Es ist 25 Jahre her, da lag Manfred Griebel ausgestreckt auf dem Boden des Würzburger Doms. Bischof Paul-Werner Scheele weihte ihn damals zusammen mit acht anderen Kandidaten zum Ständigen Diakon.
Inzwischen sind zweieinhalb Jahrzehnte vergangen. Eine Zeit, in der sich die Welt verändert hat und mit ihr die handelnden Personen, die Menschen. Manfred Griebel ist nach wie vor in Haßfurt aktiv, übt seinen Beruf, der für ihn eine Berufung darstellt, in der Pfarrei - inzwischen Pfarreiengemeinschaft - St. Kilian aus.
Griebel aus dem Haßfurter Stadtteil Unterhohenried war schon vor seiner Berufung im Landkreis Haßberge kein Unbekannter. Nach seiner Weihe ist er aber weit über die Grenzen der Kreisstadt hinaus zu einer Art Institution geworden.
Ein Mann ohne Umwege
Was ist das aber für ein Mensch, dieser Manfred Griebel? Ein Mann, der in seiner aktiven Fußballerzeit als Mittelstürmer wie ein Tsunami für die gegnerischen Verteidiger eine Heimsuchung war; ein Mann, der in seiner aktiven Zeit beim Bundesgrenzschutz auch einmal als Personenschützer seine Ellbogen einsetzen musste; ein Mann, der sich als Redakteur beim Haßfurter Tagblatt niemals scheute, auch einmal ein offenes Wort gelassen auszusprechen; ein Mann, den sich der Haßfurter Ehrenbürger und ehemalige Staatssekretär Albert Meyer als Zelebrant für seine Beerdigung gewünscht hat? Ein Mann, der auf den ersten Blick die Gegensätze anzieht, ja lebt? Ein Saulus und Paulus?
Wer ihn früher, in seinem alten Leben, gekannt hat, und ihm heute begegnet, fragt sich vielleicht, ob das immer noch dieselbe Person ist. Oder was geschehen ist, dass Manfred Griebel so oder das geworden ist, was er heute darstellt. Ein sehr außergewöhnlicher Mensch, der Außergewöhnliches leistet, ja beinahe Unmenschliches, der das aber auch nur bewältigen kann, weil er nicht alleine ist, weil er eine Unterstützung fühlt, die ihn lenkt. Vor allem wenn er die Jobs macht, die kaum jemand ausüben möchte, wenn er die wirklich schwierigen Aufgaben übernimmt.
Und davon gibt es im Krankenhaus oder auf einer Palliativstation reichlich. "Wenn ich ein Zimmer betrete, weiß ich nicht, was mich erwarten wird", sagt Griebel, "aber ich weiß, dass ich jetzt da sein muss." Manchmal genügt es schon, einfach nur zuzuhören. Gerade in der Palliativ sind es meist die Angehörigen, denen er die oft brutale Realität möglichst schonend beibringen, die oft medizinisch fachlichen Erklärungen des Arztes übersetzen muss.
Manfred Griebel betreut als Seelsorger die Häuser Haßfurt und Ebern der Haßberg-Kliniken inklusive der Eberner Palliativstation, das Caritas-Altenheim St. Bruno sowie das Seniorenwohnheim "Unteres Tor" in Haßfurt, er ist Notfallseelsorger, war 13 Jahre der dafür Beauftragte im Dekanat Haßfurt, ist selbiger für die Behindertenseelsorge im Dekanat Ebern und er begleitet als Wallfahrtsführer die Pilger in der Pfarreiengemeinschaft St. Kilian. Das ist ein gewaltiges Pensum, das der Diakon tagaus, tagein zu bewältigen hat.
Im Krankenhaus zu Hause
"Einer trage des anderen Last." Diesen Weihespruch hatte sich Manfred Griebel vor 25 Jahren gewählt und so lautet noch immer sein Credo. "Im Krankenhaus bin ich zu Hause." Hier hat er sich von Anfang an willkommen gefühlt, "gemerkt, dass das mein Platz ist". Gerade auch in Zeiten von Corona habe er gespürt, wie wichtig es war, in der Klinik wirken zu können.
Griebel hält sich aber zurück, möchte nicht im Vordergrund stehen. "Ich sehe meine Berufung im Verborgenen", sagt er. Gerade auf der Palliativstation könne man als Seelsorger nicht arbeiten wie ein Manager im Betrieb. "In unserer durchgeplanten Welt tun wir uns mit Einschnitten sehr schwer. Da muss ich mich einlassen auf die Menschen." Drum trägt Manfred Griebel auch keinen Chronographen am Handgelenk: "Weil ich für den Patienten Zeit habe - da brauche ich keine Uhr."
Rückhalt in der Familie
Gleichzeitig sieht er sich nicht als die Hauptperson, sondern nur als das ausführende Organ von etwas Größerem. Ohne festen Glauben könnte er nicht die Aufgaben eines Notfall- oder Palliativseelsorgers ausüben, ohne daran zu zerbrechen. "Da musst Du geführt werden." Wichtig sind bei diesen Belastungen auch Menschen, die den Trostspender ihrerseits auffangen, Orte, "wo auch ich einmal reden kann. Du brauchst gute Wegbegleiter, den Rückhalt in der Familie", Orte der Ruhe und der Stille. Diese Familie musste vor 25 Jahren allerdings erst einmal lernen, mit der Entscheidung des zweifachen Familienvaters umzugehen. "Das war nicht leicht", blickt der Diakon sehr ernst und nachdenklich zurück.
Kraft bezieht er auch aus den von ihm geführten Wallfahrten. Obwohl es anstrengend ist, sich mit einer Schar von Pilgern auf den oft steinigen Weg zum Kreuzberg, nach Santiago de Compostela, ins Heilige Land oder nach Vierzehnheiligen zu machen. "Man spürt, dass die Menschen auf der Suche sind. Meine Quelle, aus der ich meine Kraft schöpfe, sind auch die Begegnungen mit ihnen."
Optimistischer denn je
Nach 25 Jahren aufreibendster Tätigkeit als Seelsorger, der täglich die Abgründe des menschlichen Daseins erleben, nicht nur ertragen, sondern auch noch überbrücken muss, ist Manfred Griebel optimistischer denn je. "Ich habe den Eindruck, dass es immer mehr Spaß macht", gesteht er. "Ich habe den schönsten Job der Welt, für Menschen da zu sein, ihnen nahe zu sein, ihnen ein Stück Gottes Nähe zu schenken."
Ich möchte Manfred für seine Arbeit und seine Einstellung danken