Ein nicht vorbestrafter Jäger mit eigenem Revier ist wegen Wilderei von einer Strafkammer des Landgerichts Würzburg als Berufungsinstanz zu einer Geldstrafe von 2250 Euro (90 Tagesätze zu je 25 Euro) verurteilt worden. Im Mittelpunkt der Verhandlung standen zwei Wildschweine und, der eine als Angeklagte, der andere als Zeuge, zwei einst mit einander befreundete Jäger und Reviernachbarn.
Ungewöhnliche Töne waren in dem vierstündigen Strafprozess zu hören: Der Vorsitzende Richter Thomas Trapp äußerte mehrmals Richtung Anklagebank die Bitte, das für ihn ganz offensichtliche Lügen einzustellen, unter anderem mit Hinweis auf zwei Jahre später "plötzlich aus dem Hut gezauberte Entlastungszeugen".
Revierinhaber will die Schüsse gehört haben
Was war passiert? An zwei Wochenenden im April 2020, jeweils samstags vermutlich zwischen Mitternacht und ein Uhr, hatte der Jäger aus dem Landkreis Würzburg im Revier eines anderen ohne Erlaubnis Wildschweine erlegt und danach selbst vermarktet. Deren Wert wurde auf 280 Euro geschätzt, eines mit 105 Kilogramm, das andere brachte nur 35 Kilo auf die Waage. Tatort war ein Revier im Landkreis Main-Spessart. Deswegen war der Jäger vom Amtsgericht Gemünden im vergangenen Jahr wegen Wilderei in zwei Fällen zu einer Geldstrafe von 5100 Euro (170 Tagessätze zu je 30 Euro) verurteilt worden.
Zwei Jahre lang durfte der Jäger auch legal im Revier nebenan jagen, mit einer vom Pächter jeweils für das Jagdjahr ausgestellten Bescheinigung. Danach hatte dieser die abgelaufene Erlaubnis aber nicht mehr erneuert. Außerdem zeigte er den Jagdkollegen an, nachdem er von dessen nächtlichem Revierwechsel erfahren hatte, und weil er in einer der Tatnächte auch "draußen" war, sogar die Schüsse gehört hatte. Er habe so etwas seit längerer Zeit schon vermutet, sagte der Zeuge und verwies unter anderem auf das veränderte Verhalten des Rehwildes.
Angeklagter: Alles war abgesprochen
Nach Angaben des Angeklagten hatte er vom Reviernachbarn – was der bestritt - einen unbefristeten Begehungsschein, den er im ersten Prozess schon ganz vergessen hatte, verlegt oder verloren. Das Papier habe er erst nach der Verhandlung in Gemünden in einem Aktenordner daheim entdeckt. Seine Echtheit bezweifeln Staatsanwalt und Gericht. Das Schriftstück falle unter anderem durch Rechtschreibfehler auf. Im Zusammenhang mit diesem Papier und dass es das angeblich zur Tatzeit gab, sollten in dem Prozess jetzt neue Zeugen präsentiert werden, unter anderem eine Tochter des Angeklagten.
Der Vorsitzende Richter fragte wiederholt: "Warum erst zwei Jahre später?", und ließ deutlich erkennen, was er vermutete. Er redete dem Angeklagten "ins Gewissen", seine Tochter nicht mit einer Falschaussage ins Unglück zu stürzen, denn dafür könne es Knast geben. Er appellierte ans Verantwortungsbewusstsein des Vaters, allerdings für längere Zeit vergebens. Die Zeugin blieb zunächst auf dem Programm der Beweisaufnahme.
Richter: Die Aussagen passen nicht zusammen
Wiederholt schickte das Gericht den Verteidiger mit seinem Mandanten zu Gesprächspausen nach draußen: Man könne auch ruhig vors Haus gehen, so Richter Trapp, die frische Luft sei beim Denken vielleicht hilfreich. Erst habe der Angeklagte die Jagd im Revier des Nachbarn bestritten, dann gestanden, sich dafür sogar entschuldigt, und später folgte der Hinweis, dass er berechtigt gewesen sei, nebenan zu schießen. Das passe alles nicht zusammen.
Nach einer Mittagspause, sechs Zeugen warteten bereits zum Teil seit Stunden auf dem Flur, informierte der Verteidiger Gericht und Staatsanwaltschaft, dass man die Berufung gegen die Verurteilung in Gemünden auf die Rechtsfolgen, also auf die Strafe, beschränke. Details der Wildschwein-Jagd waren kein Thema mehr. Die folgenden Plädoyers dauerten nur Minuten, der Angeklagte bedauerte, dass man ihm erkennbar vom Anfang des Prozesses an nicht geglaubt habe.
Der Fall mit dem kleineren Schwein wurde vorläufig eingestellt. Dabei ging man davon aus, dass der Angeklagte in seinem Revier das Schwein angeschossen, dann aufs Nachbarrevier verfolgt und dort erlegt hatte. Das zur Tat benutzte Gewehr wurde eingezogen. Das kam für den Angeklagten überraschend. Er habe es, sagte er, verkaufen und damit seine Anwaltskosten zahlen wollen. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Für die beiden Wildschweine hat der Angeklagte an seinen Revier-Nachbarn 280 Euro überwiesen.