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Hofheim/Bamberg
Dritter Prozesstag um vierfachen Mordversuch in Hofheim: Die Angehörigen hüllen sich in Schweigen
Vater, Mutter und Ehefrau des Beschuldigten verweigern die Aussage. Doch Tonaufnahmen und frühere Vorfälle offenbaren die Aggressivität des 36-Jährigen.
Rechtsanwalt Michael Schulze (links) und der 36-jährige Angeklagter vor dem Landgericht Bamberg.
Foto: Udo Güldner | Rechtsanwalt Michael Schulze (links) und der 36-jährige Angeklagter vor dem Landgericht Bamberg.
Bearbeitet von Udo Güldner
 |  aktualisiert: 08.02.2024 16:48 Uhr

Es ist eine Geschichte, die bislang geprägt ist von Hoffnung und Enttäuschung. Eine Geschichte, die im Winter vergangenen Jahres schließlich in blindem Hass mündete: Ein heute 36-jähriger Mann soll in der Nacht zum 10. Dezember 2022 in Hofheim einen Brand gelegt haben. Er, so der Vorwurf der Staatsanwaltschaft, habe all jene töten wollen, die in der Wohnung über der Halle lebten, in der das Feuer ausgebrochen war: den eigenen Bruder, dessen Frau, die beiden Kinder. Nun steht der 36-Jährige wegen vierfachen Mordversuchs und schwerer Brandstiftung in Hofheim, sowie Sachbeschädigung, Bedrohung und einer Autofahrt unter Drogeneinfluss vor dem Landgericht Bamberg.

Am dritten Verhandlungstag brach unter den nahen Angehörigen das große Schweigen aus. Sie verweigerten die Aussage, um den Angeklagten nicht belasten zu müssen. Der hatte zum Auftakt des Prozesses die Brandstiftung eingeräumt, allerdings jede Mordabsicht von sich gewiesen. Statt der Aussagen der Angehörigen kamen an diesem Mittwoch deshalb Aufzeichnungen von Notrufen zur Sprache. Auch frühere Vorfälle und ein Abschiedsbrief spielten eine Rolle.

Berufung auf das Zeugnisverweigerungsrecht

Im Gerichtssaal herrscht nach der Zeugenbelehrung eisernes Schweigen. Niemand will die Fragen der Vorsitzenden Richterin Marion Schmidt beantworten. Weder der Vater des Beschuldigten, noch seine Mutter. Und schon gar nicht die Ehefrau. Egal ob es um die Tatvorwürfe oder die charakterliche Entwicklung des Angeklagten geht. Alle berufen sich auf ihr Zeugnisverweigerungsrecht, das ihnen als nahe Familienangehörige zusteht.

Das Schweigen hat Folgen für den Prozess: Auch die früheren Angaben der Angehörigen bei der Polizei dürfen nicht vorgelesen und für das Verfahren verwendet werden. Viele wichtige Details bleiben damit unerwähnt. Der Vater möchte gar seinen Strafantrag zurückziehen. Einige Minuten später aber sind die Eltern dann doch zu hören: Ihre aufgezeichneten Notrufe werden vorgespielt. Diese dürfen als "spontane Äußerungen" von der Zweiten Strafkammer am Bamberger Landgericht genutzt werden.

Trotz Kontaktverbots dem Haus der Familie genähert

Eine der Aufnahmen etwa stammt aus der Nacht der Brandstiftung, sie ist wenig ergiebig. Eine andere aber hat es in sich. Da ist der zuvor so schweigsame Vater zu hören, der von "großen Problemen" mit seinem Sohn berichtet. Der Angeklagte hatte sich offenbar erneut – trotz eines polizeilichen Kontaktverbotes – dem Haus der Familie genähert und in der Hofeinfahrt herumgeschrien. "Er ist total ausgetickt. Er ist unberechenbar geworden." Die Rede ist von eingeschlagenen Fensterscheiben, von demolierten Motorrädern und drastischen Sätzen wie "Komm heraus, Du feige Sau!"

Dass mit dem Angeklagten nicht zu spaßen ist, haben in der Vergangenheit offenbar auch andere erleben müssen. Drei Ermittlungsverfahren hatte die Staatsanwaltschaft Schweinfurt gegen den Mann geführt – jedoch alle eingestellt. Einmal hatte es sich dabei offenbar um die Vorwürfe der gemeinschaftlichen Körperverletzung, Nötigung und Bedrohung gehandelt. Bei einem zweiten Vorfall soll der Angeklagte ebenfalls handgreiflich geworden sein, die Rede war von Faustschlägen ins Gesicht. Bei einem dritten Ereignis soll der heute 36-Jährige gegenüber Hundehaltern gesagt haben: "Ich steche euren Hund ab und zünde Euren Hof an."

Polizei findet nach Festnahme Abschiedsbrief 

Wie ernst es der Angeklagte meint, kann man auch daran erkennen, dass die Kriminalpolizei Schweinfurt nach der Festnahme im Dezember in dessen Wohnung einen Abschiedsbrief findet. Darin schreibt der Beschuldigte offenbar an seine Ehefrau, dass er immer sein Bestes für sie und das gerade erst geborene Kind gegeben habe. Damit ist seine unermüdliche Arbeit als Gastronom an mehreren Standorten in Unterfranken gemeint, die anfangs sehr erfolgreich verläuft, dann aber von der Corona-Pandemie und den Maßnahmen heftig gebeutelt wird. "Ich war immer unter Druck. Es war sehr viel Stress."

Der Angeklagte scheint nur über die Runden zu kommen, weil er sich offenbar täglich mit Crystal Meth aufputscht – und danach mit Marihuana wieder zur Ruhe kommt, wie sich im Prozess herausstellt.  

"Man nimmt unser Geld und behandelt uns wie Dreck."
Angeklagter in Abschiedsbrief

Er berichtet in seinem Brief auch vom Familienstreit, von dem Eigenheim, das er aufwendig renoviert und das ihm der Vater genommen habe. "Man nimmt unser Geld und behandelt uns wie Dreck." Er schreibt von der Insolvenz seines Restaurants und listet auf, wem er noch Geld schuldet. Dann erklärt er, dass er mehrere Lebensversicherungen zu Gunsten seiner Ehefrau abgeschlossen habe. Mit der einen Million Euro seien sie und ihr gemeinsames Kind "safe", also sicher. Er wolle ihnen mit seinem Tod einen Neustart ermöglichen.

Einen wichtigen Beitrag zur Urteilsfindung dürfte nun das Gutachten des psychiatrischen Sachverständigen liefern, das am vierten Verhandlungstag vorgestellt werden soll. In der kommenden Woche soll der Prozess vor dem Landgericht Bamberg dann zu Ende gehen.

 
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