
Heiner Schneier ist tot. Manch einer wird sich fragen, wer war Heiner Schneier? Das ist die Crux, wenn man ein solch biblisches Alter erreicht, Schneier war Jahrgang 1925, wäre nächsten Monat 97 geworden. Vor wenigen Jahrzehnten war das anders, da hat der leidenschaftliche Sozialdemokrat die Politik im Landkreis Haßberge und zuvor im Landkreis Haßfurt und weit darüber hinaus maßgeblich mitgeprägt. War bekannt wie ein bunter Hund.
Unvorstellbare 50 Jahre war er Mitglied dieser beiden Kreistagsgremien, lange Jahre stellvertretender Landrat. Zwölf Jahre (1962-74) gehörte er dem Bayerischen Landtag an. Und natürlich war er jahrzehntelang Stadtrat in Zeil.
Für die SPD war er ein absoluter Glücksfall. Wie kaum ein anderer baute er die Partei in der Nachkriegszeit "in einer diasporaähnlichen Landschaft" auf, so Schneiers langjähriger Weg- und Kampfgefährte Ludwig Leisentritt in seiner Laudatio zur 65-jährigen Parteizugehörigkeit Schneiers, warb selbst 600 Mitglieder und rief 80 neue Ortsvereine mit ins Leben.
Heiner Schneier war Ehrenvorsitzender des SPD-Unterbezirks Rhön-Haßberge
Außerdem war er "Geburtshelfer" des SPD Unterbezirks Rhön-Haßberge, der die Kreisverbände Bad Kissingen, Bad Neustadt, Ebern, Haßfurt, Hofheim, Königshofen und Mellrichstadt (später auch Hammelburg) vereinte. Dessen Gründungsvorsitzender wurde er am 9. Mai 1964, das Amt behielt er 21 Jahre, bis er von Susanne Kastner, spätere Bundestagsvizepräsidentin, abgelöst wurde. Sein Unterbezirk machte ihn verdientermaßen zum Ehrenvorsitzenden.

Dazu gesellten sich – kein Wunder bei einem so überaus engagierten Zeit-Genossen – zahlreiche weitere Titel und Auszeichnungen: Schneier war Träger der Willy-Brandt-Medaille, der höchsten Auszeichnung der SPD. Geehrt wurde der Zeiler auch mit dem Bayerischen Verdienstorden, der Medaille für besondere Verdienste um die kommunale Selbstverwaltung und nicht zuletzt mit dem Verdienstkreuz am Bande des Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschland. Seine Heimatstadt Zeil ernannte ihn zum Ehrenbürger.
Bekannt als "roter Wirbelwind" und "unterfränkisches Wiesel"
Heiner Schneier war ein Kind seiner Zeit. Geprägt vom Krieg und dem Nachkriegsgeschehen. Er erinnerte immer auch ein bisschen an den großen Sozialdemokraten, Kanzler und Staatsmann Helmut Schmidt, den er 1958 in Zeil zu einer Stippvisite begrüßen durfte und dem er ein bisschen nacheiferte. Hatte sich der Hanseat schon früh den Beinamen "Schmidt-Schnauze" verdient, so galt Ähnliches für Schneier in seinem Landkreis und in ganz Bayern. "Unterfränkisches Maschinengewehr", "Unterfränkisches Wiesel" und "Roter Wirbelwind" sind nur drei Spitznamen, die sich Schneier redlich verdient hatte.
Einst hatte Heiner Schneier als Redakteur beim Haßfurter Tagblatt gearbeitet
Er kümmerte und interessierte sich für alles, was vielleicht auch seinem Beruf als Journalist, den er unter anderem beim "Haßfurter Tagblatt" ausübte, geschuldet war. Er trug sein Herz auf der Zunge, mischte sich überall ein. Und er konnte sich wirklich gewaltig aufregen, wenn er einen Missstand entdeckte oder vermutete.
Als der damalige Landrat Rudolf Handwerker zum Beispiel in seiner spitzbübischen Art die Einführung der sechsstufigen Realschule im Landkreis Haßberge ohne die erforderliche Zustimmung des Kreistages beim Kultusministerium beantragt hatte, tobte Kreisrat Schneier in der nächsten Sitzung des Gremiums so arg, dass man befürchten musste, er könne noch bis in Bamberg gehört werden.
Er selbst verglich sich gerne mit einem Zirkuspferd, das zu traben beginnt, sobald die Musik einsetzt. "Du warst und bist ein Mann des Volkes", sagte Leisentritt im Jahre 2006. Und Schneier konnte durchaus auch "dicke Bretter bohren", so Leisentritt.
Heiner Schneier verglich sich selbst mit einem Zirkuspferd
Wie beharrlich er sein konnte, bewies Heiner Schneier im Jahre 1973, auf dem Höhepunkt des Kalten Krieges, als er es tatsächlich schaffte, Erich Honecker, den damaligen "Ersten Sekretär des ZK der SED", dazu zu bringen, eine bereits abgelehnte Besuchserlaubnis für Meiningen, damals DDR, doch noch zu genehmigen. Er glaubte auch immer an die deutsche Wiedervereinigung und nach dem Fall der Mauer war er Mitbegründer von drei SPD-Ortsvereinen in Thüringen.

Ebenso beharrlich gründete er 1968 den Zeiler Hallenbadverein, setzte gegen einigen Widerstand den Bau des Hallenbades durch und blieb 40 Jahre lang Vorsitzender des Vereins. Als Kreis- und Ortsvorsitzender der Arbeiterwohlfahrt (AWO) war er außerdem maßgeblich für den Bau des ersten Seniorenheimes in Zeil verantwortlich.
Nach sechseinhalb Jahrzehnten in der SPD machte ihm Ludwig Leisentritt ein außergewöhnliches Kompliment: "Wie gerne hätten wir Dich geklont, aber es ist leider nicht möglich bzw.erlaubt." Dass Schneier über die Parteigrenzen hinweg für seine Mitmenschen kämpfte, brachte ihm auch von "bis auf die Wolle gefärbten Unionswählern", so Leisentritt, Anerkennung ein. Mit der Einschränkung, er sei nur bei der falschen Partei.
Auch mit seinem langjährigen politischen Weggefährten Staatssekretär a.D. Albert Meyer von der CSU verband ihn ein offenes und respektvolles Miteinander, man habe um die Sache gestritten, aber das sei nie persönlich geworden, erinnert sich Thomas Stadelmann. Der Zeiler Bürgermeister beschreibt Schneier: "Er hatte immer ein soziales Bewusstsein und das politisch weit über die eigenen Parteigrenzen hinaus. Er war einfach ein Vollblutpolitiker, ein Kämpfer für mehr Gerechtigkeit im Alltag." Und das sein Leben lang.
Heiner Schneier wird am Montag, 7. November, in Zeil zu Grabe getragen.