Als er 2004 Bürgermeister wurde, stand die Stadt Hofheim finanziell so klamm dar, dass die Zwangsverwaltung drohte. 18 Jahre später ist nicht nur der Haushalt saniert, sondern auch zahlreiche Ortskerne und ebenso die Innenstadt. Der Kopf hinter der Entwicklung: Wolfgang Borst. Nun neigt sich die Dienstzeit des Hofheimer Bürgermeisters dem Ende entgegen. Der 70-Jährige durfte aufgrund der Altersgrenze nicht erneut antreten, hätte aber auch so seinen Hut genommen. "Es ist jetzt an der Zeit, dass neue Kräfte an die Reihe kommen", sagt er.
Am Sonntag wird sein Nachfolger gewählt. Anfang Februar 2023 erfolgt die offizielle Amtsübergabe. Mit der Redaktion hat Borst über die letzten Monate als Stadtoberhaupt, seine Amtszeit und den baldigen Ruhestand gesprochen.
Wolfgang Borst: Es ist noch einmal deutlich intensiver geworden, als ich erwartet hatte. Wir haben so viele Großprojekte, die gerade anstehen. Das fängt bei der Energiewende an, wo wir uns als Stadt zum Beispiel rund 20 Hektar an eigenen Flächen für Photovoltaik sichern müssen, damit wir in naher Zukunft hier stabil aufgestellt sind. Dann wurde die Nahwärmeversorgung wieder zum Thema. Zur Klärschlammtrocknung laufen Gespräche. Für die Generalsanierung des Hallenbads, die sich verzögert hat, mussten die Detailverhandlungen geführt werden. Bei der Grund- und Mittelschule stehen wir ebenfalls vor einer Komplettsanierung. Parallel laufen außerdem die Vorbereitungen für die Feierlichkeiten zur Verleihung des Europäischen Dorferneuerungspreises, die wir als amtierender Preisträger im Mai 2023 ausrichten. Also, im letzten halben Jahr, da hätte der Tag ruhig 48 Stunden haben können. Über mangelnde Arbeit kann ich mich im Moment nicht beschweren. (lacht)
Borst: Ich habe schon im Vorfeld – auch bevor feststand, dass es nur einen Kandidaten gibt – angeboten, dass mein Nachfolger, wenn er es zeitlich einrichten kann, die letzten Monate mitarbeiten darf. Gerade bei den größeren Projekten, die jetzt in der Detailplanung sind, ist es wichtig, dass er bei den Gesprächen dabei ist. Mit Alexander Bergmann bin ich so verblieben, dass er ab Dezember mit im Amt ist. So können alle größeren Entscheidungen, die derzeit anstehen, gemeinsam getroffen werden. Es laufen Projekte, die insgesamt eine Größenordnung von 60 bis 70 Millionen Euro haben. Allein bei der Schulsanierung sprechen wir zum Beispiel von 20 Millionen Euro. Da ist es unabdingbar, dass man das Amt nicht Knall auf Fall übernimmt, sondern bereits intensiv in die Planungsvorgänge miteingebunden ist.
Borst: Als ich nach der Jahrtausendwende Bürgermeister wurde, war Hofheim beziehungsweise das Hofheimer Land eine Wegzug-Region, mit mehr Aus- als Einpendlern und geprägt von Leerständen. Aus meiner Sicht das Erfolgreichste war, dass wir es gemeinsam geschafft haben, Hofheim und das Gebiet der Hofheimer Allianz zu einer Zuzugsregion zu machen. Wir haben heute auch deutlich mehr Arbeitsplätze und Hofheim ist eine Einpendler-Stadt geworden. In den touristischen Zahlen sieht man ebenfalls einen Anstieg – von damals 10.000 Übernachtungen im Jahr auf 30.000 Übernachtungen vor Corona. Die Gesamtentwicklung der Stadt und der Region war also gut. Mein Ansatz war dabei immer, dass es nichts bringt, wenn nur die Stadt Hofheim sich entwickelt, auch das Umfeld muss sich positiv entwickeln, damit wir als Region insgesamt attraktiv bleiben. Und das ist uns gelungen. Nicht zuletzt zeigt das auch der Gewinn des Europäischen Dorferneuerungspreises.
Borst: Ja, der war das Sahnehäubchen auf der Abschiedstorte, das kann man so sagen. Den Europäischen Dorferneuerungspreis kriegt man nicht ohne Weiteres. Er ging nach 29 Jahren erstmals wieder nach Bayern und nach 23 Jahren erstmals wieder nach Deutschland. Abgefragt werden dafür wirklich die Kernzahlen der Entwicklung in allen Bereichen. Wenn man sich durchsetzt, muss man einiges richtig gemacht haben.
Borst: Also, von den großen Entscheidungen und Projekten eigentlich nichts. Ganz am Anfang meiner Amtszeit habe ich mal eine Entscheidung getroffen, von der ich nicht überzeugt war, aber von der mir andere gesagt haben: 'So muss man das machen.' Es war nur eine Kleinigkeit, aber ich habe daraus gelernt, denn die Entscheidung erwies sich als falsch. Seitdem habe ich nur Entscheidungen getroffen, von denen ich persönlich überzeugt war, dass sie richtig sind. Auch die Menschen merken das, ob man irgendetwas macht, weil es gemacht werden soll, oder ob etwas gemacht wird, weil man davon überzeugt ist.
Borst: Ich freue mich sehr darüber, dass das an die Biogasanlage gekoppelte Nahwärmenetz in Hofheim jetzt doch noch verwirklicht wird. Die Pläne dafür haben wir ja bereits im Jahr 2012 fertiggestellt. Aber wir waren damals gegenüber dem Gaspreis nicht konkurrenzfähig. Jetzt haben sich die Vorzeichen geändert und das Thema Nahwärme ist wieder von zentraler Bedeutung. Wir hoffen, dass wir schon zur nächsten Heizperiode im kommenden Jahr zumindest einem Teil der Bürgerinnen und Bürger hier ein Angebot machen können. Insgesamt werden wir im Bereich Hofheim, was Strom und Wärme betrifft, mit unseren aktuellen Vorhaben schon relativ mittelfristig einigermaßen autark sein.
Borst: Ich hatte damals, noch bevor ich Bürgermeister wurde, bereits einen Verein für die Stadtentwicklung gegründet, weil ich der Meinung war, dass es mehr Möglichkeiten gibt, eine Stadt weiterzuentwickeln. Mein Vater war ja auch Bürgermeister, und daher kannte ich einige Abläufe und wusste, wie welche Fördermaßnahmen zu bekommen sind. Der Grund, warum ich schließlich als Bürgermeister kandidiert habe, war, dass ich der Meinung war: Aus der Stadt Hofheim kann man mehr machen. Ob mir das gelungen ist, müssen andere beurteilen, aber ich bin zufrieden.
Borst: Ich glaube nicht, dass man das pauschal sagen kann. Wir haben im Landkreis Haßberge 26 Bürgermeister und alle sind unterschiedlich. (lacht) Ich war früher selbstständiger Unternehmer und schon damals der Meinung, dass man eine Stadt wie ein Unternehmen führen muss. Man steht in Konkurrenz mit anderen Städten und Kommunen. Wie im normalen Wettbewerb muss man also darauf achten, dass man besser aufgestellt ist und sich die Bürgerinnen und Bürger wohlfühlen. Zudem muss alles, was an Entwicklung nötig ist, zügig gemacht werden. Das Wichtigste ist aber, dass man zu seinem Wort steht, sonst erlebt man eine zweite Amtszeit wahrscheinlich nicht. Insgesamt muss man den Beruf wirklich lieben. Denn Bürgermeister ist man sieben Tage die Woche. Am Wochenende hat man oft noch mehr Termine als unter der Woche. Das ist zeitlich natürlich sehr anstrengend, aber man kann auch extrem viel bewegen.
Borst: Ich bin ja noch bis 2026 im Kreistag und dort Mitglied in wichtigen Ausschüssen, und zudem noch bis Ende 2024 Vorsitzender der Hofheimer Allianz. Diese Funktion erfülle ich als Vereinsmitglied und nicht als Bürgermeister. Wir haben da ein sehr gutes Management, aber ich werde sicher jede Woche mindestens einen Tag zu tun haben, sodass der Kontakt nicht gleich komplett abreißt. Und ich kann auf diese Weise auch meinen Nachfolger entlasten, was die Feierlichkeiten für den Europäischen Dorferneuerungspreis in Hofheim 2023 betrifft. Insgesamt ist das nächste Jahr schon gut verplant mit diversen Aktivitäten und es ist ja auch bekannt, dass ich in meiner Freizeit gerne segele. Aber ich habe gehört, dass man als Pensionär sowieso ausgelastet ist und keine Zeit hat. (lacht) Ich bin also gespannt, was noch alles kommt.
vielen Dank für die kritische Anmerkung. Wir hoffen aber nicht, in dieser Sache unsere Abonnentinnen und Abonnenten zu vergraueln, haben wir doch seinerzeit die Diskussionen um das Hofheimer Krankenhaus und schließlich sein Ende journalistisch eng begleitet und auch kritisch kommentiert.
Es stimmt, wir hätten die Schließung des Hauses Ebern sicher als einen Tiefpunkt in der Amtszeit von Bürgermeister Borst erwähnen können; dies ist hier nicht geschehen ist, weil wir als Redaktion davon ausgehen, dass Hofheims Rathauschef letzten Endes gar keinen Einfluss mehr nehmen konnte auf die Rationalisierungsmaßnahme der hochverschuldeten Haßberg-Kliniken. Sie sehen das offenbar anders - und das ist auch Ihr gutes Recht.
Mit freundlichen Grüßen aus der Redaktion, Martin Sage
Erfolge darzustellen ist schön. Aber die Kehrseite wird unter den Teppich gekehrt. Warum???
Borst ist mit dafür verantwortlich, dass das Hofheimer Krankenhaus an Haßfurt "verkauft" worden ist. Für ein paar lächerliche Arbeitsplätze aus dem Veterinäramt!