Es hätte wohl kaum einen schlechteren Zeitpunkt gegeben, um in Haßfurt einen Stadtstrand aufzubauen. Ausgerechnet 2019, als noch niemand ahnte, dass sich die Menschheit auf dem Weg in eine weltweite Pandemie befand, beantragte der Betreiber, die Attraktion am Hafen nahe der Waldorfschule aufbauen zu dürfen. Nach einem langen Genehmigungsverfahren konnte Ende April 2021 der Betrieb beginnen. Nicht in vollem Umfang, denn eigentlich gehört es zum Konzept eines Stadtstrandes, dass die Gäste dort auch verweilen können. Aber wenigstens gibt es Speisen und Getränke zum Mitnehmen.
Ein Treffpunkt in Zeiten der Pandemie?
Für viele Bürger ist der Stadtstrand eine willkommene Abwechslung, anderen ist er ein Dorn im Auge. Sowohl bei dieser Redaktion als auch bei der Polizei und dem Landratsamt gab es Beschwerden über den Gastronomiebetrieb und vor allem über seine Kunden: Wie könne es sein, dass mitten in der Pandemie ein solcher Treffpunkt geschaffen wird? In öffentlichen Kommentaren im Internet wird der Stadtstrand sogar für das Infektionsgeschehen mit verantwortlich gemacht. Vorwürfe gibt es auch gegen das Landratsamt Haßberge, das den Betrieb genehmigt hat.
Das Landratsamt wehrt sich: Auf Nachfrage dieser Redaktion bestätigt die Behörde, dass die Betreiber des Stadtstrandes eine gaststättenrechtliche Genehmigung haben. "Somit ist der To-Go-Verkauf erlaubt und kann nach den derzeit gültigen Vorschriften auch nicht außer Kraft gesetzt werden", erklärt Michael Rahn, stellvertretender Pressesprecher des Landratsamtes.
Nicht jeder kann die Beschwerden verstehen
Der Betreiber könne daher nur zur Verantwortung gezogen werden, wenn er Regelverstöße "aktiv gefördert" hätte, beispielsweise wenn er Gläser ausgegeben hätte, die zurückgebracht werden müssen, oder wenn er auf dem konzessionierten Gelände den Verzehr zugelassen hätte. "Uns sind derlei Verstöße oder Vorkommnisse nicht bekannt", heißt es aus dem Landratsamt.
Rahn weist darauf hin, dass das Landratsamt sowohl vereinzelte Beschwerden über den Stadtstrand erreicht haben, als auch Zuschriften von Leuten, die die Aufregung nicht verstehen können. "Es wurde uns geschildert, dass die Personen auf dem Gelände in der Schlange FFP2-Masken trugen und den erforderlichen Sicherheitsabstand einhielten; danach suchten sich die Leute im Außenbereich (öffentliches Gelände) Sitzplätze in größeren Abständen." Es scheine also "völlig gegensätzliche Wahrnehmungen zu den Vorkommnissen zu geben", schreibt Rahn.
Dies deckt sich auch mit Beobachtungen dieser Redaktion vor Ort. Die Gäste trugen Masken, hielten Abstand als sie in der Schlange standen und entfernten sich danach vom Gelände. Auch die Polizei hat keine schwerwiegenden Verstöße gegen die Corona-Auflagen festgestellt, sagt Kurt Etzel, stellvertretender Dienststellenleiter der Haßfurter Polizei. Mehrmals seien Polizeistreifen vor Ort gewesen, um nach dem Rechten zu sehen.
Etzel könne bestätigen, dass sich am Wochenende viele Gäste am Stadtstrand aufhielten, betont aber auch, der Betreiber habe sich an seine Verpflichtungen gehalten. So seien alle Aufsteller weggeräumt worden, die zum Verweilen einladen. Außerdem spreche das Personal auch Gäste an, die sich nicht an die Regeln halten.
Sicher gebe es den einen oder anderen Verstoß, wenn sich Gäste beispielsweise am Stadtstrand mit Getränken versorgen und diese dann in einiger Entfernung davon in einer zu großen Gruppe konsumieren. "Aber im Vergleich mit anderen Treffpunken ist das sicherlich nicht mehr", sagt Kurt Etzel. Als Beispiele nennt der Polizist Aussichtspunkte, Waldspielplätze oder Marktplätze mit Eisdielen. Außerdem seien Betreiber und Mitarbeiter des Stadtstrandes nicht mehr dafür verantwortlich zu machen, was auf dem gut 100 Meter entfernten Tränkberg-Parkplatz passiert.
Ein Mitarbeiter nur für die Corona-Regeln
Leonid Rosa, Betreiber der Haßfurter Stadtstrandes, berichtet ebenfalls von seinen Bemühungen, dafür zu sorgen, dass die Corona-Auflagen eingehalten werden. "Das ist ja auch in unserem Interesse." So gebe es derzeit am Stadtstrand sogar einen Mitarbeiter, dessen einzige Aufgabe darin besteht, für die Einhaltung der Regeln zu sorgen, indem er herumläuft, beobachtet und gegebenenfalls Leute auf ihr Fehlverhalten anspricht. Dabei haben die Mitarbeiter nicht nur das Gelände des Stadtstrandes selbst im Blick, sondern auch das nähere Umfeld. Was den Angestellten dabei wiederholt aufgefallen ist: Nicht hinter jeder Personengruppe verbirgt sich ein Regelverstoß. Bei einer Ansammlung von mehreren Leuten stellte sich bei der Kontrolle heraus, dass mehrere davon in einer Wohngemeinschaft zusammenleben. Andere Gäste seien bereits vollständig geimpft gewesen und unterlagen deshalb nicht mehr den Kontaktbeschränkungen.
Langer Lockdown für die Gastronomie
Aber vielleicht steckt auch nicht hinter jeder Beschwerde die tatsächliche Sorge um Verstöße gegen Corona-Auflagen: "Es gibt auch Leute, denen passt der Stadtstrand nicht in ihr Weltbild", meint der Betreiber. Bisher hatte er vier Tage geöffnet: am letzten Wochenende im April sowie am vergangenen Wochenende. Dazwischen, am Wochenende um den 1. Mai, hatte der Stadtstrand nicht geöffnet, da aufgrund der hohen Sieben-Tage-Inzidenz Auflagen gegolten hätten, die nicht umsetzbar gewesen wären.
So ist auch der Schweinfurter Stadtstrand derzeit nicht geöffnet, da dort die Corona-Zahlen aktuell zu hoch sind. Diesen betreibt ebenfalls Leonid Rosa, so wie auch das Café Kölsch und die Mole 9 in Schweinfurt und das Lokwerk in Haßfurt. All diese Gastronomiebetriebe sind durch den Lockdown seit Monaten geschlossen. So sieht Leonid Rosa im To-Go-Betrieb am Haßfurter Stadtstrand auch eine Möglichkeit, seinen Mitarbeitern wenigstens die Gelegenheit zu geben, wieder ein bisschen zu arbeiten und Geld zu verdienen.
Der Müll zeigt: Nicht alles kommt vom Stadtstrand
Und auch wenn der Stadtstrand eine gewisse "Sogwirkung" habe, sei sicher nicht alles, was am Haßfurter Mainufer verzehrt wird, dort gekauft worden. So berichtet Leonid Rosa, die Mitarbeiter des Stadtstrandes würden abends auch in der Umgebung sauber machen. "Dabei haben wir viel Müll gefunden, der gar nicht von uns ist."