Als im Jahr 2000 Stadtpfarrer und Kirchenverwaltung bemerkten, dass die Ritterkapelle, nicht nur Wahrzeichen von Haßfurt, sondern auch Denkmal von nationaler Bedeutung, deutliche Zeichen des Verfalls aufwies, konnte noch niemand ahnen, welche Folgen der Beschluss zur Generalsanierung zeitigen würde.
Im Sinne des Zweiten Vatikanischen Konzils
Zunächst einmal folgten sechs Jahre der planerischen Vorbereitung der Sanierung, dem schloss sich eine rund vierjährige Bauzeit an. Nicht nur witterungsbedingte Bauschäden sowie statische Mängel wurden dabei behoben, sondern auch eine Umgestaltung im Sinne des Zweiten Vatikanischen Konzils (11. Oktober 1962 bis 8. Dezember 1965, die Red.) vorgenommen. Für den Bau- und Kunstreferenten der Diözese, Jürgen Lenssen, war dabei der zentrale Leitgedanke, der Ritterkapelle den Charakter einer Wallfahrtskirche zurückzugeben und die beiden alten Gnadenbilder wieder mehr ins Zentrum zu rücken. Vor allem an der Errichtung einer Altarinsel mit einer Stele unter dem großen Torbogen der Ritterkapelle entzündete sich jedoch der heilige Zorn weiter Teile der Gläubigen.
Während die Befürworter dieser Stele darin eben die Wiederbelebung des Wallfahrtskirchen-Charakters sahen, den das Gotteshaus rund vier Jahrhunderte zuvor einmal besessen hatte, empfand die sich bildende Initiativgruppe "Gegen die Teilung der Ritterkapelle" die goldene Stele als "Beleidigung der Kirche". Durch den neuen Mittelaltar sei der Tabernakel nicht mehr für alle sichtbar. Und Leute, die vor dem Hochaltar beten wollten, müssten erst die Stele umkurven. Der Hauptvorwurf der "Protestanten" richtete sich gegen das Vorgehen von Kirchenverwaltung und Pfarrgemeinderat, die Gemeindemitglieder in die Entscheidungen nicht einzubeziehen.
Die Gegner der Stele wollten die Ritterkapelle so saniert haben, wie sie das Gotteshaus vor Beginn der Sanierung kannten. Sie warfen Domkapitular Jürgen Lenssen außerdem vor, den Haßfurter Pfarrgemeinderat mit der Drohung gefügig gemacht zu haben, dass bei einer Weigerung der Haßfurter die Diözese kein Geld für die Sanierung der Ritterkapelle lockermachen würde.
Die Kirchenverwaltung und Planer kamen der Initiativgruppe sogar entgegen, indem die Stele halbiert und der Mittelaltar abgesenkt wurden. Dabei sei sogar die Unterschriftensammlung berücksichtigt worden, die von der Initiative angestrengt worden war und in die sich 2381 Menschen eingetragen hatten. Es half aber alles nichts. Der Riss, der die Pfarrei spaltete, wurde eher noch tiefer.
Domkapitular Lenssen zeigte sich von den persönlichen Angriffen und den Vorwürfen erschüttert. Der Kirchenraum sei in erster Linie für die Liturgie bestimmt, die von ihm vorgeschlagene Altarinsel versuche daher, so Lenssen damals im Gespräch mit dieser Redaktion, "der Liturgie zu dienen und der Atmosphäre der Wallfahrtskirche noch mehr Ausdruck zu verleihen". So sei er der Meinung gewesen, dass dort, wo in der Julius-Echter-Zeit der Altar gestanden habe, wieder ein Altar errichtet werden sollte. Dann könne der Priester näher an der Gemeine zelebrieren. "Zum anderen wollte ich die Gnadenbilder in die Mitte des Kirchenraums rücken."
Die Haßfurter Gläubigen blieben jedoch aufsässig. Ihren Höhepunkt erreichten die Unmutsbezeugungen bei einem Informationsabend Ende April 2008. Der sollte eigentlich die Kirchengemeinschaft zusammenführen, aber am Ende verhärteten sich die Fronten noch mehr. Die rund 200 Besucher der Ritterkapelle hatten sich besonders auf Stadtpfarrer Reinhold Schmitt und Kunstreferent Jürgen Lenssen eingeschossen, so dass schnell deutlich wurde, dass der Graben zwischen Kirchenemeinde und -führung für ein gegenseitiges Verstehen und Annehmen schon zu groß geworden war. Die Zerknirschung von Ehrenbürger Schmitt, der damals kurz vor seinem altersbedingten Abschied aus Haßfurt stand, ließ sich in seinem Ausbruch erahnen: "Vor einigen Wochen wäre ich noch schweren Herzens gegangen. Sie haben es jedoch geschafft, dass ich jetzt aus Haßfurt wegfahren kann, ohne mich auch nur einmal umzudrehen."
Da ein im Rahmen dieses Informationsabends verlesener Bischofsbrief zu diesem Thema auch sein Ziel verfehlt hatte, wandte sich Diözesanbischof Friedhelm Hofmann wenig später in einer öffentlichen Stellungnahme an alle Christen in der Pfarrei und appellierte, aufeinander zuzugehen. Gleichzeitig erläuterte er die Gründe, die für das Konzept mit der Stele geführt hatten. Grundlegende Übereinstimmung sollte - so Bischof Hofmann in dem Schreiben - darin bestehen, „dass die Ritterkapelle ein Raum für die Feier lebendiger Liturgie ist und kein musealer Sakralraum sein" könne. Dass es dabei verschiedene Ansichten geben könne, sei verständlich, meinte Bischof Hofmann, machte aber unmissverständlich klar, dass die Würfel in Sachen Ritterkapellen-Sanierung zugunsten des Modells Lenssen gefallen waren.
Ereignis mit historischer Tragweite
Das von Jürgen Lenssen ausgearbeitete Konzept wurde also um- und die Sanierung fortgesetzt. Am 12. September 2010 sollte die feierliche Altarweihe mit Bischof Friedhelm Hofmann stattfinden. Vier Tage vorher, an Mariä Geburt, hatten die Haßfurter Katholiken die Wallfahrtspieta aus Holz im Rahmen einer Prozession von der Stadtpfarrkirche in die Ritterkapelle gebracht, wo sie seitdem die Stele ziert. Zur Altarweihe, einem "Ereignis mit historischer Tragweite", so die Berichterstatterin damals in dieser Zeitung, hatten sich so viele Gläubige eingefunden, dass die renovierte Kirche sie kaum fassen konnte.
Bischof Friedhelm bezeichnete dabei die Ritterkapelle als ein außergewöhnliches Gotteshaus in der Diözese, eine Schatzkammer der Geschichte, wie ein Siegel der Gegenwart Gottes durch alle Zeiten hindurch. „Heute ist ein unglaubliches Fest der Freude, auch wenn es Auseinandersetzungen, Streit und Verwundungen gegeben hat“, erinnerte der Bischof an die Proteste gegen die Stele. Um Versöhnung bemüht, fügte er an: „Dies war auch ein Zeichen dafür, dass alle um den Wert dieses Gotteshauses wissen und sich um die Renovierung gesorgt haben.“ Nach der ersten Eucharistiefeier und dem Zug zur steinernen Pieta auf der Rückwand der Stele endete die Feier.
Als nach der Altarweihe das Sonnenlicht durch die Fenster über der Empore in das Gotteshaus fiel und die hölzerne Pieta in der Stele mit einem goldenen Glanz überzog, schien es "wie ein Fingerzeig Gottes. Ich habe in diesem Moment geweint“, bekannte damals Domkapitular Jürgen Lenssen gegenüber dieser Redaktion.
Die Stele hat sich "eingependelt"
Seitdem sind zehn Jahre vergangen. Inzwischen stellt die Stele kein Problem mehr dar in der Haßfurter Pfarrei, sagt Stadtpfarrer Stephan Eschenbacher. Natürlich könne man über Geschmack streiten, so der Geistliche im Gespräch mit dieser Redaktion. Aber das Thema Stele habe sich bereits ein bis zwei Jahre nach der Altarweihe "eingependelt". Die Ritterkapelle, so Pfarrer Eschenbacher, werde zum einen von der Pfarrei sehr genutzt. Zum anderen treffe man hier in den Sommermonaten viele Radfahrer an, die in der Kirche zur Ruhe kommen möchten. "Gerade in Coronazeiten", so der Stadtpfarrer, sei das eine der wenigen Möglichkeiten gewesen, einen Kirchenraum aufzusuchen. Das Fürbittbuch sei sehr gut genutzt worden, "wenn man schon keinen Gottesdienst feiern kann".
Sein Vorgänger Reinhold Schmitt, Ehrenbürger und viele Jahre Stadtpfarrer von Haßfurt, der seit zwölf Jahren als sogenannter Kreuzbergpfarrer die Wallfahrtskirche in Pleystein in der Oberpfalz betreut, wird im September, wenn sich die Weihe des neuen Altars der Ritterkapelle - an der er damals nicht persönlich teilnahm - zum zehnten Male jährt, seinen 88. Geburtstag feiern. Pater Schmitt bekommt regelmäßig Besuch aus seiner ehemaligen Pfarrei, in der er lange Jahre segensreich wirkte. Und er erinnert sich gerne zurück. Er hat mit seinen Kritikern von einst seinen Frieden gemacht. Nur manchmal, da wird noch der Schmerz spürbar, den er damals erleiden musste, wenn er sich wie bei der Predigt anlässlich seines 80. Geburtstags vor der Haßfurter Delegation erinnert: "Die längste Zeit war ich ja bei Euch in Haßfurt, und es war wunderschön - und es war auch manchmal sehr schwer."