Der Umstand, dass ein Zeitungszusteller im vergangenen Dezember um eine Stunde verschlief, hat einer vierköpfigen Familie aus einem Hofheimer Ortsteil möglicherweise das Leben gerettet. Am 10. Dezember 2022 hatte der Zusteller gegen 5.30 Uhr morgens in dem Haßbergdorf seine Runde gemacht – eine Stunde später als üblich. Dabei hörte er ein Knistern aus einer Fahrzeughalle, über der eine vierköpfige Familie schlief. Der Austräger blickte durchs Fenster und sah den Hinterreifen eines Traktors lichterloh brennen. Er weckte die Familie auf und alarmierte die Feuerwehr, die den Brand schnell löschte.
Aufzeichnungen von Videokameras am und im Gebäude führten die Ermittler zum 35-jährigen Bruder des Wohnungsbesitzers als mutmaßlichem Brandstifter. Seit diesem Dienstag muss er sich vor dem Landgericht Bamberg verantworten - angeklagt wegen versuchten Mordes in vier Fällen sowie versuchter Brandstiftung.
Beschuldigter weist Mordabsicht von sich
Der 35-Jährige soll einen gefüllten Benzinkanister, an dem eine brennende Lunte befestigt war, in die Fahrzeughalle geworfen haben. Dort hatte sich neben mehreren betankten Traktoren und Motorrädern auch ein 100-Liter-Dieseltank befunden. Durch das schnelle Eingreifen der Feuerwehr war bei dem Brand niemand verletzt worden. Den Verdächtigen nahm die Polizei wenige Stunden später im thüringischen Meiningen fest, seitdem sitzt er in Untersuchungshaft.
Auf der Anklagebank in Bamberg räumte der Beschuldigte zu Prozessbeginn die Brandstiftung ein. Er habe die Traktoren und Motorräder, die seinem Bruder und seinem Vater gehören, zerstören wollen. Als Grund nannte der 35-Jährige Streitigkeiten um Erbe und Geld. Er habe jedoch niemandem etwas antun wollen, sagte er vor Gericht. Er habe in der damaligen Nacht stark unter Drogeneinfluss gestanden und nicht mehr klar denken können. Dass sein Bruder noch über der Fahrzeughalle wohne, habe er nicht gewusst.
Bruder im Zeugenstand: Streit um ein Haus und finanzielle Differenzen
Dies nahm ihm der geschädigte Bruder nicht ab. Zwei seiner Autos seien damals vor dem Haus gestanden, sagte er am Dienstag im Zeugenstand. Zudem brenne in der Wohnung nachts immer Licht, das der Angeklagte hätte sehen müssen. Bis vor drei Jahren sei ihr Verhältnis gut gewesen. Dann sei es zum Streit um ein Haus in Familienbesitz gekommen, in dem der Angeklagte damals lebte. Der Bruder habe vom Vater verlangt, dass das Haus ihm überschrieben werde. Als dies nicht geschah, sei er ausgezogen und seitdem ein anderer, verbitterter Mensch gewesen. Auch aus der gemeinsamen Firma sei der Angeklagte wegen finanzieller Differenzen ausgeschieden.
Hoher Sachschaden durch Brand und Löschschaum
Den Schaden durch den Brand bezifferte der Geschädigte auf rund 54.000 Euro. Der sei unter anderem deswegen so hoch, weil die Fahrzeuge in der Halle durch den Löschschaum rosten würden.
Der Angeklagte war nach dem Brand in einer Tankstelle in Meiningen gefasst worden. Von dort aus hatte er per Telefon beklagt, er werde von seinem Bruder verfolgt und bedroht. Sein Handy hatte der 35-Jährige zuvor aus dem Auto geworfen, es wurde von einem anderen Autofahrer gefunden. Anhand der GPS-Daten konnte die Kripo Schweinfurt belegen, dass er in der Nacht am Tatort in Hofheim gewesen sein muss.
Der Prozess ist auf sechs Verhandlungstage angesetzt. Ein Urteil soll am 14. Juni fallen.