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Haßfurt
"Das Klima ist noch intoleranter geworden": Rund 150 Menschen ziehen beim Christopher Street Day durch Haßfurt
Der Verein CSD Haßberge organisierte die Veranstaltung zum zweiten Mal. Das sind die schönsten Bilder der bunten Parade durch die Innenstadt.
Unter dem Motto 'Hass erfassen und aus Haßfurt lassen: Queerer Aktionsplan Bayern jetzt!' zogen die Aktivistinnen und Aktivisten durch die Innenstadt.
Foto: Heiko Becker | Unter dem Motto "Hass erfassen und aus Haßfurt lassen: Queerer Aktionsplan Bayern jetzt!" zogen die Aktivistinnen und Aktivisten durch die Innenstadt.
Christian Licha
 |  aktualisiert: 19.02.2024 14:32 Uhr

Farbenfroh ging es am frühen Samstagabend in Haßfurt zu. Mit bunten Fahnen und Plakaten zogen rund 150 Menschen zum Christopher Street Day (CSD) durch die Altstadt. Vom Marktplatz durch den Unteren Turm, die Promenade und Bahnhofstraße entlang und schließlich durch den Oberen Turm wieder zurück zum Ausgangspunkt, riefen die Teilnehmerinnen und Teilnehmer bei dem angemeldeten Demonstrationszug zu mehr Offenheit und Akzeptanz gegenüber Lesben, Schwulen, Inter- oder Asexuellen und Transgender-Personen auf.

Forderung nach einem Aktionsplan für Bayern

Bereits zum zweiten Mal organisierte der Verein CSD Haßberge mit Vincent Steppert, Theresa Treimer und Jojo Hütter sowie weiteren Helferinnen und Helfern diese Veranstaltung in der Kreisstadt. "Hass erfassen und aus Haßfurt lassen: Queerer Aktionsplan Bayern jetzt!", lautete das Motto in diesem Jahr. "Bayern ist das einzige Bundesland, welches bisher keinen Aktionsplan vorzuweisen hat", sagte Yannick Gremillet als Sprecher des Zusammenschlusses aller 24 CSDs im Freistaat.

Fotoserie

Und wie stehts im Landkreis Haßberge? Hat sich hier etwas getan seit dem ersten CSD im vergangenen Jahr? Vincent Steppert zeichnet eher ein düsteres Bild: "Nach wie vor setzen sich Leute, die nicht selbst betroffen sind, zu wenig oder überhaupt nicht mit queeren Themen auseinander". Emma Neeb, eine CSD-Teilnehmerin aus Haßfurt, setzt sogar noch einen drauf: "Das Klima ist allgemein noch intoleranter geworden." Die 20-Jährige erfährt es oft am eigenen Leib. Keinem üblichen Rollenbild entsprechend trägt die Auszubildende zur Pflegefachkraft in ihrer Freizeit regelmäßig ein alternatives Outfit, passend zu ihrer queeren Lebenseinstellung.

Auf dem Marktplatz präsentierten die Aktivistinnen und Aktivisten eine selbst gestaltete Flagge.
Foto: Heiko Becker | Auf dem Marktplatz präsentierten die Aktivistinnen und Aktivisten eine selbst gestaltete Flagge.

Mit bunten Haaren, sichtbaren Piercings, Springerstiefeln und Kleidung mit politisch linken Statements muss sich Emma Neeb oft blöde oder sogar hasserfüllte Kommentare mancher Mitmenschen anhören, erzählt sie. Zum Beispiel habe eine ältere Dame die junge Frau kurz vor dem Demozug gefragt, was für eine Veranstaltung das sei. Nach einer entsprechenden Erklärung, was der Christopher Street Day bedeutet, habe die Passantin gesagt: "So etwas brauchen wir nicht bei uns auf dem Land, macht das gefälligst in der Großstadt."

Unterschiedliche Erfahrungen im Leben gemacht

Ähnliches erlebt auch Robin Azubueze aus Goßmannsdorf im Landkreis Würzburg. Extra zum CSD gemeinsam mit Freunden mit der Bahn nach Haßfurt gekommen, erzählt der 16-Jährige, das ihn erst neulich im Zug fremde Jugendliche beschimpft haben. Ausschlaggebend für die Anfeindungen waren in dem geschilderten Fall nur die Tatsache, dass er sich eine Regenbogenflagge umgehängt hatte, so der Jugendliche, der damals von der Würzburger CSD-Demo nach Hause fuhr. 

Auf dem Marktplatz waren zahlreiche Institutionen mit Ständen vertreten, an denen sich Interessierte informieren konnten. 
Foto: Heiko Becker | Auf dem Marktplatz waren zahlreiche Institutionen mit Ständen vertreten, an denen sich Interessierte informieren konnten. 

Dagegen hat Ben Wößner aus Karlstadt eher ein positives Stimmungsbild von seinem persönlichen Umfeld. Er outete sich vor einiger Zeit, teilte seiner Familie mit, dass er als geborenes Mädchen eigentlich viel mehr fühlt und denkt wie ein Junge. Seine Familie nahm das gelassen auf und akzeptierte es sofort. Der 18-Jährige vermutet, dass zu der positiven Reaktion beigetragen haben könnte, dass eine Verwandte von ihm lesbisch sei und auch sehr offen damit umgehe. Auch in seiner Schule in Würzburg sei die Akzeptanz bei den Mitschülern größer geworden, so Ben: "Wenn ich erkläre, was 'Queer' bedeutet, sehen das viele Leute positiv." Auch ein so alltägliches Problem wie die Wahl der Damen- oder Herren-Toilette, hat sich mittlerweile zumindest für Ben gelöst: "Wir haben an der Schule jetzt auch eine geschlechtsneutrale Toilette.".

Auf Transparenten teilten die Teilnehmerinnen und Teilnehmer ihre Botschaften.
Foto: Heiko Becker | Auf Transparenten teilten die Teilnehmerinnen und Teilnehmer ihre Botschaften.

Kritik an Abwesenheit der bayerischen Regierungspartei

Bei der Abschlusskundgebung kamen unter anderem auch Vertreter der politischen Parteien zu Wort. So fragte Maximilian Mödl von den Jungen Liberalen der FDP im Landkreis Würzburg die Anwesenden: "Wo ist denn heute Euer CSU-Stimmkreisabgeordneter?" Das Fehlen der bayerischen Regierungspartei bekräftigte den jungen Mann in seiner Meinung: "Die CSU vertritt lieber Menschen über 60 als sich den Interessen der queeren Community anzunehmen". Präsent war dagegen Manuela Rottmann, die Bundestagsabgeordnete der Grünen. Und auch die SPD-Kreisvorsitzende Johanna Bamberg-Reinwand machte der Versammlung auf dem Marktplatz Mut und forderte noch mehr politisches und gesellschaftliches Engagement, damit auch queere Menschen eine noch größere Lobby bekommen.

Lenna Fenn, die den Weg von ihrem Wohnort Würzburg auf sich nahm, um beim Haßfurter CSD dabei zu sein, sieht die Aussagen vieler Parteien kritisch: "Besonders im Wahlkampf werden bei einigen Parteien transfeindliche Themen angesprochen und auch mit problematischer Rhetorik kund getan."  Hass und Angst gegen Queere, insbesondere Transgeschlechtliche, schüre vor allem die AfD, so die Wahrnehmungen der 19-Jährigen. "Aber auch den Parteien, die sich nach außen tolerant und offen zeigen, kann man nicht wirklich glauben", sagt Fenn und führt als Beispiel das geplante Selbstbestimmungsgesetz an, das schon seit einer gefühlten Ewigkeit beraten werde, aber immer noch nicht endgültig beschlossen sei.

Auch wenn in diesem Jahr nur rund die Hälfte Teilnehmer im Vergleich zu 2022 beim CSD Haßfurt dabei waren, gab sich der Vorsitzende Vincent Steppert weiterhin kämpferisch: "Wir zeigen den queeren Menschen bei uns, dass sie nicht alleine sind und wir werden auch in Zukunft in der Öffentlichkeit präsent sein". Auch die Polizei zeigte sich zufrieden: "Die gesamte Veranstaltungen verlief friedlich und ohne Zwischenfälle, auch Gegendemonstrationen gab es keine", sagte Kurt Etzel, der stellvertretende Dienststellenleiter der Polizeiinspektion Haßfurt.

 
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