bei einer Abstimmung eigentlich sichtbar sein. Andernfalls könnte das Ergebnis für ungültig erklärt werden.
Also: Bei den Abstimmungen alle Kameras an und dann die Hand gehoben oder eben nicht. Leider auch nicht möglich, denn - wie ein technisch versiertes Ratsmitglied einwarf: Mehr als 24 Köpfe können bei der gewählten Plattform auf einem Bildschirm nicht gleichzeitig dargestellt werden. Nur hat halt der Kreistag 60 Mitglieder - den Landrat und Referenten nicht eingerechnet.
Aber auch da kann man improvisieren. Bei den meisten Beschlussvorschlägen durfte Landrat Schneider davon ausgehen, dass der Kreistag sie einstimmig befürworten würde (was auch so kam). Da war es einfacher, in die Runde zu fragen, wer dagegen ist. Bei einer Abstimmung wurde es aber unübersichtlich:
Beim Flugplatz war eine Einzelabstimmung unausweichlich
Nach dem Ausstieg der Stadt Schweinfurt aus der "Verkehrslandeplatz Haßfurt-Schweinfurt GmbH" wollen sich die Stadt Haßfurt (schon geschehen) und der Landkreis Haßberge die Schweinfurter Geschäftsanteile untereinander gleichmäßig aufteilen. Dass das im Gremium nicht auf ungeteilte Begeisterung stößt, war von vornherein klar. Als sich Schneider dafür am Montag zumindest die Mehrheit holen wollte, wurde es kompliziert: "Ja", "Nein", "dagegen", "Zustimmung", "Ich bin dafür" - aus dem Kuddelmuddel aus Willensbekundungen war kein eindeutiges Ergebnis abzuzählen. Die Lösung: Einzelabstimmung, die dann mit 37:19 Stimmen für den Flugplatz endete.
Digitale Versammlung wird schon bald Routine sein
In ein paar Jahren werden sich die Männer und Frauen, die bei der ersten Hybridsitzung dabei waren, gerne daran zurückerinnern. "Weißt Du noch, damals..." Und wie sie das alles, auch mit einer Portion Humor, gemeistert haben. Und schon bald werden die Kommunalpolitiker die digitalen Kommunikationsplattformen sicher beherrschen, sich digital routiniert zu Wort melden und die Mikrofone der Kollegen nur stumm schalten, wenn sie diese ein bisschen ärgern wollen.