Andreas Ruff weiß nicht mehr weiter. Grund dafür ist ein Schreiben, das er Mitte Januar erhalten hat. Denn das hatte es in sich: Über 700 Euro mehr soll der Platz im Pflegeheim für seine Mutter Elfriede Ruff ab März kosten. Statt etwa 2700 Euro – so viel hat der Eigenanteil des Heimplatzes bisher gekostet – liegt der Preis laut Andreas Ruff nun bei fast 3400 Euro. "Im ersten Moment war das ein Schock. Ich habe erstmal Zeit gebraucht, um das zu verarbeiten", sagt der 57-jährige Gochsheimer im Gespräch mit der Redaktion. "Ich dachte, das kann nicht stimmen."
Die 91-jährige Elfriede ist seit Ende August 2021 Bewohnerin des Hauses St. Bruno der Caritas in Haßfurt. Elfriede, Pflegegrad 4, beginnende Demenz, sitzt im Rollstuhl und benötigt intensive Betreuung. Ein Pflegeplatz ist teuer, keine Frage, das weiß Andreas Ruff. Doch mit einer solchen Kostenexplosion hatte er nicht gerechnet. Es ist eine Summe, die ein dickes Loch in die Ersparnisse von Mutter Elfriede frisst.
Ruff will keine Kritik am Seniorenheim St. Bruno in Haßfurt üben. Seine Mutter und er sind mit dem Angebot, dem Personal und der Betreuung dort sehr zufrieden. Sechs Tage die Woche besucht Andreas sie im Heim. Isst mit ihr zu Mittag, macht ihr die Haare, nimmt mit ihr zusammen ihre Arztbesuche wahr. "Meine Mutter fühlt sich dort heimisch", macht er klar. Verraten, dass der Heimplatz nun mehr kostet, das hat er seiner Mutter nicht. "Das würde ihr den letzten Lebensmut nehmen", sorgt er sich.
Pflegeheime geben Kosten nur weiter
Dass die Kosten für den Pflegeplatz im Seniorenheim St. Bruno angezogen haben, das hat mehrere Gründe, erklärt Georg Wagner, stellvertretender Geschäftsführer des Caritasverbands für den Landkreis Haßberge. Zum einen sind nicht nur die Verbraucherinnen und -verbraucher von den Auswirkungen der Inflation betroffen, sondern auch die Pflegeheime.
Gestiegene Energiekosten und die erhöhten Preise für Sachkosten und Lebensmittel müsse das Heim an die weitergeben, die zahlen. Zum anderen haben viele Heime höhere Personalkosten zu stemmen: Im September 2022 wurde der Mindestlohn für Pflegerinnen und Pfleger angehoben. Die Gründe für die Kostensteigerung sind auch Andreas Ruff klar. Er hat Verständnis dafür, ist froh, dass das Fachpersonal entsprechend entlohnt wird.
Angst davor, zum Sozialfall zu werden
Doch dem 57-Jährigen geht es um etwas anderes. Er hat Angst davor, dass die ältere Generation ausgeplündert wird. Und auch, dass Menschen wie seine Mutter zum Sozialfall werden. Denn wenn die eigenen Ersparnisse für den Pflegeplatz nicht mehr ausreichen, müssen Angehörige für das Familienmitglied im Heim Sozialhilfe beim Bezirk Unterfranken beantragen. Es sei etwas Schambehaftetes. Und es sei schlichtweg nicht fair: "Meine Mutter hat sich ihr ganzes Leben nichts gegönnt. Und jetzt wird sie vom Staat ausgenommen."
Andreas Ruff kennt die Zahlen auswendig. Immer wieder und wieder hat er sie in den letzten Wochen durchgerechnet. Mit Witwen- und der eigenen Rente komme Mutter Elfriede auf monatlich etwa 1200 Euro. Um die Kosten für den Heimplatz zu zahlen, flossen deshalb bislang weitere 1500 Euro ihrer Rücklagen ab. Ab März sollen es nun stattdessen 2200 Euro sein. "Da fängt man schon das Rechnen an", berichtet der 57-Jährige resigniert. "Wie lange reicht das Gesparte noch für den Platz im Heim?"
Die Zahl der Pflegebedürftigen nimmt zu
Der Pflegesatz, den Elfriede Ruff ab März zahlen muss, sei zwar ein vorläufiges Berechnungsergebnis, erklärt Andreas. Laut dem Schreiben der Caritas sei damit zu rechnen, dass die endgültigen Sätze davon abweichen, im Regelfall zugunsten der Bewohnerin oder des Bewohners. Doch Ruff vermutet, dass die Kosten kaum sinken werden.
Laut einer im Februar veröffentlichten Studie der Krankenkasse DAK-Gesundheit dürften in diesem Jahr aufgrund der Kostensteigerungen rund ein Drittel der Heimbewohnerinnen und -bewohner auf Sozialhilfe angewiesen sein. Und die Prognosen für die kommenden Jahre sind laut der Studie düster: Bis 2026 könnte die Zahl der Bedürftigen auf 36 Prozent steigen.
Ruff will der älteren Generation deshalb eine Stimme geben. All denjenigen, die in derselben Situation sind, wie er und seine Mutter. Denn es sind viele. Und es werden aufgrund des demografischen Wandels immer mehr. 4,96 Millionen Pflegebedürftige gab es laut dem Statistischen Bundesamt im Jahr 2021 in Deutschland. Und 16 Prozent davon, also knapp 800.000 Personen, wurde in Pflegeheimen vollstationär betreut.
Das Anliegen muss nach Berlin
Der Gochsheimer hat sich deshalb hingesetzt und Briefe geschrieben. An Landrat Wilhelm Schneider (CSU) beispielsweise. An verschiedene Politiker. An den Bezirk Unterfranken. Und auch an den Präsidenten des Regierungsbezirks. Andreas Ruff hofft auf Hilfe, auf ein Umdenken. Darauf, dass sein Anliegen von den lokalen Vertreterinnen und Vertretern der Politik bis nach Berlin getragen wird. Und eben auch darauf, dass dann vonseiten der Politik endlich etwas geschieht.
Immer wieder hat der Staat in den vergangenen Monaten den Geldbeutel geöffnet, stellt er fest. Für die Gas- und Strompreisbremse, zählt Ruff auf. Um Milliardenhilfen für Gasversorger zu zahlen, oder Rettungsschirme für Unternehmen aufzuspannen. Doch die alte Generation werde vergessen, so der 57-Jährige.
Andreas Ruff fordert einen Pflegekostendeckel
Die Leistungen der Pflegekassen, die einen Teil der Heimkosten übernehmen, stagnieren seit Jahren, kritisiert Ruff scharf. Zwar schießen diese seit Januar einen sogenannten Leistungszuschuss zu, der nach Aufenthaltszeit im Heim gestaffelt ist: Im ersten Jahr werden fünf Prozent des Eigenanteils an den Pflegekosten übernommen. Ab dem zweiten Jahr 25, ab dem dritten 45, und ab dem vierten Jahr 70 Prozent.
Doch das Geld reiche immer noch nicht aus, sondern werde von den gestiegenen Kosten geschluckt. Für Ruff ist es eindeutig: "Es ist eine Spirale nach unten in die Armutsfalle." Deshalb fordert er einen Pflegekostendeckel und damit den Umbau des Systems. Konkret würde das bedeuten, dass Bewohnerinnen und Bewohner einen festen Eigenanteil zahlen müssten, für die restlichen Kosten käme die Pflegeversicherung auf.
Mit seiner Forderung ist Ruff nicht alleine: Bereits im Herbst vergangenen Jahres forderte beispielsweise der Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv) eine Anhebung des Pflegegelds, um die seit 2017 ausgebliebenen Anpassungen nachzuholen, sowie eine feste Grenze des Eigenanteils, die Pflegebedürftige in der stationären Pflege zahlen müssen. Und Anfang des Jahres forderte Bayerns Gesundheits- und Pflegeminister Klaus Holetschek (CSU) die Bundesregierung dazu auf, 2023 eine Pflegereform umzusetzen.
Auch andere Betroffene sollen sich an die Politik wenden
Einige Antworten auf seine Briefe hat Ruff mittlerweile erhalten, unter anderem von Eugen Ehmann, dem Regierungspräsident von Unterfranken. Der spricht in seiner Antwort davon, dass er in Gesprächen mit Abgeordneten auf die Thematik aufmerksam machen wolle. Ruff hofft, dass es sich dabei nicht nur um Worthülsen handelt.
Und auch, dass sich andere Betroffene an die Politik wenden. "Ich würde mir wünschen, dass sich mehr Leute dafür einsetzen. Zusammen. Es muss nicht jeder für sich kämpfen", sagt er. Und fügt hinzu: "Wenn man sich nur am Biertisch über die Politik beschwert, passiert nichts." Aufgeben will Andreas Ruff deshalb nicht. Solange, bis sich etwas geändert hat.
Frage ist nur für wenn das Geld ausgegeben wird ?
Solange er unter 100 000 Euro im Jahr verdient.
Dieser Gesetz wurde vor ein paar Jshren Jahren erlassen.
Was man kritisieren könnte- natürlich ist der Dumme wer mit gut gefülltem Konto ins Pflegeheim geht. Ist nett gegenüber der Solidargemeinschaft, aber sicher nicht unvermeidlich.
Zu der Erhöhung von 700€: Die ist schon sehr happig. Da das Haus zur Caritas gehört, wurde da sicher nach AVR bezahlt, daher kann das Tariftreuegesetz in dem Fall hier nicht für gestiegene Personalkosten gesorgt haben.
Ich selber betreue eine Frau, die im Kitzinger Landkreis mit PG 4 stationär in einem Altenheim untergebracht ist, das nicht tariflich gebunden ist und daher durch das Tariftreuegesetz höhere Gehälter zahlen muss - die Eigenbeteiligung ist zwar gestiegen, aber bisher sehr moderat.