Es war der erste Christopher-Street-Day (CSD) im Landkreis Haßberge, der Ende August dieses Jahres in Haßfurt stattfand. Seither hängt am Gebäude der Caritas-Geschäftsstelle unweit der Ritterkapelle eine bunte Regenbogenfahne. So erzählt es Anke Schäflein, Chefin des Kreisverbands, am Freitagmittag. "Als ich heute Morgen ins Büro kam, stellte ich einen Brandschaden an dieser Fahne fest", sagt sie.
Bislang unbekannte Täter hatten die Flagge, ein Symbol für gesellschaftliche Offenheit und Toleranz, angezündet. Oder es zumindest sichtbar versucht. "Zum Glück besteht unsere Fahne aus schlecht brennbarem synthetischem Material, sodass dies offenbar eher nur geschmolzen ist." Schäflein erstattete dennoch Anzeige.
Polizei ermittelt wegen Sachbeschädigung
Wie viele Täter es waren, weiß die Caritas-Geschäftsführerin nicht. Was sie weiß: "Die Flagge hängt sehr hoch." Eine einzelne Person, so Schäfleins Vermutung, hätte es alleine kaum geschafft, dorthin zu gelangen. Verdächtige Spuren im Kies auf dem Boden zeugen wohl noch von der Tat. "Wenn jemand diesen Aufwand betreibt, gehe ich schon davon aus, dass es einen gedanklichen Hintergrund gibt", formuliert Anke Schäflein vorsichtig. Gemeint ist eine homophobe und politisch motivierte Tat.
Die Polizei Haßfurt bestätigt am Freitagnachmittag auf Nachfrage die laufenden Ermittlungen, allerdings wegen "Sachbeschädigung durch Brandlegung." So nenne sich das Delikt, das mit diesem Vorfall der polizeilichen Kriminalstatistik gemeldet wurde. Der Fall gehe nun an die Staatsanwaltschaft Bamberg, heißt es aus der zuständigen Dienststelle weiter. Von einem Hassverbrechen gehen die Beamten bislang folglich nicht aus. Die Tat erfülle nicht die Definition von politischer Kriminalität, so die Begründung.
In ähnlich gelagerten Fällen in Deutschland hatten Polizeibeamte die Sachlage schon anders bewertet. Etwa als im Juni 2021 an einer Schule im Landkreis Herford, Nordrhein-Westfalen, eine Regenbogenfahne verbrannt wurde. Damals ermittelte die Kriminalpolizei in Zusammenarbeit mit dem Staatsschutz gegen die unbekannten Täter. Auch im Haßbergkreis gibt es bislang keine Hinweise auf den oder die Verursacher. Den Tatzeitraum schränkt die Polizei auf Donnerstagabend, 17 Uhr, bis Freitagmorgen, 8 Uhr, ein.
Verein CSD Haßberge fordert Positionierung
In Haßfurt hängt die beschädigte Flagge weiterhin gegenüber des katholischen Wahrzeichens der Stadt: der Ritterkapelle. Dort hatte im August 2022, am Folgetag des CSDs, ein queerer ökumenischer Gottesdienst stattgefunden. Diakon Manfred Griebel und die evangelische Lektorin Cynthia Derra riefen damals zu mehr Offenheit und Akzeptanz gegenüber Lesben, Schwulen, Inter- oder Asexuellen und Transgender-Personen auf.
Dass diese Toleranz in der Gesellschaft nicht überall vorhanden ist, weiß Vincent Steppert, Vorsitzender des Vereins CSD Haßberge, aus eigener Erfahrung. Diskriminierung – manchmal offen, häufig versteckt – gehöre für Mitglieder der Community mitunter zum Alltag, sagt er. Der Versuch in Haßfurt, das Symbol für Vielfalt und Gleichberechtigung einer Minderheit anzuzünden, sei ein "klares homophobes Zeichen", so Steppert. "Man macht es, dass die Leute es sehen. Man trägt den Hass nach außen."
Die Dunkelziffer homophober Vorfälle dürfte seinen Schätzungen zufolge weitaus höher liegen als offiziell bekannt. Ein Großteil der Verbrechen werde entweder "nicht zur Anzeige gebracht oder nicht als politisch motiviert erkannt". Vincent Steppert fordert deshalb eine klare Positionierung der Gesellschaft "gegen diesen Hass".
Anke Schäflein bezieht an diesem Freitag klar Stellung. In ihren Augen stehe die Caritas für eine Kirche in Liebe und Freiheit. Das schließe alle Menschen in all ihrer Vielfalt ein, betont sie. "Die Regenbogenfahne ist das Symbol für diese Vielfalt. Dieses Symbol wurde zerstört."