"Erneuerbare-Energien-Projekte müssen so bürgernah wie möglich angegangen werden", sagt Marco Siller im Gespräch mit dieser Redaktion. Seit Mai ist Marco Siller Geschäftsführer der GUT, zusammen mit Kreiskämmerer Marcus Fröhlich, der dies allerdings als Nebentätigkeit ausübt. Das Gelingen der Energiewende hänge entscheidend von der Akzeptanz der Bürger ab. Ziel sei es, so Siller, in jeder Kommune Beteiligungsmodelle für die Bürger zu entwickeln und auf diese Art und Weise die Energiewende mit größtmöglicher Wertschöpfung im Landkreis zu gestalten.
Möglichst autark auf dem Energiesektor
Seine Aufgabe, so Marco Siller, sei nun die "Überprüfung der verschiedenen Möglichkeiten zur Nutzung der erneuerbaren Energien auf technische und wirtschaftliche Machbarkeit und Tragfähigkeit im Kreisgebiet" sowie die Umsetzung entsprechender Energieerzeugungsprojekte. "Ziel ist es, im Landkreis Haßberge den Einsatz von regenerativen Energien weiter zu steigern, um im Laufe der nächsten Jahrzehnte auf dem Energiesektor möglichst autark zu werden", beschreibt der GUT-Geschäftsführer seine Ambitionen.
Reaktion auf Fukushima
Nach der Atomkatastrophe in Fukushima war in Deutschland 2011 der schrittweise Ausstieg aus der Kernenergie beschlossen und die Energiewende eingeleitet worden. Der Landkreis Haßberge gründete im gleichen Jahr gemeinsam mit allen Städten, Märkten und Gemeinden des Landkreises, der Städtische Betriebe Haßfurt GmbH und der bbv-Land-Siedlung GmbH die Gesellschaft zur Umsetzung Erneuerbarer Technologieprojekte im Landkreis Haßberge – kurz GUT Haßberge -, um sich um den anstehenden Ausbau der Erneuerbaren Energien im Landkreis zu kümmern, damit die sich bietenden Chancen für die Region optimal genutzt werden können.
Von dieser Ideenschmiede wird seither die Förderung der Umstellung der Energieversorgung im Landkreis Haßberge auf Erneuerbare Energien insbesondere durch die Initiierung und Koordinierung von entsprechenden Projekten aktiv vorangetrieben. Marco Siller als neuer Kopf der Organisation soll nun ausloten, was tatsächlich möglich ist und was nicht, neue Wege beschreiten - wozu etwa die Umsetzung der Kernpunkte gehört, die sich aus dem digitalen Energienutzungskonzept ergeben.
"Es wird wahnsinnig viel Energie verbraucht im Landkreis", ist eine fundamentale Feststellung des GUT-Chefs nach Sichtung der Daten. Wichtig ist für den gelernten Diplom-Ingenieur für Elektrotechnik, "die Wertschöpfung soll dabei möglichst vor Ort bleiben". Handlungsleitfaden ist dabei der Energienutzungsplan aus dem Jahre 2015, den das Institut für Energietechnik IfE GmbH an der Ostbayerischen Technischen Hochschule Amberg-Weiden erstellt hat. Seit dem Wandel des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG) im Jahre 2017 sind Photovoltaik(PV)-Freiflächenanlagen mit einer Nennleistung über 750 kWp und bis maximal 10 MWp auf Acker- und Grünlandflächen in sogenannten "landwirtschaftlich benachteiligten Gebieten" in Bayern förderfähig, so Siller. Darunter fallen laut Energieatlas Bayern 23 der 26 Kommunen im Landkreis Haßberge.
Daher ist es das vorrangige Ziel des neuen GUT-Geschäftsführers, insgesamt 20 weitere Bürgerbeteiligungsanlagen im Landkreis Haßberge zu errichten und zu betreiben. Das würde bedeuten, dass in 20 Gemeinden auf jeweils zehn Hektar je eine Anlage mit einer Leistung von 10 MWp gebaut werden würde. "Diesen ersten Ansatz für eine mögliche Energiewende im Landkreis verprobe ich gerade in Gesprächen mit den Gemeinden, um die Tragfähigkeit sowohl politisch als auch gesellschaftlich zu überprüfen."
425 900 MWh pro Jahr
Als notwendigen Energiemix zur Erreichung der Stromwende im Landkeis Haßberge nennt Marco Siller eine Größenordnung von 425 900 MWh pro Jahr. Bei den 20 Photovoltaik-Freiflächen-Anlagen liegt das Ziel der Leistung, das erbracht werden soll, bei 200 MWp. Eine Leistung von 200 MWp entspricht - so erklärt es der Ingenieur dem Redakteur - einer Stromproduktion von etwa 200 000 MWh im Jahr, also fast der Hälfte der angestrebten Gesamt-Stromerzeugung.
Natürlich sollen die landwirtschaftlichen Flächen, die für die PV-Anlagen benötigt werden, keine hochwertigen Ackerböden sein, so Siller, sondern eher Grundstücke, "die der Bauer nur ungern bewirtschaftet". Sie würden ja zudem durch die Errichtung der PV-Anlagen nicht versiegelt. Andererseits seien nur 0,44 Prozent der landwirtschaftlichen Fläche im Landkreis - die insgesamt 45 139 Hektar beträgt - vonnöten, um die für die Erzeugung von 200 000 MWh erforderlichen PV-Anlagen zu installieren.
Windkraft gegen die Windmühlen der Politik
Im angestrebten Energiemix hat Siller für Windenergie eine Leistung von 100 MW eingerechnet. Das würde wegen einer höheren spezifischen Stromausbeute ebenfalls einer Stromproduktion von 200 000 MWh pro Jahr entsprechen. Allerdings ist hier die Lage etwas komplizierter als bei der Sonnenenergie. Zusätzlich zur Leistung von 25 MW aus der bestehenden Anlage bei Sailershausen fehlen noch weitere 75 MW auf das erklärte Ziel. Das würde bedeuten, auf den vier Vorranggebieten, die der Regionalplan im Landkreis Haßberge vorsieht, müssten noch 15 Anlagen mit einer Leistung von jeweils 5 MW errichtet werden, also drei Standorte mit jeweils fünf Anlagen. Das derzeit politisch durchzusetzen, erscheint Siller kein leichtes Unterfangen.
Wind und Sonne als ideale Partner
Dennoch sieht Marco Siller die Windenergie als den "besten Komplementär-Energieträger" zur Photovoltaik, die für ihn die Basis für die Strom- und Verkehrswende im Landkreis Haßberge darstellt. Diese beiden Technologien ergänzen sich ideal. In Zeiten hoher Erträge aus der Photovoltaik sind die Ergebnisse aus der Windkraft eher bescheiden; und umgekehrt, so dass sich über das Jahr verteilt eine nahezu homogene Kurve einer stabilen Stromerzeugung ergeben könnte, die den zu erwartenden Verbrauch decken würde. Immer vorausgesetzt, der Ausbau der beiden Technologieformen würde in den kommenden Jahren nach den Vorstellungen von Marco Siller realisiert werden können. Bis dahin ist es aber noch ein weiter Weg.
Randtechnologien
Keine größere Rolle auf diesem Weg spielt für Marco Siller die Energiegewinnung aus Biomasse. "Aktuell sind Geschäftsmodelle dazu nur schwer zu realisieren." Vereinzelte Projekte seien nach seiner Ansicht auch mit der Biomasse Holz möglich. Hier herrsche eine gute Fördersituation vor. Und auch die Tiefengeothermie spiele derzeit keine große Rolle. Im tiefen Untergrund des Bereiches um Burgpreppach ist es circa 10 Grad wärmer als üblich. Bislang ist jedoch weder die Ursache, noch der genaue geologische Aufbau der Anomalie bekannt. Um dem Rätsel der erhöhten Temperatur auf die Spur zu kommen, untersuchen Geologen der Universität Erlangen-Nürnberg mittels seismischer Analysen den Untergrund auf einer Fläche von rund 4000 Quadratkilometern in sechs Landkreisen, darunter der Kreis Haßberge. "Dieses Projekt läuft derzeit auf wissenschaftlicher Basis weiter", so Marco Siller. Doch sei für die Nutzbarkeit der Standort entscheidend. Da es sich bei der Geothermie vorwiegend um Wärmegewinnung handele, sei ein Abnehmer für diese Wärme in unmittelbarer Nähe erforderlich, da sonst der Energieverlust zu hoch wäre. Ein solcher Nutzer sei im Raum Burgpreppach aber derzeit nicht vorhanden.