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Rauhenebrach
Helfer in der Not: Wie Ehrenamtliche im strukturschwachen Steigerwald die medizinische Erstversorgung übernehmen
Im Notfall zählt jede Minute. Und das ist gerade im ländlichen Raum eine Herausforderung. In der Gemeinde Rauhenebrach helfen deshalb First Responder. Wie das funktioniert.
Sie sind startklar nach 80 Stunden Ausbildung für die First Responder Rauhenebrach. Von links: Julian Stahl, Luis Karbacher und Alexander Schwarz.
Foto: Sabine Weinbeer | Sie sind startklar nach 80 Stunden Ausbildung für die First Responder Rauhenebrach. Von links: Julian Stahl, Luis Karbacher und Alexander Schwarz.
Sabine Weinbeer
 |  aktualisiert: 08.02.2024 19:54 Uhr

Zwölf bis 15 Minuten – länger soll es nicht dauern, bis ein Rettungswagen einen Patienten erreicht. Diese Zeit einzuhalten, ist gerade im ländlichen Raum eine Herausforderung für die Rettungskräfte. Und auch wenn der Rettungswagen in 15 Minuten da ist, können diese für die Betroffenen sehr lang sein. Wenn in der Zwischenzeit qualifizierte Erste Hilfe geleistet wird, werden oft schwere Folgen gemildert, manchmal sogar Leben gerettet.

Diese schnelle Erste Hilfe gewährleisten in der Flächengemeinde Rauhenebrach die First Responder, die sich jetzt über vier junge, frisch ausgebildete Helfer freuen. Luis Karbacher, Alexander Schwarz, Julian Stahl und Jonas Schug sind zwischen 19 und 20 Jahre alt und allesamt bei der Feuerwehr aktiv. Somit erlebten sie auch hautnah den Dienst der First Responder und entschieden sich für die Ausbildung.

80 Stunden dauert die Ausbildung. Um für die Einsätze Routine zu sammeln, können die ehrenamtlichen Helfer als dritte Kraft im Rettungswagen mitfahren.
Foto: Natascha Below | 80 Stunden dauert die Ausbildung. Um für die Einsätze Routine zu sammeln, können die ehrenamtlichen Helfer als dritte Kraft im Rettungswagen mitfahren.

Diese fand erstmals über den ASB (Arbeiter-Samariter-Bund) statt, der seit 2019 einen Rettungswagen in Untersteinbach stationiert hat. Der Wagen ist stark ausgelastet und so sieht man beim ASB die Helfer vor Ort als wertvolle Ergänzung. Die Nachwuchskräfte können Routine, indem sie als drittes Besatzungsmitglied im Rettungswagen mitfahren. 

First Responder können Knochenbrüche schienen

In 80 Stunden dauert die Ausbildung, die die Nachwuchskräfte von Juni bis August absolviert haben. Dabei lernen sie verschiedenste Ersthilfemaßnahmen: von den Grundlagen wie Schocklage oder der stabilen Seitenlage bis hin zu Maßnahmen, die der reguläre Erste-Hilfe-Kurs nicht mehr umfasst.

Das Einsatzfahrzeug der First Responder führt nämlich allerhand Gerät mit sich, das weitreichende Hilfe bietet: einen Defibrillator, ein Sauerstoffgerät und ein Absauggerät. First Responder können Blutzucker und Blutdruck messen oder einen Knochenbruch vorläufig schienen.

Die First Responder können auch Blutzucker messen, wie hier auf diesem Symbolbild.
Foto: Jens Büttner, dpa | Die First Responder können auch Blutzucker messen, wie hier auf diesem Symbolbild.

Die First Responder bewähren sich schon eine ganze Zeit lang. 2004 ging es auf Initiative von Kreisbrandinspektor Georg Pfrang los mit den First Respondern in Rauhenebrach, 2005 wurde die Urkunde vom Rettungs-Zweckverband ausgestellt. Alexander Stahl war bei den Ersten dabei und berichtet von den Anlaufschwierigkeiten. Da waren einerseits die, die meinten, das sei Aktionismus und nicht nötig. Die wurden nach den ersten Hilfseinsätzen allerdings eines Besseren belehrt, so Stahl.

Funklöcher sorgten für Probleme

Doch es gab auch Probleme, und zwar ganz grundlegende. Nicht immer funktionierte die Alarmierung. Heute, nach Einführung des Digitalfunks und dem Ausbau der Mobilfunkversorgung, sei das zwar kein Thema mehr. Doch damals gab es in der Flächengemeinde jede Menge Funklöcher, die den Helferinnen und Helfern die Arbeit schwer machten. "Am besten ging noch die SMS-Alarmierung", erinnert sich Stahl. Doch auch sei nicht ganz glattgelaufen. Bei Stahl zu Hause in Geusfeld kamen manche Alarm-SMS erst am nächsten Tag an.

Funklöcher, wie auf diesem Symbolbild, machten den First Respondern damals einen Strich durch die Rechnung. Heute ist das kein Problem mehr.
Foto: Karl-Josef Hildenbrand, dpa | Funklöcher, wie auf diesem Symbolbild, machten den First Respondern damals einen Strich durch die Rechnung. Heute ist das kein Problem mehr.

Das ist heute eher kein Problem mehr, berichtet Markus Dluczek, der zusammen mit Linda Beck und Anita Stretz die Einsatzleitung der First Responder Rauhenbrach bildet. Der Notfallsanitäter fuhr früher im Untersteinbacher Rettungswagen mit. Mittlerweile ist er bei der Berufsfeuerwehr in Würzburg angestellt. Doch seine Freizeit widme er aus voller Überzeugung den First Respondern. 

Auch Anita Stretz ist als Rettungssanitäterin vom Fach, Linda Beck arbeitet in der Verwaltung. Und die neuen Helfer? Die kommen aus den verschiedensten Berufsgruppen. Luis arbeitet als Physiotherapeut, Alexander ist Mechatroniker, Julian studiert Maschinenbau und Jonas ist Industriemechaniker.

First Responder organisieren sich per App

Sie alle haben unterschiedlichste Arbeitszeiten und teils auch lange Pendel-Strecken. Dennoch rücken sie in ihrer Freizeit aus, wenn sie gebraucht werden. Die unterschiedlichsten Bereitschaftsmodelle wurden in den letzten zwei Jahrzehnten ausprobiert, berichtet Alexander Stahl. Mittlerweile organisieren sich die First Responder unter anderem per App: Der Alarm laufe bei allen auf – und wer einsatzbereit sei, der rückt aus.

Meist liegen die Einsätze zwischen 20 Uhr abends und 8 Uhr morgens, denn die anderen zwölf Stunden am Tag deckt sieben Tage pro Woche der Rettungswagen ab. Doch wenn dieser belegt ist, ist er nicht verfügbar. Manchmal steht er auch in der Nachbargemeinde Oberaurach in Bereitschaft, weil im Maintal alle Rettungswagen im Einsatz sind.

Die Einsatzleiter Markus Dluczek, Linda Beck (von rechts) freuen sich mit Alexander Stahl (Mitte hinten) über die Nachwuchskräfte Luis Karbacher, Julius Stahl und Alexander Schwarz (von links).
Foto: Sabine Weinbeer | Die Einsatzleiter Markus Dluczek, Linda Beck (von rechts) freuen sich mit Alexander Stahl (Mitte hinten) über die Nachwuchskräfte Luis Karbacher, Julius Stahl und Alexander Schwarz (von links).

Rund zwei Alarmierungen gibt es pro Monat

Im Schnitt gibt es pro Monat zwei Alarmierungen. Zwischen 24 und 28 Alarmierungen hat Markus Dluczek in den letzten Jahren dokumentiert – 2019 gab es einen Ausreißer mit 57 Fällen. Bei etwa der Hälfte handele es sich um internistische Notfälle vom Kreislaufkollaps bis zum Herzinfarkt.  Im Winter gibt es mehr Stürze, so Dluczek, aber auch Feuerwehreinsätzen werden die First Responder öfter hinzugerufen. Aktuell werden die ehrenamtlichen Helfer wegen Wespenstichen alarmiert, beispielsweise wenn eine Person in die Zunge gestochen wird, oder wegen Asthmaanfällen.

"Man ist natürlich stärker betroffen, wenn man einen Bekannten oder Eltern von Bekannten reanimiert."
Alexander Stahl, First Responder Rauhenebrach

Das Ehrenamt ist jedoch nicht immer einfach. "Dass wir die Leute kennen, kann Vor- und Nachteile haben. Man ist natürlich stärker betroffen, wenn man einen Bekannten oder Eltern von Bekannten reanimiert", sagt Alexander Stahl. Aber die First Responder können auch persönlicher auf Angehörige einwirken und sie beruhigen. "Und wir können noch ein bisschen da bleiben, während die Rettungswagenbesatzung so schnell wie möglich mit dem Patienten losmuss."

Nicht nur für die Angehörigen seien die Situationen manches Mal belastend, sondern auch für die ehrenamtlichen Helfer. Beispielsweise, wenn keine Hilfe mehr möglich ist. "Dann muss man reden und selbst Hilfe annehmen", so Stahl. 

"Ich bekomme regelmäßig sehr positive Rückmeldungen nach den Einsätzen."
Matthias Bäuerlein, Bürgermeister von Rauhenebrach

Für die Menschen in Rauhenebrach sei der Dienst der First Responder auf jeden Fall sehr wertvoll, erklärt Bürgermeister Matthias Bäuerlein. "Ich bekomme regelmäßig sehr positive Rückmeldungen nach den Einsätzen". Oft würden sich Betroffene oder Familienangehörige bedanken und betonen, wie wertvoll die kompetente Hilfe war.

 
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