Wie kann aus einem erfolgreichen Unternehmer und hilfsbereiten Familienmenschen ein Brandstifter werden, der das Leben von vier Menschen gefährdet hat? Dieser Frage geht die Zweite Strafkammer am Landgericht Bamberg gerade nach. Es geht um den Vorwurf des vierfachen Mordversuchs und der versuchten besonders schweren Brandstiftung im vergangenen Dezember in Hofheim im Landkreis Haßberge. Der Bruder des Angeklagten schilderte an diesem Donnerstag, dem zweiten Prozesstag, eine Geschichte von Hoffnung, Enttäuschung und Hass, die an einem Streit um ein Anwesen ihren Anfang genommen hatte.
"Er hat sie liebevoll umsorgt." Auch jetzt noch, nach all den Schrecken, kommt dem Geschädigten kein böses Wort über seinen Bruder über die Lippen. Zehn Jahre lang habe sich der Angeklagte um die hilfebedürftige Großmutter gekümmert. Er habe das Haus, das er im Landkreis Rhön-Grabfeld mit ihr bewohnte, immer wieder renoviert und saniert. Sein ganzes Herzblut habe der 35-Jährige in das baufällige Anwesen gesteckt – und viel eigenes Geld. Schließlich habe er damit gerechnet, dass sein Lebensmittelpunkt eines Tages ihm selbst gehören würde.
Nach Streit um Immobilie ausgezogen – und immer verbitterter
Er selbst habe nichts dagegen gehabt, so der drei Jahre ältere Bruder im Zeugenstand, lebe er doch mit seiner Familie in den eigenen vier Wänden in Hofheim. Ihr Vater aber habe nicht daran gedacht, dem Beschuldigten die Immobilie zu überschreiben. "Ein Wohnrecht war meinem Bruder zu wenig", so der Geschädigte. "Es war spürbar, dass ihn das bis ins Mark getroffen hat."
Der Bruder sei ausgezogen - und habe sich verändert: "Er war zuvor willensstark, fleißig und sehr erfolgreich. Er hat nie jemanden im Regen stehen lassen, war großzügig und ein echter Familienmensch. Er hatte viele Freunde und einen ausgeprägten Gerechtigkeitssinn." Nach dem Auszug sei er zusehends verbittert gewesen, feindselig und von Rache besessen. Überall habe der Angeklagte Verrat und Betrug gewittert.
Zusammenarbeit in der gemeinsamen Firma beendet
An eine weitere Zusammenarbeit in der gemeinsamen Firma sei nicht mehr zu denken gewesen, so der geschädigte Bruder: "Wir haben uns komplett auseinander bewegt." Man habe sich darauf geeinigt, dass der Angeklagte mit 77.000 Euro für seine Unternehmensanteile und die Firmenwagen abgefunden werden soll. Der Angeklagte selbst ergriff während der Verhandlung das Wort und erklärte: "Mein Anspruch beläuft sich auf 400.000 bis 500.000 Euro."
Der Groll des Angeklagten, der anfangs wohl dem Vater gegolten habe, habe sich dann auf ihn verlagert, so der Geschädigte. Er sei vom jüngeren Bruder wegen angeblicher Schwarzarbeit im ehemaligen gemeinsamen Unternehmen beim Hauptzollamt Schweinfurt angezeigt worden. Und der Bruder habe ihn verdächtigt, ihm die Ehefrau ausspannen zu wollen.
Fahrzeuge durch Brand und Löschwasser stark beschädigt
Laut Anklage hatte der 35-Jährige im Dezember mit einem gefüllten Benzinkanister, einer Küchenrolle als Lunte und einem Feuerzeug einen Schaden von rund 54.000 Euro angerichtet. Beim Feuer in der Garage unter der Wohnung des Bruders war nicht nur ein Traktor in Flammen aufgegangen. Auch weitere Fahrzeuge wurden beschädigt sowie die Fassade des Gebäudes. "Die gesamte Elektrik war durch die Hitze verschmort", sagt der Geschädigte. Das Löschpulver habe wertvolle Oldtimer angegriffen. Sie würden nun vor sich hin rosten, ohne dass er etwas dagegen tun könne.
Brand am frühen Morgen: Psychische Folgen für die ganze Familie
Dazu kämen die psychischen Folgen für seine Frau und seine beiden kleinen Kinder und auch ihn selbst, so der Zeuge am Donnerstag vor Gericht. "Das Feuer ist immer wieder Thema." Wenn die Katze in der Garage herumstreune und dabei Lärm mache oder der Nachbar seinen Ofen einheize und der Rauchgeruch herüberziehe, dann löse das bei den Kindern Angst aus. Ebenso sei es, wenn der Lieferfahrer frühmorgens anhalte und die Fahrzeugtüre zuschlage: "Da steht dann plötzlich die ganze Familie in der Küche."
Den Angeklagten indes scheint das Schicksal seines Bruders kalt zu lassen. Kein Wort des Bedauerns oder der Entschuldigung kam dem 35-Jährigen während der Zeugenaussage über die Lippen. Auch bei seiner Festnahme nach dem Brand hatte er nach Angaben der Fahnder eher teilnahmslos reagiert. "Er erkundigte sich nicht nach dem Zustand seines Bruders", hatte ein Kriminalbeamter berichtet. Die Untersuchungshaft in Würzburg und Bamberg belaste den Beschuldigten offenbar auch nicht sonderlich, so ein Ermittler der Kripo Schweinfurt am ersten Verhandlungstag. Ihm zufolge gefällt es dem Angeklagten dort sogar: "Er sagte, er habe nun endlich Zeit für Bücher und Sport und gebe den Mitgefangenen Deutschunterricht."
Der Prozess wird am kommenden Mittwoch fortgesetzt. Das Urteil will das Landgericht Bamberg am 14. Juni verkünden.