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Haßfurt
Das Stadtwerk Haßfurt und die Gaslobby: Ist jetzt das grüne Image in Gefahr?
Norbert Zösch setzt sich für den Klimaschutz ein, gleichzeitig ist sein Unternehmen Mitglied im umstrittenen Lobbyverband "Zukunft Gas". Das sagt er dazu.
Das Stadtwerk Haßfurt ist Mitglied im Lobbyverband 'Zukunft Gas' (Symbolbild). Dafür gibt es nun Kritik vom Recherchezentrum Correctiv.
Foto: Hauke-Christian Dittrich, dpa | Das Stadtwerk Haßfurt ist Mitglied im Lobbyverband "Zukunft Gas" (Symbolbild). Dafür gibt es nun Kritik vom Recherchezentrum Correctiv.
Peter Schmieder
 |  aktualisiert: 08.02.2024 13:45 Uhr

Das Stadtwerk Haßfurt ist weit über die Grenzen des Landkreises hinaus bekannt als Vorreiter im Kampf gegen den Klimawandel. Vom Windpark bis zur Biogasanlage: Für den Ausbau erneuerbarer Energieerzeugung und vor allem mit der Forschung zu Speichermöglichkeiten hat das Kommunalunternehmen viel Aufmerksamkeit und sogar einige Auszeichnungen bekommen.

Dass Stadtwerksleiter Norbert Zösch selbst auch als Kommunalpolitiker für die Grünen im Kreistag sitzt, klingt da nur logisch. Doch vor wenigen Wochen hat das Recherchezentrum Correctiv Informationen veröffentlicht, die so gar nicht in dieses Bild passen wollen. Der Vorwurf: Viele Stadtwerke, darunter auch das Haßfurter, würden die Erdgaslobby unterstützen.

"Zukunft Erdgas" wird zu "Zukunft Gas" – Richtungswechsel oder Greenwashing?

Der Artikel erschien am 22. Februar auf correctiv.org. Darin geht es um den Lobbyverband "Zukunft Gas". Noch bis zum Jahr 2020 hieß dieser "Zukunft Erdgas". Der Verband selbst begründet die Namensänderung damit, dass er künftig mehr auf regenerative Energien wie Biogas und Wasserstoff setzen wolle.

Kritiker sprechen hingegen von Greenwashing. Ein Blick auf die Mitgliederliste von "Zukunft Gas", die auf der Internetseite des Verbandes öffentlich einsehbar ist, zeigt, dass neben Energieriesen wie Shell auch viele deutsche Stadtwerke dabei sind – darunter auch das Stadtwerk in Haßfurt.

Der Vorwurf von Correctiv lautet daher: Die kleinen, städtischen Energieversorger würden sowohl mit ihrem Namen als auch durch ihre Mitgliedsbeiträge die Erdgaslobby unterstützen und damit aktiv dem Kampf gegen den Klimawandel schaden. Doch was sagt der Haßfurter Stadtwerksleiter dazu?

Der Lobbyverband "Zukunft Gas" als wichtige Austauschplattform

"Das Stadtwerk Haßfurt betreibt seit 1982 eine Erdgasversorgung und ist deshalb mit verschiedenen Verbänden in engem Austausch, um eine sichere und wirtschaftliche Erdgasversorgung in unserem Versorgungsgebiet zu garantieren", schreibt Norbert Zösch in seiner Antwort auf die schriftliche Anfrage dieser Redaktion. "Zukunft Gas" sei dabei ebenfalls "eine wichtige Austauschplattform, um auch die Einspeisung von Wasserstoff in das Erdgasnetz sicherheitstechnisch zu optimieren".

Die Power-to-Gas-Anlage in Haßfurt (Archivbild, 2016): Hier wird aus Öko-Strom Wasserstoff gewonnen, der dann ins Erdgasnetz eingespeist wird.
Foto: René Ruprecht | Die Power-to-Gas-Anlage in Haßfurt (Archivbild, 2016): Hier wird aus Öko-Strom Wasserstoff gewonnen, der dann ins Erdgasnetz eingespeist wird.

Damit spricht Zösch einen Punkt an, der im Correctiv-Artikel keine Erwähnung findet: Die Rolle, die Wasserstoff für die Speicherung regenerativer Energie spielen könnte. Das Stichwort dafür heißt "Power-to-Gas". So lässt sich mithilfe von elektrischer Energie durch Elektrolyse Wasserstoff erzeugen, der dann ins Gasnetz eingespeist oder bei Bedarf wieder zur Stromerzeugung genutzt werden kann. Haßfurt gehört zu den ersten Orten der Welt, an denen diese Technik im Realbetrieb getestet wird.

Keine Hilfe aus Politik und Fachwelt in Sachen Wasserstoff

Und eben für die Einspeisung von Wasserstoff ins Erdgasnetz seien Informationen und Austausch mit anderen Akteuren wichtig, begründet Zösch die Mitgliedschaft im Verband. Außerdem fehle es ansonsten an kompetenten Partnern in Sachen Wasserstoff. "Als wir unsere Power-to-Gas-Anlage 2016 in Betrieb genommen haben, gab es weit und breit keine Hilfe", schreibt Zösch – nicht aus der Fachwelt und schon gar nicht aus der Politik. "Aktuell wird zwar viel über Wasserstoff geredet, aber eine pragmatische Unterstützung gibt es leider immer noch nicht."

"Aktuell wird zwar viel über Wasserstoff geredet, aber eine pragmatische Unterstützung gibt es leider immer noch nicht."
Norbert Zösch, Leiter des Stadtwerks Haßfurt

Zu den von Correctiv geäußerten Vorwürfen gegen Stadtwerke, die Mitglieder des Verbandes sind, meint Zösch, es sei sicher wichtig, auch die Arbeit von "Zukunft Gas" kritisch zu hinterfragen. "Es kann sicherlich aber auch nicht Aufgabe von gerade kleineren Stadtwerken sein, die Sachverhalte im Detail zu prüfen."

Was kostet eine Mitgliedschaft bei "Zukunft Gas"?

Bei Correctiv ist außerdem zu lesen, man habe an alle Stadtwerke, die Mitglieder bei "Zukunft Gas" sind, eine Presseanfrage gestellt. Auf diese hätten die Haßfurter "in langen Absätzen" begründet, warum die Fragen nicht beantwortet werden, und das im exakt gleichen Wortlaut wie die Stadtwerke Zweibrücken. Zösch begründet das mit einem Mangel an Zeit.

"Wir standen noch vor wenigen Monaten vor einer Gasmangellage und der Frage, in welcher Reihenfolge wir unsere Kunden abschalten müssen." Da habe es Wichtigeres zu tun gegeben, als eine von vielen Anfragen mit eigenen Worten zu beantworten. "Aus diesem Grund haben wir uns an eine vorformulierte Stellungnahme angehängt, was wir im Übrigen immer wieder machen, um eventuelle rechtliche Konsequenzen zu vermeiden."

Und Zösch beantwortet dieser Redaktion gegenüber sogar eine Frage, auf die laut Correctiv-Artikel die meisten Stadtwerke – darunter auch das Haßfurter – die Angaben verweigert hätten, nämlich wie hoch die Mitgliedsbeiträge sind, die an den Verband fließen. "Für kleinere Stadtwerke liegt der Beitrag unter 200 Euro pro Monat", schreibt Zösch. "Dieses Preis-Leistungsverhältnis ist für uns sehr attraktiv. Die Mitgliedschaft ist übrigens auch jederzeit kündbar."

Kleine Stadtwerke als grünes "Feigenblatt"?

Kritischer äußert sich dagegen Sascha Müller-Kraenner, Bundesgeschäftsführer der Deutschen Umwelthilfe, auf Anfrage dieser Redaktion. "Die haben die Stadtwerke gerne dabei, weil es gut aussieht", sagt er über "Zukunft Gas" und bezeichnet die kleinen, kommunalen Energieversorger, die Mitglieder im Verband sind, als "Feigenblatt". Das sei wohl auch der Grund, warum diesen eine Mitgliedschaft zu sehr geringen Preisen angeboten werde.

"Die haben die Stadtwerke gerne dabei, weil es gut aussieht."
Sascha Müller-Kraenner, Bundesgeschäftsführer der Deutschen Umwelthilfe, über "Zukunft Gas"

Müller-Kraenner bezeichnet "Zukunft Gas" als "Lobbyorganisation, die die Vergangenheit verteidigt". So sieht auch er die Namensänderung des Verbandes eher als Alibi und betont: "Es geht im Wesentlichen um Erdgas." Wenn es den Stadtwerken um eine Interessenvertretung gegenüber der Politik gehe, gebe es ja durchaus andere Organisationen, die diese leisten können, wie den Verband kommunaler Unternehmen (VKU) oder den Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW).

Dieses Archivbild aus dem Jahr 2020 zeigt Grünen-Politiker Hans-Josef Fell (rechts) bei einem Besuch bei Norbert Zösch (links) im Stadtwerk Haßfurt.
Foto: Peter Schmieder | Dieses Archivbild aus dem Jahr 2020 zeigt Grünen-Politiker Hans-Josef Fell (rechts) bei einem Besuch bei Norbert Zösch (links) im Stadtwerk Haßfurt.

Weniger hart geht dagegen Hans-Josef Fell mit dem Haßfurter Stadtwerk ins Gericht. Der Grünen-Politiker aus Hammelburg ist ehemaliger Bundestagsabgeordneter für den Wahlkreis Bad Kissingen, zu dem auch der Landkreis Haßberge gehört, und zählt als einer der Väter des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG) aus dem Jahr 2000.

Zwar sei der pauschale Vorwurf von Correctiv grundsätzlich richtig. Zu viele Stadtwerke hätten auf Gas gesetzt und seien damit die treibende Kraft gewesen, die Deutschland nun in die Abhängigkeit von Russland getrieben habe. So kritisiert er auch die Stadtwerke seiner Heimatstadt Hammelburg.

"Es gibt aber auch Stadtwerke, die einen anderen Weg gegangen sind", betont Fell im Gespräch mit dieser Redaktion und lobt das Haßfurter Stadtwerk ausdrücklich für seine Leistungen im Kampf für die Energiewende.

Auf die Frage, wie das seiner Meinung nach zur Mitgliedschaft bei "Zukunft Gas" passe, entgegnet Fell: "Ein solcher Verband bietet natürlich weitere Dienstleistungen." So könne er schon verstehen, dass ein Stadtwerk dort Mitglied sei, um von der Vernetzung zu profitieren. Außerdem meint der Grünen-Politiker: "Es braucht ja auch die Mitglieder, die den Verband auf einen neuen Weg bringen."

 
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  • emilundemma
    Zunächst der link zum kompletten Artikel von correctiv . https://correctiv.org/aktuelles/klimawandel/2023/02/22/erdgas-wie-stadtwerke-gas-lobby-finanzieren/
    Natürlich ist es Teil der Arbeit von correctiv, auf Missstände und Verflechtungen hinzuweisen. Aber nicht alles was dort angeprangert wird, ist immer gleich schlecht. Bis vor kurzem waren (fast) noch alle froh und zufrieden, das wir ein gutes Gasnetz haben und Gasheizungen waren die favorisierte Alternative zur Ölheizung. Wenn wir in die nahe Zukunft sehen, so wissen wir, das sic h auch bei größten Bemühungen nicht alles in ein paar Jahren ändern lässt. Wir haben dazu weder die notwendige Infrastruktur im Bezug auf die Stromversorgung (Verteilernetz) noch die notwendige konstante Stromerzeugung. Also bleiben wir realistisch. Auch in der jetzt beginnenden Phase mit der Erzeugung und Verteilung von grünem Wasserstoff, werden wir wohl auf unser bestehendes Erdgasnetz zugreifen und dies entsprechend ertüchtigen müssen.
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  • helgas
    Gut.... Wenn man am Ende wirklich nur noch die deutsche Umwelthilfe als Kritiker findet, dann haben die Hassfurter anscheinend alles richtig gemacht.
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