Pfarrer Reinhold Schmitt versuchte von Beginn an, die Diskussion sachlich zu halten. Seine Zerknirschung konnte er allerdings schlecht verbergen: „Vor einigen Wochen wäre ich noch schweren Herzens gegangen. Sie haben es jedoch geschafft, dass ich jetzt aus Haßfurt wegfahren kann, ohne mich auch nur einmal umzudrehen.“ Der ganze Abend war von solch emotionalen Aussagen geprägt, eine vernünftige Debatte kam nicht zu Stande.
Die rund 200 Besucher der Ritterkapelle schossen sich besonders auf Pfarrer Schmitt und Kunstreferent Jürgen Lenssen ein, der das Konzept für die Innengestaltung der Kapelle entwickelt hatte. Deren Argumentation wurde von Beginn an mit großem Gelächter, Empörung und lautstarken Buh-Rufen bedacht, ohne eine Chance darauf, Gehör zu finden. „Ach, hör doch auf!“, „Lächerlich!“, „Pfui Teufel!“ – es ging zu wie bei einer Stammtisch-Streiterei.
Schnell wurde deutlich, dass der Graben zwischen Kirchengemeinde und -führung schon zu groß ist, als dass ein „gegenseitiges Annehmen und Verstehen“, wie Pfarrer Schmitt es forderte, noch möglich wäre. Noch während seines Versöhnungsversuchs unterbrach ihn ein Gemeindemitglied und fragte: „Herr Pfarrer, merken Sie nicht, dass Sie einen tiefen Riss durch unsere Gemeinschaft verursacht haben? Eine Kirche bedeutet Gemeinschaft, nicht die Entscheidung Einzelner!“ Dieser Zwischenruf wurde mit dem bis dato größten Jubel begrüßt.
„Wir haben kein Vertrauen mehr zu den Kirchengremien.“
Wilhelm Wolpert Stelen-Gegner
Wilhelm Wolpert, der Sprecher der Initiativgruppe gegen die Neugestaltung, verdeutlichte dann den Standpunkt „der Tausenden Menschen“, für die er spricht: „Wir fühlen uns hintergangen und haben kein Vertrauen mehr zu den Kirchengremien.“ Er pochte darauf, die Ritterkapelle in ihrem Ursprungszustand zu belassen. „Das wäre ein Zeichen von christlich-brüderlichem Verhalten!“ Frenetischer Jubel.
Der zwischenzeitliche Versuch von Domkapitular Jürgen Lenssen, den Mitgliedern die klare Struktur hinsichtlich der Entscheidungsmacht von Pfarrgemeinderat und Kirchenverwaltung in dieser Angelegenheit zu verdeutlichen, machte die Sache nur schlimmer. „Wollen sich amtliche und geistliche Würdenträger etwa tatsächlich gegen die Mehrheit der Haßfurter stellen?“, fragte Wolpert angriffslustig. Godehard Maruschke von der Initiativgruppe ergänzte: „Das Vertrauen in die gewählten Gremien ist zerstört.“
Auch der Versuch von Pater Schmitt, sich durch einen Brief von Würzburgs Bischof Friedhelm Hofmann, den er laut vorlas, „Hilfe von oben“ zu holen, scheiterte kläglich. „Alle Gläubigen der Pfarrei Sankt Kilian, die Bewohner der Stadt Haßfurt und alle Liebhaber der Ritterkapelle bittet der Bischof, die Entscheidung der gewählten Gremien anzunehmen. Wörtlich: Die Gläubigen und alle Bürger bitte ich, sich nach dieser Entscheidung wieder die Hand zu reichen und miteinander zum Wohl der Pfarrgemeinde und der Stadt Haßfurt zu wirken.“
Es nützte nichts, die Gemeindemitglieder waren an diesem Abend zu keinem Nachgeben bereit. Pfarrer Schmitt resignierte: „Wisst Ihr was, ich muss für Euch beten . . . Ich meine, in einigen von Euch an diesem Abend so etwas wie Hass zu sehen.“
Auch das beherzte Eingreifen von Haßfurts Bürgermeister Rudi Eck konnte am Verlauf des zur Versöhnung geplanten Informationsabends wenig ändern. Er stellte sich hinter Pfarrer Schmitt und kassierte ebenfalls gehässige Zwischenrufe und Pfiffe. „Wie heute Abend mit unserem Pfarrer und Ehrenbürger Pater Schmitt sowie mit den Gästen aus Würzburg umgegangen wird, ist beschämend“, so der Bürgermeister. Er appellierte an die Haßfurter, fair zu bleiben, kämpfte aber eine Schlacht, die schon längst verloren war.
Rein argumentativ brachte der Informationsabend wenig Neues. Die Initiativgruppe „Gegen die Teilung der Ritterkapelle“ empfindet die goldene Stele als „Beleidigung der Kirche“ und will auch ihren bisherigen Kreuzweg beibehalten. Durch den neuen Mittelaltar sei das Tabernakel nicht mehr für alle sichtbar und Leute, die vor dem Hochaltar beten wollen, müssten erst die Stele umkurven.
Das Schlimmste aber sei, dass die Gemeindemitglieder vor der Entscheidung von Kirchenverwaltung und Pfarrgemeinderat am 16. April nicht mehr gehört und einbezogen worden seien, „obwohl Pfarrer Schmitt und Kirchenpflegerin Elisabeth Graßer dies versprochen haben“. Die Gegenseite spricht von einer „demokratischen Entscheidung“.
Den Wünschen der Mitglieder sei man weitgehend nachgekommen: „Die Stele wurde halbiert und der Altar abgesenkte, wie gewünscht“, sagte Pfarrer Schmitt. Die Unterschriftensammlung der Initiative sei berücksichtigt worden und ein Diskussionsabend vor der Entscheidung „hätte auch kein anderes Ergebnis gebracht“. Genau hier liegt das Problem: Die Gemeindemitglieder fühlen sich entmündigt, weil ihnen „von oben etwas auferlegt“ wird, was die Mehrheit ablehnt.
„Wie mit unserem Pfarrer und Ehrenbürger Pater Schmitt umgegangen wird, ist beschämend.“
Rudi Eck Bürgermeister
Dennoch sind die Würfel gefallen, die Stele wird bleiben. Da kann die Menge noch so sehr toben, wenn Wilhelm Wolpert fordert, „das Modell an einem anderen Ort aufzustellen, wo man es auch haben will“. Bekanntlich wird alles heißer gekocht als gegessen, vielleicht freunden sich die Haßfurter mit der Stele und dem neuen Kreuzweg ja doch noch an – auch wenn einige Mitglieder „schon aus der Kirche ausgetreten“ seien, weil sie „kein Geld für so einen Schund“ ausgeben wollen.
Bis sich die Gemüter beruhigen, werden wohl einige Wochen oder Monate vergehen müssen.