
Am 29. April 1933 wurde in einer der ersten Verhaftungsaktionen der Nationalsozialisten der Hofheimer Justin Oppenheimer wie es hieß "in Schutzhaft" genommen, "wegen Gefährdung seiner persönlichen Sicherheit". Bis er im September 1936 auswanderte, blieb Oppenheimer im Konzentrationslager Dachau inhaftiert.
Er sollte einer der wenigen Juden sein, die ihre Heimat wiedersahen. Nach 1945 kehrte er mit seiner Familie nach Hofheim zurück. Den meisten der jüdischen Bürgerinnen und Bürgern blieb diese Rückkehr verwehrt. Sie starben in den Konzentrationslagern der Nazis. Auch diejenigen, die flüchten konnten, kehrten vielfach nicht zurück.
Gedenk-Rucksack vor dem früheren Hofheimer Bahnhof am Freitag enthüllt
Am Freitag wurde nun ein Gedenk-Rucksack vor dem ehemaligen Hofheimer Bahnhof feierlich enthüllt. Er soll an das Schicksal der jüdischen Bürgerinnen und Bürger der Stadt und des Stadtteils Lendershausen erinnern. Ein weiterer Rucksack, eine Dublette des Gepäckstücks in Hofheim, steht vor dem Hauptbahnhof in Würzburg, von wo aus damals Züge in die Vernichtungslager starteten.

In Unterfranken gibt es 109 Gemeinden mit früherer jüdischer Geschichte, berichtete Michael Stolz bei der Veranstaltung am Freitag in Hofheim. Er ist Kassenwart des Vereins "DenkOrt Deportationen" aus Würzburg, der das gleichnamige Projekt ins Leben gerufen hat. Mittlerweile stehen dort 88 Gepäckstücke am Bahnhof.
Der Vorsitzende des Vereins "Stolpersteine Haßberge", Alexander Klubertanz, erinnerte daran, dass allein aus dem Gau Mainfranken 2069 Menschen in Vernichtungslager verschleppt wurden. Nur 63 überlebten. Wie viele Jüdinnen und Juden aus Hofheim und Lendershausen darunter waren, wisse man noch nicht genau.

Auf den Gehsteigen in der Bahnhofstraße hatte die Hofheimer Künstlerin Melina Müller anlässlich der Enthüllung des Rucksacks Namen einstiger jüdischer Bürgerinnen und Bürger mit Kreide in kunstvoller Schrift aufgemalt. Die beiden Rucksäcke hat Steinmetz Johannes Faber aus Goßmannsdorf aus Burgpreppacher Sandstein gefertigt. Rund 100 interessierte Bürgerinnen und Bürger waren zur Enthüllung des Rucksacks am Freitag gekommen.
Kappner-Recherchen geben Einblick in das jüdische Leben in Hofheim
Nach Recherchen der inzwischen verstorbenen Haßfurter Bibliothekarin Cordula Kappner stammt der erste Geburtseintrag in der Hofheimer Matrikel aus dem Jahr 1865, wie bei der Veranstaltung berichtet wurde. Im Jahr 1867 lebten sieben jüdische Bürgerinnen und Bürger in Hofheim. 1900 waren es 39, 1925 waren es 54. 1923 erwarb die Kultusgemeinde das Haus Nr. 144, das gegenüber des katholischen Pfarrhauses liegt. Im unteren Geschoss richtete die jüdische Gemeinde eine Synagoge ein. Das erste Geschoss diente als Lehrerwohnung.
Die Hofheimer Juden lebten vorwiegend vom Viehhandel, vom Kleinhandel und vom Gewerbebetrieb. So besaß zum Beispiel die Familie Fleischmann ein Schuhgeschäft und die Familie Schuster eine Kleinmöbelfabrik. Im Geschäft wurden unter anderem auch Körbe aus Sand verkauft.
Eine Sanderin, deren Vater für die Firma Schuster arbeitete, erinnerte sich daran, wie der halbblinde Sigmund Schuster nach seiner Verhaftung in der Pogromnacht Gras aus der Straße rupfen musste. Die Familie Schuster war eine gesellschaftlich rege Familie, die sich unter anderem am Faschingsumzug beteiligte und in einem Jahr auch die Faschingsprinzessin stellte.
Der Großteil der Hofheimer Juden indes war nicht wohlhabend, sondern schlug sich mit Hausieren durch. In den Ersten Weltkrieg zogen auch die Söhne der jüdischen Familien Hofheims. Jede hatte den Tod eines Sohnes zu beklagen.
Ab 1932/33 kippte die Stimmung gegenüber der jüdischen Bevölkerung
In den Jahren 1932 und 1933 trat nach Zeitzeugenberichten dann eine entscheidende Änderung in der Stimmung gegenüber den jüdischen Mitbürgerinnen und Mitbürgern ein. Dies wurde auch durch den Auftritt einer gewissen "Miss Ellent" im Tanzsaal Weißenseel, heute Möbel-Z.A.K., hervorgerufen. Sie hielt dort antisemitische Reden und beeinflusste die scharenweise erschienenen Zuhörerinnen und Zuhörer stark. Jüdinnen und Juden war der Zutritt bei ihrem zweiten Auftritt verboten.
Von Hofheim aus wurde nach den Recherchen von Cordula Kappner niemand direkt deportiert. Die jüdischen Familien waren bereits in größere Städte umgezogen und wurden von ihren neuen Wohnorten aus "verschickt". Landrat Wilhelm Schneider (CSU) warnte am Freitag bei der Enthüllung des Gedenk-Rucksacks davor, dass nationalsozialistisches Gedankengut auch heute noch offen zu Tage trete, weshalb man sich aktiv mit der Thematik auseinandersetzen müsse.