Bislang kochen die Kommunen im Haßbergkreis häufig ihr eigenes Süppchen, wenn es um die Strom-, Wasser- und Gasversorgung ihrer Bürgerinnen und Bürger geht. Anderswo in Deutschland findet das bereits gemeinschaftlich unter dem Dach eines sogenannten Kreiswerks statt. Aber was hat es mit dieser Idee auf sich? Welche Vorteile bietet ein solches Kreiswerk? Und kann es die Energiewende auf kommunaler Ebene vorantreiben? Wir liefern Antworten.
Was ist ein Kreiswerk?
Stadt- und Gemeindewerke übernehmen auf kommunaler Ebene wichtige Aufgaben der Daseinsvorsorge. Dazu zählen unter anderem Wasser- und Energieversorgung sowie Abwasser- und Müllbeseitigung.
Je nach Größe und Bedeutung aber kann nicht jede Kommune diese Anforderungen im gleichen Maße erfüllen. Deswegen schließen sich Gemeinden häufig zu sogenannten Zweckverbänden zusammen, in denen sie diese Aufgaben bündeln, so den Aufwand reduzieren und die Wirtschaftlichkeit erhöhen. Auf Landkreisebene kann – wie der Name bereits verrät – ein Kreiswerk die Daseinsvorsorge übernehmen, beispielsweise in Form eines Eigenbetriebs. Immer wichtiger für die kommunalen Anbieter wird dabei auch der Ausbau von und die Versorgung mit erneuerbaren Energien.
Welchen Beitrag zur Energiewende kann ein Kreiswerk leisten?
Die Energiewende spielt eine zentrale Rolle beim Erreichen der Klimaziele, da sind sich fast alle Akteure einig. Ob diese Herausforderung gelingt, das liegt auch in den Händen der Kommunen. Denn die Stromversorgung über erneuerbare Energien funktioniert vor allem dezentral.
Für die Kommunen bietet dieser Umstand eine große Chance. Das sagt Norbert Zösch, Geschäftsführer des Stadtwerks Haßfurt und Grünenpolitiker im Kreistag Haßberge. Sie könnten nach Jahrzehnten der Privatisierung wieder entscheidend Einfluss nehmen, beispielsweise auf den Ausbau der Energieerzeugung und die Erweiterung der Netzinfrastruktur. Und hier kommt das Kreiswerk ins Spiel.
Bislang gleicht der Landkreis mit seinen 26 Gemeinden eher einem Flickenteppich, was die Umsetzung von Wind- oder Solarparks betrifft. Durch ein Kreiswerk, so Zösch weiter, könnten Projekte künftig gebündelt und unter einem Dach umgesetzt werden. Das gelte neben Strom ebenso für Gas, Wasser, Mobilität sowie für den Ausbau des Glasfasernetzes. Auch große Investitionen wie beispielsweise in Wasserstofftechnologie, für einzelne Gemeinden oft nicht zu stemmen, sind in der Gemeinschaft finanzierbar. "Wir als Stadtwerk könnten dabei unsere Expertise in dieses Projekt mit einbringen", sagt Zösch.
Neben der Energiewende würde auch der Wirtschaftsstandort Haßberge von dieser Neuordnung der Wertschöpfung profitieren – und damit die Bürgerinnen und Bürger des Landkreises, die sich an entsprechenden Projekten beteiligen.
Kommt das Kreiswerk nun auch in den Haßbergen?
Die Idee, ein solches Projekt auch im Kreis Haßberge umzusetzen, gibt es bereits länger. Das geht aus einer Nachfrage der Redaktion beim Landratsamt hervor. Erste Voruntersuchungen der Gesellschaft zur Umsetzung erneuerbarer Technologieprojekte im Landkreis Haßberge, kurz GUT, hätten bereits ergeben, dass ein Kreiswerk "absolut Sinn" mache.
Doch eine Hau-Ruck-Aktion ist nicht geplant, trotz der immer wieder geforderten Eile bei der Energiewende. "So etwas auf die Beine zu stellen, ist eine Mammutaufgabe, die wohl vorbereitet sein muss", sagt Landrat Wilhelm Schneider. Und die Vorbereitungen laufen weiter: In der Gesellschafterversammlung der GUT im Juli 2021 verabschiedeten die beteiligten Gemeinden und der Landkreis einstimmig den nächsten Schritt, nämlich die konkrete Konzeptentwicklung für ein Landkreiswerk. Welche Form diese Institution am Ende haben wird, wird nun darin erarbeitet. Der grobe Zeitplan steht laut Landrat Schneider damit: "Vorstellbar ist, dass das Fundament für ein Kreiswerk in ein bis zwei Jahren realisiert werden kann."
Wie die Beteiligung der Städte und Gemeinden an diesem Projekt aussieht, ist indes offen. "Es wäre wünschenswert möglichst alle Kommunen und die Bürgerinnen und Bürger mit ins Boot zu holen, sowie die Stadtwerke und den Landkreis", so Schneider. Doch leicht scheint das nicht. Denn eine zentrale Herausforderung bleibt laut Landrat: "Die Überwindung von Barrieren von Gemeindegrenzen in den Köpfen mancher Beteiligten, die in Vergangenheitsstrukturen festhängen."
Welches Beispiel gibt es für ein Kreiswerk?
Ein Blick nach Brandenburg in den Landkreis Barnim zeigt, wie die Umsetzung dieser Idee konkret aussehen kann. Hier verfolgt man seit 2008 eine "Null-Emissions-Strategie". Um dieses Ziel schneller zu erreichen, verabschiedete der Barnimer Kreistag im Jahr 2016 die Gründung der Kreiswerke. Das Projekt fand damals nicht nur Zuspruch. Einige Kreisräte, das zeigt die Berichterstattung der dort ansässigen Lokalzeitung, sprachen sich gegen das vermeintliche "Verwaltungsmonster" aus, das die Privatwirtschaft in der Region ausbremsen würde.
Tatsächlich ist das Barnimer Konstrukt durchaus komplex. Die Kreiswerke als hundertprozentige Tochter des Landkreises bilden das Dach des Unternehmens. Darunter befinden sich drei Gesellschaften: die erste für Abfall- und Kreislaufwirtschaft; die zweite für Beratung und Entwicklung energiewirtschaftlicher Projekte mit kommunaler Beteiligung; die dritte für die Umsetzung dieser Projekte. Nach eigenen Angaben beschäftigen die Kreiswerke insgesamt 152 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter.
In Barnim zeigt man sich bislang zufrieden mit diesem Projekt. Doch auch hier ziehen nicht alle Gemeinden des Landkreises gleichermaßen mit: 16 von 25 Kommunen sind derzeit beteiligt. Doch es werden mehr: vor einem Jahr waren es noch 13.