
Landrat Wilhelm Schneider ist glücklich. Ein Traum ist für ihn gerade in Erfüllung gegangen. "Heute ist es soweit. Wir geben den Startschuss für das TTZ im Landkreis Haßberge." Offiziell heißt es ja noch TTZ-SPPS, das Technologiezentrum Smart Polymer Pipe Solutions. Geplant ist aber, so Professor Dr. Robert Grebner, Präsident der Technischen Hochschule Würzburg-Schweinfurt (THWS), es künftig in TTZ Haßfurt umzubenennen. Anlass für den Freudenausbruch des Landrats war am Montagnachmittag aber die Vorstellung von Stiftungsprofessor Dr. Johannes Krückel, der ab 15. März das Technologiezentrum in Haßfurt leiten wird.
Damit ist der Schritt vollzogen, auf den Haßfurt schon lange gewartet hat: Die Kreisstadt wird Hochschulstandort. Für die Hochschule wird Haßfurt "ein wichtiges Standbein", so Präsident Grebner. Den neuen Prof erwarte keine leichte Aufgabe, so Grebner, er sei künftig der Ansprechpartner für alle Themen, die die TH betreffen, er sei die "Schnittstelle zur Hochschule". Die Polymer-Extrusion, also eine Methode zur Herstellung von Kunststoffbauteilen, sei ein hervorragendes Alleinstellungsmerkmal der Region. Deshalb habe man zur Leitung des Technologietransferzentrum auch einen Spezialisten, einen Experten berufen. Denn es handele sich schließlich "um eine Millioneninvestition".
Der Professor ist ein "Kind der Region"
Der Präsident unterstrich die Bedeutung dieser "Filiale", indem er ankündigte, dass nach den fünf Jahren der Stiftungsprofessur, in der Professor Krückel vom Landkreis Haßberge, der Stadt Haßfurt und heimischen Unternehmen finanziert wird, die Hochschule dies übernehmen werde. Er zeigte sich auch überzeugt, dass Haßfurt gut angenommen werde. "Nirgends kann man die Polymer-Extrusion besser lernen als in einem Echt-Labor", wie es in Haßfurt eingerichtet werde.

Professor Krückel – Jahrgang 1984 – ist ein echtes Kind der Region. Er stammt aus Bergtheim, machte sein Abitur in Würzburg, besuchte nach dem Zivildienst dort auch die Hochschule und unternahm unter der Leitung von Professor Dr. Volker Herrmann, heute Dekan der Fakultät und nun Krückels Professorenkollege, die ersten Schritte in Sachen Extrusion. Nach Erwerb des Mastergrades in Erlangen und Promotion war er in verschiedenen Unternehmen der Kunststofftechnik tätig. "Dann habe ich durch Zufall die Stelle an der THWS gesehen", so Krückel, "und bin froh, dass im Berufungsverfahren die Wahl auf mich gefallen ist."
Erst müssen die richtigen Maschinen her
Zum Start werden schon 15 Studierende das Angebot in Haßfurt nutzen können, im nächsten Semester sollen es dann schon 25 sein. Die Tätigkeit von Professor Krückel wird jeweils zur Hälfte die Lehrtätigkeit in Würzburg und die Forschungsarbeit in Haßfurt umfassen. In Haßfurt wird ein Labor aufgebaut, in dem die Studierenden die Extrusion von Kunststoffrohren genau verfolgen können. "Allerdings können wir mit der Extrusion erst beginnen, wenn die entsprechenden Maschinen da sind", so Prof. Krückel.
Im Laufe des Monats Juni werde jedoch bereits eine Spritzgussmaschine in Betrieb genommen. Damit werden Werkzeuge gebaut, "mit denen man Prüfkörper macht, um intelligente Rohre zu untersuchen". Dafür würden aber auch noch Mitarbeiter benötigt. Zum Start werde das TTZ zunächst wie geplant als Interimslösung in Gebäudeteilen der Berufsschule einziehen. Jedoch hätten sich "im Zuge der Sanierungsmaßnahme an der Heinrich-Thein-Berufsschule die Rahmenbedingungen dahingehend geändert", so Landrat Schneider, "dass ein Bauteil, der ursprünglich nur saniert werden sollte, nun doch durch einen Neubau ersetzt wird. Dies gibt uns jetzt die Gelegenheit, dem Raumbedarf des TTZ optimal gerecht zu werden."
Ein Rohr kann mehr sein als nur eine Röhre, durch die etwas fließt
Apropos intelligente Rohre, was eigentlich die Übersetzung für die Smart Polymere Pipes aus dem Namen des Transferzentrums darstellt. Aber wie kann ein Plastikrohr intelligent sein?, mag man sich fragen. Genau hier beginnt einer der Aufgabenbereiche des neuen Professors und seiner Studierenden in Haßfurt.
Von der Vorstellung, ein Rohr sei nicht mehr als eine Art Röhre, durch die Flüssigkeiten oder Gase geleitet werden, muss man sich künftig zwar nicht ganz verabschieden, aber die Aufgaben für Kunststoffrohre werden in Zukunft ein viel weiteres Feld abdecken. Zum Beispiel ist es keine Utopie, wenn ein unterirdisch verlegtes Gasrohr im Dialog mit seinem Betreiber selbst darüber informiert, ob es einer Wartung bedarf. Auch die Kommunikation von Rohren untereinander wird möglich sein.

Eine wichtige Rolle wird bei der Forschung in Haßfurt die Nachhaltigkeit darstellen, die Kreislaufwirtschaft von Kunststoffen. Und die stärkere Digitalisierung, die auch in den Extrusionsprozess einfließen soll. Zum Beispiel in einer Maschine, die bei der Rohrherstellung selbst darauf achtet, die Qualität des Produktes auf einem hohen Level zu sichern. Was auch Energie einspart, denn "weniger Ausschuss braucht auch weniger Energie", so Präsident Grebner mit einem Lächeln.
Ein "wichtiger Baustein zur Sicherung von Fachkräften"
"Ziel unseres Technologietransferzentrums ist es, unseren Unternehmen den einfachen Zugang zu wissenschaftlichen Ressourcen wie Laboren, Maschinen, Wissenschaftlern, Studierenden und die Bearbeitung wissenschaftlicher Fragestellungen in Zusammenarbeit mit der THWS unter Bezugnahme von Fördergeldern zu ermöglichen", umreißt Landrat Schneider die Intention der Einrichtung. "Daneben können die Unternehmen die in Projekten arbeitenden Studierenden als mögliche zukünftige Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter kennenlernen. Die Technische Hochschule erhält durch diesen Austausch einen Zugang zu praxisrelevanten Themen und Projekten beziehungsweise zu den Unternehmen."
Immerhin, so informiert der Wirtschaftsförderer am Landratsamt Haßberge, Michael Brehm, die Redaktion, seien in der gesamten Region Mainfranken im Bereich "Neue Materialien und Kunststoffe" rund 4900 Menschen beschäftigt (Stand 2020). Davon alleine etwa 3570 – das sind 70 Prozent – im Landkreis Haßberge. "Mit dem Start des TTZ", so Landrat Schneider, sei demzufolge "ein wichtiger Baustein zur Sicherung von Fachkräften im Landkreis umgesetzt".
Auf Professor Johannes Krückel wartet in Haßfurt ein Job, der ihm viel abverlangen wird. Die Last auf seinen Schultern ist gewaltig, so sein Präsident. Aber für Krückel geht damit ähnlich wie für Landrat Schneider ein Traum in Erfüllung. Kunststoff prägte bislang sein Leben, nun hat er die Chance, selbst die Entwicklung dieses Werkstoffs mit zu prägen.