Es wirkt irgendwie symbolisch für die Veranstaltung. Herausforderer Volker Ortloff von der CSU steht auf den Stufen zur Bühne der Stadthalle, etwas unschlüssig, blickt auf seine Mitbewerber, während seine beiden Widersacher, 1. Bürgermeister Günther Werner (Wählergemeinschaft) und Stephan Schneider (SPD), bereits auf ihren Sesseln Platz genommen haben. Eingeladen hatten das Haßfurter Tagblatt und der Bote vom Haßgau als Lokalausgaben der Main-Post, 400 Wähler sind der Einladung gefolgt und wollen miterleben, wie sich die drei Haßfurter Bürgermeisterkandidaten auf dem "Heißen Stuhl" unter der Moderation von Redaktionsleiter Martin Sage schlagen.
Eines vorneweg: Richtig blamiert hat sich keiner der drei. Am meisten profitiert haben von der Veranstaltung dürfte der Wähler, der wertvolle Erkenntnisse gewinnen konnte. Zwei der Anwärter saßen ja vor sechs Jahren schon gemeinsam auf dem Podium. Damals waren Günther Werner und Stephan Schneider noch erbittertste Gegner. Vor der anschließenden Stichwahl zwischen Günther Werner und dem damaligen CSU-Kandidaten Georg Hiernickel hatte Schneider gar eine Wahlempfehlung an seine Wähler zugunsten des Schwarzen ausgesprochen. "Das war ein Fehler", sagt Schneider nun sechs Jahre danach. Schneider und Werner scheinen inzwischen ihren Frieden gemacht zu haben. So lässt Schneider seinem "Chef" zum Thema "Klimawald" sogar generös den Vortritt, als die Publikumsfrage im Raum steht, wie viele Bäume die Stadt Haßfurt im vergangenen Jahr hat pflanzen lassen.
Volker Ortloff ist da sichtlich nicht der dritte Mann im Boot. Er gibt den typischen Herausforderer, den der von außen kommt und mit etablierten Strukturen aufräumen will. Dabei allerdings kommt er oft etwas oberlehrerhaft rüber, der Funken zwischen ihm und dem Publikum will oft nicht überspringen. Er darf an diesem Abend aber den Anfang machen. Mit welchem Promi er gerne mal ein Bierchen trinken möchte? Mit seiner Dienstherrin, bekannt als AKK, um sie über einige Bundeswehrinterna aufzuklären. Die Bundeswehr und deren für ihn damals unbefriedigende Entwicklung nennt Ortloff auch als Erklärung für seine achtjährige Mitgliedschaft in der SPD. Interessanter findet das Publikum da die Frage, ob er als Bürgermeister seine Verwaltung oder seinen Stadtrat strammstehen lassen würde. Die Antwort fällt - ganz der Stabsoffizier und ehemalige Bataillonskommandeur- eher nüchtern aus. Er vergleicht die Stadtverwaltung mit einem Bataillon, das sei auch so etwas wie eine Behörde.
Wenn's in Haßfurt nicht klappen sollte - in welcher Stadt könnte sich Stephan Schneider vorstellen zu regieren? "Ich war schon immer ein Fan von Berlin..." Applaus bekommt der Rettungssanitäter nicht nur dafür, auch für sein Kompliment an Autofahrer mit HAS-Kennzeichen. "Die Rettungsgasse klappt auf der A70 besser als woanders - und da sind viele Haßfurter dabei." Den Vogel schießt Schneider aber ab, als er nach einem etwaigen Amtsbonus für einen 3. Bürgermeister bei der Wahl gefragt wird und einen interessanten Vergleich mit dem FC Bayern anstellt: "Der Cheftrainer ist dort gegangen, der Stellvertreter ist nachgerückt - und schon spielen sie gut."
Beifall gibt es auch, als Bürgermeister Günther Werner als seine politischen Vorbilder, ja Mentoren, die profilierten und beliebten Haßfurter SPD-Politiker Werner Holzinger und Erich Heß sowie den Nürnberger Ex-OB Ulrich Maly nennt. Nürnberg sei traurig, so Werner, dass Maly aufgehört hat. Ein versteckter Hinweis, besser nicht auf ihn - Werner - verzichten zu wollen? Clever zieht sich der Amtsinhaber auch aus der Affaire, als er nach einer möglichen Hilfestellung für den ebenfalls ehemaligen Sozialdemokraten Ortloff gefragt wird. "Bundespolitisch gilt die Richtung einer Partei. Als Kommunalpolitiker muss ich aber überparteilich wirken. Da gehört es dazu, auf jeden Bürger einzugehen und zu versuchen, einen Konsens zu finden."
"Haßfurt steht gegenwärtig so gut da, weil..." Diesen Satz müssen die Kandidaten vervollständigen. Volker Ortloff behält auch hier seine Linie bei, die er schon in mehreren Veranstaltungen propagierte, dass die jüngsten Fortschritte von Haßfurt noch auf die Vorgänger des jetzigen Amtsinhabers zurückzuführen seien, deshalb sei es auch deren Verdienst, dass es der Stadt derzeit gut gehe. Stephan Schneider sieht verantwortlich für die gute Haßfurter Lage die Arbeit von vielen engagierten und innovativen Bürgern sowie zahlreichen Ehrenamtlichen. Günther Werner verweist darauf, dass in den letzten Jahren 1500 neue sozialversichtungspflichtige Arbeitsplätze geschaffen worden seien. Das zeige, dass "die Unternehmen der Stadt vertrauen".
Wird es in sechs Jahren noch Parkplätze am Tränkberg geben? Volker Ortloff bejaht die Frage, allerdings könnten langfristig am Bahnhof Parkplätze in ausreichender Menge entstehen. Günther Werner erachtet trotz der erwarteten Veränderungen im Verkehr die Parkplätze am Tränkberg als notwendig. Die rund 200 Parkplätze am Bahnhof seien vor allem für Pendler vorgesehen. Auch Stephan Schneider spricht sich für die Tränkbergparkplätze aus - mit der Einschränkung, falls der Klimawandel den Main stetig über die Ufer treten lassen sollte.
Inzwischen verändert sich das Klima auch zwischen zumindest zweien der Kandidaten untereinander. Das Thema Verkehrsführung in der Innenstadt und Ringstraßenlösung lässt Bürgermeister Werner und Herausforderer Ortloff heftig aufeinanderprallen. Während Ortloff die Gelegenheit nutzt, um für einen "Altstadtring" - offenkundig sein Lieblingskind - zu werben, das würde den Verkehr flüssiger machen, es gebe weniger Schadstoffausstoß, der Verkehr flösse immer in eine Richtung, sogar die Gastronomie könne man dadurch, so Ortloff, pushen, sieht bei dem Begriff "Altstadtring" der Bürgermeister rot. Die davon betroffenen Straßen seien zum Teil Staatsstraßen und könnten nicht von der Stadt nach Belieben umgebaut werden. Veränderungen bedürften langjähriger Verhandlungen mit dem Staatlichen Bauamt. Allerdings sieht auch Werner die Notwendigkeit, nach dem Neubau der Mainbrücke über den Ausbau der Ringstraße nachzudenken. Vielleicht werde demnächst auch eine Befragung der Bürger zu dem Thema Verkehrsführung in der Innenstadt stattfinden. Als Gutserle verrät der Bürgermeister, dass derzeit über den Bau eines Mini-Kreisels vor dem Unteren Turm nachgedacht werde.
Eine Zuschauerin fragt, ob es künftig Photovoltaik auf den Dächern der Altstadt geben wird. Werner: "Bisher verbietet die Altstadtgestaltungssatzung, dass es Photovoltaik auf Dächern gibt, die von der Straße aus einsehbar sind. Es wird mit allen Beteiligten darüber diskutiert, wie das aufgeweicht werden kann. Aber ich will nicht zu viel versprechen." Ortloff: "Wir als CSU sind dafür. Aber wir wissen auch, dass wir in der Altstadt historisches Erbe haben, das wir schützen müssen." Schneider juckt die Satzung weniger: "Wenn ich es allein entscheiden könnte: Ja!"
Eine Bürgerin aus Prappach fragt sich, wann der Radweg von Prappach nach Haßfurt kommen soll? Werner: "Wenn die alte Mülldeponie an der Prappacher Straße endlich abgewickelt ist, weil wir in den Deponiekörper nicht eingreifen dürfen. Darauf liegt aber noch ein Klärschlamm-Kompost-Gemisch, das erst entsorgt werden muss. Das haben wir noch heuer vor. Wann der Radweg kommt, kann ich nicht sagen." Darauf Moderator Sage: "Dann hoffen wir mal, dass die Frage von einer jungen Bürgerin kam."
Auch für den Fall der Fälle bietet die Veranstaltung die nötige Information. Mit wem würden die Kandidaten am liebsten eine etwaige Stichwahl bestreiten? Günther Werner will möglichst im ersten Wahlgang über 50 Prozent erreichen. Eine Stichwahl möchte er gerne vermeiden. Sein Stellvertreter eigentlich auch, aber wenn, dann wünschte er sich den Bürgermeister. Volker Ortloff ist eindeutig: "Wenn, dann gegen Stephan Schneider."
Damit wäre das geklärt. Aber warum tut sich jeder der drei Kandidaten das überhaupt an, warum will jeder die Stadt Haßfurt regieren? Werner: "Ich denke, ich habe in den vergangenen sechs Jahren bewiesen, dass ich es kann. Ich möchte meine Projekte, die ich angeschoben habe, vollenden. Meine Liebe zu diesem Beruf lässt nichts anderes zu, als dass ich mich wieder bewerbe." Schneider: "Ich liebe diese Stadt, ich liebe diese Menschen. Ich will ins Rathaus und ich möchte das für Euch machen." Ortloff: "Ein frischer Wind würde der Stadt guttun. Ich glaube, es kann auch mal gut sein, wenn jemand von außen neu dazukommt." Damit liegen die Karten auf dem Tisch. Der Wähler entscheidet nun, wer den entscheidenden Stich macht.