zurück
München/Obertheres
Er soll Bayerns Bürokratie abbauen: Warum CSU-Mann Steffen Vogel nicht der Elon Musk von Unterfranken werden will
Unterfrankens CSU-Bezirkschef leitet im Landtag die Kommission zum Bürokratieabbau. Wieso er Kettensägen für nötig hält, aber nicht wie der US-Unternehmer einsetzen will.
Unterfrankens CSU-Bezirkschef Steffen Vogel warnt: 'Das bürokratische Fett, das Staat und Verwaltung sich über Jahrzehnte angefuttert haben, kriegt man nicht mit einer Blitzdiät wieder weg.'
Foto: Thomas Obermeier | Unterfrankens CSU-Bezirkschef Steffen Vogel warnt: "Das bürokratische Fett, das Staat und Verwaltung sich über Jahrzehnte angefuttert haben, kriegt man nicht mit einer Blitzdiät wieder weg."
Henry Stern       -  Obermeier/ Henry Stern
Henry Stern
 |  aktualisiert: 21.04.2025 02:37 Uhr

Der unterfränkische CSU-Abgeordnete Steffen Vogel leitet im Landtag eine Kommission zur Entbürokratisierung in Bayern. Im Interview erklärt der 50-jährige Jurist und CSU-Bezirkschef aus Obertheres, wie Bürokratieabbau funktionieren kann, warum "Kettensäge" à la Elon Musk der falsche Weg ist – und wie sinnvolle Regeln Deutschland blockieren können.

Frage: Herr Vogel, wenn Sie den Wahnsinn der deutschen Bürokratie in einem Satz erklären müssten, wie würde der lauten?

Steffen Vogel: Ein echtes Beispiel: Eine alte Treppe darf nicht genutzt werden, weil die Stufenhöhe nicht der DIN-Norm entspricht – aber sie darf auch nicht umgebaut werden, weil dies der Denkmalschutz verbietet. Vollkommen absurd. Aber das ist Deutschland 2025 in einem Satz.

Im Grunde will jeder weniger Bürokratie. Warum ist es trotzdem so schwer, beim Bürokratieabbau wirklich voranzukommen?

Vogel: Wir haben hier alle über Jahrzehnte Fehler gemacht. Diese Selbstkritik gehört dazu. Wir haben zu wenig darauf geschaut, ob wirklich noch praktikabel ist, was Parlamente und Verwaltung sich an Vorschriften ausdenken. Damit haben wir ein engmaschiges Regelwerk geschaffen, das in seiner Komplexität oft im Widerspruch zum gesunden Menschenverstand steht. Die einzelne Regel mag ja Sinn machen: Stufen sollen nicht gefährlich sein – richtig. Und Denkmalschutz ist auch ein richtiges Ziel. Beides zusammen geht aber nicht. Und so blockiert sich Deutschland selbst mit widerstreitenden Vorschriften.

Seit bald einem Jahr leiten Sie im Landtag eine Kommission zur Entbürokratisierung. Ihr Fazit?

Vogel: Das Fazit ist positiv. Interessant war etwa, dass Behörden sagen: Wir stöhnen selbst über den Bürokratie-Wahnsinn. Auch dort wünscht man sich mehr Verantwortung, mehr eigenes Ermessen. Das müssen wir zulassen. Wir wollen uns in dieser Kommission nicht um Einzelregeln, sondern um die Grundlinien kümmern, um Bürokratie strukturell abzubauen.

Können Sie ein Beispiel nennen?

Vogel: Wir wollen einheitliche digitale Systeme und einheitliche Prozesse. Es kann nicht sein, dass jedes Landratsamt für digitale Bauanträge ein eigenes System hat. Wir wollen auch ein Tracking von Behördenvorgängen. Wenn ich ein Paket verschicke, kann ich beim Versanddienst jederzeit sehen, wo es gerade ist. Bei einem Bauantrag weiß ich nicht, wo der gerade liegt und wie lange schon. Tracking wäre auch ein gutes Werkzeug, um zu prüfen, welche Behörde schnell arbeitet und wo es hakt.

Noch ein Beispiel, was sie besser machen wollen?

Vogel: Wir müssen den Datenschutz reformieren: Ich gebe meine Daten einmal der Institution Staat. Und der Staat muss diese Daten dann nutzen können, also etwa von einer Behörde an eine andere weitergeben. Österreich, Schweden, Estland – da geht das, die haben alle ein einziges Portal und eine einzige Bürger-ID – für die Steuer, für die Krankenversicherung, für die Rentenversicherung. Damit kann man online fast alles machen. Da braucht mir auch keiner kommen mit europarechtlichen Bedenken. Estland, Österreich, Schweden sind alle in der EU. Und dort geht es ganz anders mit dem Datenschutz als bei uns.

"Deutschland blockiert sich selbst mit widerstreitenden Vorschriften."
CSU-Politiker Steffen Vogel über den Bürokratie-Wahnsinn
Der Freistaat Bayern hat Vorgaben im Baurecht für Stellplätze oder Grünflächen gelockert. Jetzt gibt es statt einer bayernweiten Regelung hunderte kommunale Satzungen. Wo liegt da der Fortschritt?

Vogel: Der Fortschritt ist die Steigerung der kommunalen Selbstverwaltung. Warum soll denn München vorschreiben, wie viele Stellplätze in Kürnach nötig sind? Lass das doch die Kürnacher selbst entscheiden. Und wenn man dort meint, wir brauchen hier gar keine Stellplatz-Regelung – umso besser. In der Tat führt diese kommunale Freiheit zu Ungleichheit. Dann gelten im Landkreis Würzburg vielleicht andere Stellplatz-Regeln als im Landkreis Hassberge. Na und! Dann ist es halt so. Das ist doch kommunale Selbstverwaltung.

Müssen auch die Bürger bereit sein zu mehr Eigenverantwortung und vielleicht auch zu weniger Einzelfallgerechtigkeit?

Vogel: Exakt so ist es. Hundert Prozent Gleichbehandlung, hundert Prozent Gerechtigkeit werden wir doch niemals herstellen. Wir brauchen also mehr Pauschalierungen. Niemand muss doch im Detail vorschreiben, wie etwa ein neuer Kindergarten aussehen muss. Warum kein Pauschal-Zuschuss des Freistaats für so-und-so-viele Kinder an eine Kommune. Und wie ihr dann baut – eure Sache.

Müssen die Bürger auch akzeptieren, dass bei weniger Kontrolle auch mal was schiefgehen kann?

Vogel: Ich glaube nicht, dass mit mehr Kontrolle weniger schiefgeht. Auch mit dem Anspruch hundertprozentiger Kontrolle gibt es kriminelles Verhalten. Ich kann doch nicht jedem Gastwirt rund um die Uhr die Gefriertruhe kontrollieren. Der Bürger muss dem Staat vertrauen, der Staat aber auch dem Bürger. Der Staat muss doch davon ausgehen, dass der Gastwirt, der bisher nicht negativ aufgefallen ist, sich grundsätzlich an die Vorgaben hält und im eigenen Interesse seinen Gästen nicht verdorbene Lebensmittel vorsetzt. Ich erlebe aktuell oft die Grundhaltung eines Misstrauens zwischen Bürger und Staat. Von beiden Seiten. Und das ist nicht gut.

In Behörden scheint oft der Grundsatz zu gelten: Lieber ablehnen, als sich mit einer pragmatischen Entscheidung etwa vor Gericht angreifbar zu machen. Wie kann man das ändern?

Vogel: Wir müssen im Bewusstsein unserer Behörden eine Veränderung bewirken. Juristen – ich bin selbst Jurist – werden ausgebildet, überall Fehler zu suchen, immer Absicherung zu suchen. Also eher das Risiko zu sehen als die Chance. In der Praxis heißt das: Anstatt als Behörde etwas pragmatisch zu entscheiden, lasse ich lieber erst mal ein Gutachten machen. Das kostet Zeit und Geld – und bringt inhaltlich oft gar nichts. Aber ich bin auf der sicheren Seite. Wir müssen in den Behörden die Mitarbeiter befördern, die mutig Gestaltungsspielräume ausnutzen. Und nicht die Bedenkenträger.

"Ich glaube nicht, dass mit mehr Kontrolle weniger schiefgeht."
Steffen Vogel, CSU-Landtagsabgeordneter aus Unterfranken
Sie haben kürzlich im Landtag gesagt, um an die Bürokratie ranzugehen, brauche es nicht nur eine Motorsäge, sondern ganz viele Motorsägen und auch Äxte. Wie haben sie das gemeint?

Vogel: Das bürokratische Fett, das Staat und Verwaltung sich über Jahrzehnte angefuttert haben, das kriegt man nicht mit einer Blitzdiät wieder weg. Wir brauchen grundsätzlich ein anderes Denken – wir müssen klarmachen: So können wir nicht weitermachen. Viele Leute ärgern sich immer mehr über den Staat. Und das zurecht. Akzeptanz von Staat und Demokratie hängt deshalb auch davon ab, wie der Staat in der Bevölkerung wahrgenommen wird.

Der Verweis auf die Motorsäge heißt aber nicht, dass Steffen Vogel der Elon Musk von Unterfranken werden will?

Vogel: Was Elon Musk in den USA und Javier Milei in Argentinien machen, das wollen wir hier nicht: Die schließen über Nacht ganze Behörden – und schauen dann, was passiert. Die wollen den Staat ganz abschaffen. Das trifft aber vor allem die Schwachen in der Gesellschaft hart. Wir dagegen wollen den Staat wieder leistungsfähig machen für unsere Bürger. Damit er seine Aufgaben für die Menschen effektiv erfüllen kann. Wir haben deshalb vielleicht eine ähnliche Problem-Analyse. Aber wir haben ein völlig anderes Ziel.

 
Themen & Autoren / Autorinnen
Würzburg
Obertheres
Henry Stern
Bürger
Datenschutz
Elon Musk
Entbürokratisierung
Kommunale Selbstverwaltung
Landtage der deutschen Bundesländer
Steffen Vogel
Lädt

Damit Sie Schlagwörter zu "Meine Themen" hinzufügen können, müssen Sie sich anmelden.

Anmelden Jetzt registrieren

Das folgende Schlagwort zu „Meine Themen“ hinzufügen:

Sie haben bereits von 50 Themen gewählt

bearbeiten

Sie folgen diesem Thema bereits.

entfernen
Kommentare
Aktuellste
Älteste
Top
  • Frank Widmaier
    Drogen Stück für Stück freigeben ist der dümmste aller Einfälle gewesen... die hätten weiter gemacht, nur damit die Kriminalitätsstatistik besser aussieht.
    Logisch nach Ampeldenke wäre dann Steuerbetrug, Mord, Überfälle, Körperverletzung ebenfalls zu legalisieren. Entlastet auch Polizei und Gerichte... Sie sehen... totaler Blödsinn.

    Und ja... Heizung/Baugesetze wurden auch eher verkompliziert... wenn wir etwas umbauen wollten, müsste der Sicherungskasten aus dem Treppenhaus raus. Darf nicht mehr sein... das wären wahnsinnige Zusatzkosten, da wir unnütz mehr Räume sanieren müssten.

    Es braucht wirklich mehr Pragmatismus.. da hat Steffen Recht
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten
  • Martin Deeg
    Meines Wissens ist die CSU die Partei, die den unmündigen Bürger - von wegen "Vertrauen" - vor Cannabislegalisierung und dem bösen "Heizungsgesetz" glaubt schützen zu müssen - und daher diese sinnvollen Gesetze "rückabwickeln" will....aber hier was von "Entbürokratisierung" erzählen.

    Und by the way: Lebensmittelkontrolle und Kontrolle der Landwirtschaft gehören - vor allem in Bayern - massiv ausgeweitet und endlich ernst genommen! "Vertrauen" ist da völlig fehl am Platz, wie zahlreiche Erfahrungen zeigen.
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten