Jeder Mensch kann pflegebedürftig werden, sei es im Alter, wegen einer Krankheit oder aufgrund eines Unfalls. Der demografische Wandel bringt es mit sich, dass immer mehr Menschen ein Alter erreichen, in dem sie auf Pflege und gegebenenfalls einen Heimplatz angewiesen sind. Was passiert jedoch, wenn die Pflegeversicherung sowie das Einkommen und Vermögen nicht ausreichen, um das Pflegeheim zu bezahlen? Muss alles verkauft werden, um die Heimkosten zu schultern? Bettina Grümpel von der Sozialverwaltung und Monika Albert vom Fachdienst Pflege des Bezirks Unterfranken beantworten diese und noch weitere Fragen.
Was zahlt die Pflegekasse monatlich bei stationärer Pflege für den höchsten Pflegegrad 5?
Beim Pflegegrad 5 übernimmt die Pflegekasse derzeit 2005 Euro.
Wie hoch ist im Durchschnitt der Betrag, den Betroffene selbst übernehmen müssen?
Nach Abzug der Pflegeversicherung bleiben im Monat durchschnittlich etwa 2500 Euro übrig, die die Pflegebedürftigen für eine vollstationäre Pflege aus eigener Tasche zahlen müssen.
Wenn man dieses Geld nicht hat, was geschieht dann?
Für Sozialhilfeleistungen, die im Zusammenhang mit einem erheblichen Pflegebedarf stehen, ist in Bayern sachlich der Bezirk Unterfranken zuständig. Zunächst muss diesem der Bedarf mitgeteilt werden. Das geht formlos mit Übermittlung des Namens, Geburtsdatums und der Adresse. Oft übernimmt dies auch das Pflegeheim, wenn man dem von vorneherein sagt, dass man nicht die Mittel hat, den Pflegeplatz zu bezahlen. Vom Bezirk erhält man dann einen Antrag auf Hilfe zur Pflege. Mit diesem werden die Einkommens- und Vermögensverhältnisse offengelegt. Bei Fragen oder Problemen hilft der Bezirk Unterfranken. Regelmäßig hält dieser an zentralen Orten Sprechstunden ab.
Übernimmt die Sozialhilfe notfalls den gesamten ungedeckten Bedarf?
Die Leistungen werden bedarfsdeckend erbracht, das heißt, der verbleibende Betrag kann bis zur vollen Höhe vom Sozialhilfeträger übernommen werden.
Bevor man Sozialhilfe erhält, wird erst geprüft, ob man den Pflegeheimplatz nicht selbst bezahlen kann. Was wird dazu herangezogen?
Sozialhilfe wird erst dann gewährt, wenn das eigene Einkommen, das Vermögen oder andere Ansprüche, wie zum Beispiel aus Verträgen oder Schenkungen, nicht mehr zur Finanzierung des Heimplatzes ausreichen. Zum Einkommen gehören alle Einkünfte in Geld und zum Vermögen zählen das Barvermögen, Spar- und Bausparverträge, Lebensversicherungen, Grundstücke, Immobilien, Unternehmen, Schmuck, Kunstwerke, Autos oder Aktien.
Gibt es Freibeträge oder ein Schonvermögen?
Dem Betroffenen wird ein Barbetrag (Taschengeld, Bekleidungspauschale) gewährt. Außerdem wird eine Bestattungsvorsorge von bis zu 3500 Euro je Person anerkannt. Darüber hinaus gilt eine Vermögensfreigrenze von 5000 Euro. Bei Verheirateten erhöht sich der geschützte Betrag um weitere 5000 Euro auf gemeinsam 10.000 Euro. Daneben wird für jede Person, die unterhalten wird, ein Zuschlag von 500 Euro berücksichtigt.
Was gilt für den Ehepartner des Heimbewohners?
Dem Ehepartner verbleibt aus dem gemeinsamen Einkommen ein Garantiebetrag zur Bestreitung seines Lebensunterhaltes.
Was ist bei Immobilienbesitz? Kann es passieren, dass das Haus verkauft werden muss?
Das Haus, das dem Ehepartner des Sozialhilfe-Berechtigten oder minderjährigen Kindern als Wohnung dient, zählt unter Umständen zum Schonvermögen. Hier gibt es jedoch ein gewichtiges Aber: Haus und Grundstück müssen "angemessen" sein. Ob das Haus angemessen ist, liegt unter anderem an der Zahl der Bewohner, dem Wohnbedarf sowie der Grundstücks- und Hausgröße. Es ist durchaus möglich, dass der Kostenträger zu dem Urteil kommt, dass Haus- und Grundstücksgröße nicht angemessen sind. Bettina Grümpel und Monika Albert machen die Erfahrung, dass dies in ihrem Beratungsbereich sogar meistens der Fall ist.
Was bleiben in dem Fall für Möglichkeiten?
Gängige Praxis ist, auf das Haus ein Darlehen aufzunehmen, um damit die Heimkosten zu begleichen. Oder aber die Familie kommt zu der Einsicht, dass es besser ist, das Haus zu verkaufen und mit einer kleineren Wohnung vorliebzunehmen. Soweit eine Verwertung nicht möglich ist, bietet der Bezirk Unterfranken ausnahmsweise eine darlehensweise Hilfe an. Dieses Darlehen wird bei einzusetzendem Haus- und Grundvermögen durch die Eintragung einer Grundschuld für den Sozialhilfeträger gesichert.
Was geschieht mit dem Darlehen?
Wenn der Ehepartner im Pflegeheim stirbt, tritt der Bezirk wegen des Darlehens an den Hinterbliebenen heran. Reicht die Rente des Hinterbliebenen nicht aus, um das Darlehen zurückzubezahlen, kann die Rückzahlung gestundet werden, bis derjenige aus dem Haus auszieht oder verstirbt. Spätestens dann wird auf die Rückzahlung des Darlehens bestanden.
Werden die Kinder für die Pflegeheimkosten ihrer Eltern zur Kasse gebeten?
Kinder müssen nur dann für die Pflege ihrer Eltern aufkommen, wenn ihr jährlicher Verdienst 100.000 Euro brutto übersteigt. Unter den Verdienst fallen alle zu versteuernden Einkünfte. Neben dem Gehalt sind das auch Einkünfte aus Vermietungen. Nicht berücksichtigt werden Ersparnisse, Häuser, in denen die Kinder selbst wohnen, oder Einkünfte des Ehepartners. Bei mehreren Geschwistern kann es vorkommen, dass zum Beispiel zwei zahlen müssen, weil sie über der Grenze liegen und einer nicht, weil er nicht so viel verdient. Reicht das Geld auch dann nicht für das Pflegeheim, wird der Rest vom Sozialhilfeträger übernommen.
Sind Schenkungen eine Möglichkeit, um Besitz in der Familie zu halten?
Ganz klar, nein. Hat zum Beispiel eine Mutter ihrem Sohn Geld, Haus- oder Grundbesitz verschenkt und wird innerhalb von zehn Jahren bedürftig, so hat sie einen Rückforderungsanspruch in Höhe des zur Bedarfsdeckung erforderlichen Teils der Schenkung. Im Regelfall übernimmt der Sozialhilfeträger diesen Anspruch und fordert selbst die Herausgabe der entsprechenden Beträge.
Laufen Beratungsgespräche auf dem Land anders als in der Stadt ab?
In ländlichen Regionen ist häufiger Haus- und Grundbesitz ein Thema. Während in der Stadt mehr Betroffene zur Miete wohnen.
Wie reagieren Menschen, wenn sie hören, dass sie sich von ihrem Besitz trennen müssen?
Vor allem ältere Menschen hängen an ihrem Hab und Gut und besonders an ihrem Haus. Sie tun sich schwer, dieses zu verkaufen. Außerdem haben sie den Wunsch, ihren Kindern etwas zu hinterlassen. Das sind sehr gefühlsintensive Gespräche, sagen Bettina Grümpel und Monika Albert. Sie erinnern sich an ein besonderes Beratungsgespräch. Ein älteres Ehepaar wohnte in einem weitläufigen Haus. Dann musste der Ehemann ins Pflegeheim. Das Haus konnte nicht gehalten werden. Die Ehefrau war gehbehindert und tat sich mit den vielen Treppen im Haus schwer. Schließlich wurde das Haus verkauft und die Frau zog in ein betreutes Wohnen direkt neben dem Pflegeheim ihres Mannes. Sie selbst sagte im Nachhinein, dass sie die Entscheidung nicht bereut hat. Auch wenn mit dem Umzug schmerzliche Veränderungen einhergegangen sind.