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Haßfurt
Geflüchtete helfen Geflüchteten: Wie die Arbeit der Alltagsbetreuer für Asylbewerber im Haßbergkreis abläuft
Integrationslotsin Siza Zaby hat das Konzept entwickelt: Wer gut in Deutschland angekommen ist, soll anderen bei der Integration helfen.
Die Gruppe junger Afghanen hofft, sich in Deutschland ein Leben in Frieden aufbauen zu können. Rassol (links) ist ihr Alltagsbetreuer.
Foto: Lorenz Thomas | Die Gruppe junger Afghanen hofft, sich in Deutschland ein Leben in Frieden aufbauen zu können. Rassol (links) ist ihr Alltagsbetreuer.
Lorenz Thomas
 und  Peter Schmieder
 |  aktualisiert: 08.02.2024 10:28 Uhr

Für das Bayerische Staatsministerium des Innern, für Sport und Integration steht fest: "Wie wir Integration meistern, ist entscheidend für die Gesellschaft, in der unsere Kinder und Enkel leben werden." Was den Weg zur Integration betrifft, erklärte Minister Joachim Herrmann kürzlich, Integrationslotsen seien "unverzichtbarer und starker Partner bei der Integrationsarbeit in den Kommunen", die sich auf kommunaler Ebene als Netzwerker engagierten.

Eine Idee aus dem Kreis Haßberge: "Einmalig in Bayern"

Ein solches Netzwerk auf kommunaler Ebene hat der Landkreis Haßberge in den vergangenen Monaten massiv ausgebaut, eine wichtige Rolle spielen dabei die Alltagsbetreuerinnen und -betreuer. Dabei handelt es sich um Menschen, die selbst vor einigen Jahren als Flüchtlinge nach Deutschland gekommen sind und nun anderen, noch nicht anerkannten Geflüchteten helfen, sich zu integrieren. Die Idee zu diesem Konzept stammt von Integrationslotsin Siza Zaby. Das Projekt sei "einmalig in Bayern", berichtet sie. Die Redaktion hat zwei Alltagsbetreuer bei ihrer Arbeit begleitet.

Sechs Betreuerinnen und Betreuer, sieben Dolmetscher und eine Hygienebeauftragte unterstützen neben dem Hausmeisterdienst die beiden hauptamtlichen Integrationslotsinnen Siza Zaby und Cornelia Klaus. Die Alltagsbetreuerinnen und -betreuer sind festangestellt beim Amt für Soziales und Senioren. Alle kamen im Zuge der ersten Flüchtlingswelle 2014 bis 2016 oder bereits davor nach Deutschland und sind mittlerweile bestens integriert.

Besonders wichtig ist es, die Sprache zu lernen

Die erste Station ist an diesem Tag in Eltmann, wo Betreuer Mohammed an einer Haustür klingelt. Die Alltagsbetreuung beginnt grundsätzlich damit, die Geflüchteten schon beim Ankommen in ihre Wohnung zu begleiten. 100 Wohneinheiten wurden hierfür dezentral über den gesamten Landkreis verteilt angemietet und sind mit dem Notwendigsten ausgestattet.

Integrationslotsin Siza Zaby hat das Konzept der Alltagsbetreuung entwickelt.
Foto: Lorenz Thomas | Integrationslotsin Siza Zaby hat das Konzept der Alltagsbetreuung entwickelt.

Deutsch zu lernen ist von elementarer Bedeutung, doch Kurse sind Mangelware. Deshalb haben die Wohnungen einen Internetanschluss, sodass die Geflüchteten Online-Deutschkurse belegen können. 

Aufgabe der Hygienebeauftragten ist es, den Geflüchteten den sorgfältigen Umgang mit Wasser und Strom zu erklären, wie die Mülltrennung funktioniert oder auch, was zu tun ist, damit sich kein Schimmel in der Wohnung bildet. Beim Gang zur Behörde begleitet einer der sieben Dolmetscher die Geflüchteten – entweder persönlich oder telefonisch.

Die Geflüchteten bekommen gleich zu Beginn Informationen über Einkaufsmöglichkeiten, die Nutzung des öffentlichen Personennahverkehrs (ÖPNV) und auch den Kontakt zu Behörden. Das alles ist bei den Menschen, die Mohammed an diesem Tag besucht, schon erledigt – der Termin, zu dem ihn die Redaktion begleitet, ist ein Kontrollbesuch. Das letzte Mal als er vor Ort war, seien die Rauchmelder abmontiert und der Müll schlecht sortiert gewesen, berichtet er. An diesem Tag ist alles in Ordnung.

Jederzeit per Handy erreichbar

Auch die zweite Wohnung ist in einem ordentlichen Zustand, nur das Bad müsse besser gelüftet werden. Doch die Stimmung der Bewohner ist gedrückt. Sie hätten gerne Kontakt zur Nachbarschaft, zudem sind Hautprobleme aufgetreten und das Waschpulver ginge zur Neige. Mohammed hört zu, notiert sich die Anliegen und gibt Ratschläge.

"Ich bin Konfliktlöser, Vermittler und Aufpasser."
Mohammed, Alltagsbetreuer

"Ich bin Konfliktlöser, Vermittler und Aufpasser", berichtet Mohammed. Er sei jederzeit per Handy erreichbar und jede ihm zugewiesene Wohnung würde er mindestens einmal pro Woche kontaktieren. Er sei zur Stelle, wenn Hilfe benötigt wird. Wie jetzt, wenn in der Ferienzeit keine Busse fahren, die Geflüchteten aber zu Terminen müssen.

Mohammed achtet auf die Einhaltung von Regeln

Er könne aber auch unangenehm werden, wenn seine Schützlinge Regeln missachten: Insbesondere das Einhalten von vereinbarten Terminen und das pünktliche Erscheinen müsse Mohammed immer wieder anmahnen.

"Leider gibt es zu wenige freiwillige Helfer, die ihnen den Weg in die Dorfgemeinschaften und das Vereinsleben ebnen."
Siza Zaby, Integrationslotsin

Mit dem 35-jährigen Alltagsbetreuer Rassol geht es weiter nach Theres, zu einer Wohngemeinschaft junger Afghanen. Mit Begeisterung sprechen sie dort über ihre Lebenspläne: Zunächst wollen sie die deutsche Sprache gut beherrschen, einen Beruf erlernen, dann eine Familie gründen und vor allem in Frieden leben. Aber auch hier fehle der Kontakt zur Nachbarschaft. "Leider gibt es zu wenige freiwillige Helfer, die ihnen den Weg in die Dorfgemeinschaften und das Vereinsleben ebnen", erklärte Zaby hierzu.

Alltagsbetreuer Rassol klingelt bei einer Gemeinschaftsunterkunft in Theres.
Foto: Lorenz Thomas | Alltagsbetreuer Rassol klingelt bei einer Gemeinschaftsunterkunft in Theres.

Gerne würden sie ihren Leidenschaften dem Fußballspielen, Radsport und Kampfsport wieder nachgehen. Schon jetzt, wo sie noch nicht anerkannt sind, würden sie gerne einen Minijob ausüben, um etwas Geld zu verdienen. Ebenso wünschen sie sich etwas mehr Intimität. Über Monate hinweg in einem Vierbettzimmer zu schlafen, sei eine Belastung. Gegenüber Rassol äußern sie Dankbarkeit, dass er ihnen zur Seite steht. Leider würde er viel zu selten kommen, doch telefonischer Kontakt erfolge regelmäßig und wenn es notwendig sei, wäre er da.

Freundeskreis Asyl Hofheim sieht Verbesserungsbedarf

Aus Sicht von Christina Bendig und weiteren Ehrenamtlichen des Freundeskreises Asyl Hofheim ist das Konzept der Alltagsbetreuung in der Theorie gut und sollte auch weiterentwickelt werden. Bei der derzeitigen Umsetzung sehe sie aber deutliche Schwierigkeiten: Im Bereich rund um Hofheim würden die Alltagsbetreuer des Landkreises bisher nur eine kleine Rolle spielen – sofern sie den Bewohnerinnen und Bewohnern der verschiedenen Unterkünfte überhaupt bekannt sind, sagt Bendig. Oft stünden sie lediglich telefonisch als Übersetzer bei Arztterminen zur Verfügung.

Die schlechte Erreichbarkeit und auch die fehlende persönliche Präsenz mache die Alltagsbetreuer wenig greifbar. Die Funktionen, die durch die Betreuung abzudecken seien, übernähmen im Hofheimer Umkreis immer noch Ehrenamtliche, so Bendig. Ebenso die Integration in Dorfgemeinschaften. Das habe sich auch seit der Einführung der Alltagsbetreuerinnen und Alltagsbetreuer nicht verändert.

Begrenztes Budget und wenig Planungssicherheit

Auf Nachfrage dieser Redaktion entgegnet Moni Göhr, Pressesprecherin des Landratsamtes: "Auch das Amt für Soziales und Senioren verfügt nur über begrenzte finanzielle und personelle Ressourcen und dies in einem Aufgabenbereich, in dem es wenig Planungssicherheit gibt." Mehrere hundert Geflüchtete müsse der Landkreis bis zum Jahresende noch aufnehmen, ohne dabei jedoch zu wissen, aus welchen Ländern diese kommen. "Die Tatsache, dass das Landratsamt jede Woche neue Flüchtlinge wechselnder Nationalität aufzunehmen hat, erschwert die erwünschte regelhafte Betreuung der bereits angekommenen Personen", schreibt Göhr.

Deshalb lege die Behörde den Schwerpunkt auf Orte, an denen sonst niemand hilft. "Gerade dort wo Ehrenamtliche sehr aktiv sind, kann deshalb der Eindruck entstehen, dass die muttersprachliche Alltagsbetreuung nicht im erwünschten Umfang wahrzunehmen ist", so die Pressesprecherin. "Tatsächlich telefonieren die Betreuungskräfte aber regelmäßig mit Kontaktpersonen in den Unterkünften und arbeiten eng mit den Hausverwaltern zusammen."

 
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