Es war eine bunte Parade, die am Samstagnachmittag durch die Haßfurter Innenstadt zog. Bis zu 300 Menschen, so die Schätzungen der Polizei, gingen anlässlich des ersten Christopher Street Days (CSD) im Landkreis unter dem Motto "Sichtbarkeit schafft Sicherheit" auf die Straße. Sie alle waren dem Aufruf des erst Ende Juni gegründeten Vereins CSD Haßberge gefolgt. Die Organisatorinnen und Organisatoren sprachen am Abend gar von rund 400 Teilnehmerinnen und Teilnehmern.
"Ich hätte nicht gedacht, dass so viele Menschen kommen", erklärte Vincent Steppert, 18, Vorsitzender des Vereins, bei der Abschlusskundgebung auf dem Marktplatz. Die Aktivistinnen und Aktivisten bekamen an diesem Tag auch Unterstützung aus dem politischen Berlin: Tessa Ganserer, Bundestagsabgeordnete der Grünen, sprach zu den Menschen vor Ort. Die Politikerin wurde in einem männlichen Körper geboren, outete sich aber schon vor Jahren als Frau.
Christopher Street Day – Kampf um Sichtbarkeit
Der CSD, wie er nun auch in Haßfurt stattfand, gilt als Aktionstag von Lesben, Schwulen, Transgender-Personen und Intersexuellen, die das Ereignis nutzen, um für ihre Rechte und gegen Ausgrenzung und Diskriminierung auf die Straße zu gehen.
Sie wollen ein Zeichen zu setzen, so Steppert. Und das sei an diesem Tag gelungen. "Wir sind nicht hier, um einmal hallo zu sagen und dann zu gehen", so der 18-jährige Aktivist. "Wir bleiben, wir verstecken uns nicht mehr!"
Mit "wir" meint Steppert all jene Menschen, die an diesem Tag in Haßfurt erschienen, um sich und ihr Anliegen sichtbar zu machen. Viele trugen Regenbogenflaggen um die Schultern oder farbenfrohe Fahnen im Gesicht. Andere Mitglieder der LGBTIQ-Community warfen sich in Kostüme, trugen mal mehr, mal weniger viele Klamotten. Familien, Eltern mit ihren Kindern, junge und alte Menschen – eine bunte Mischung. Rund zwei Drittel der Menschen hoben die Hand, als Steppert am Mikrofon fragte, wer aus dem Haßbergkreis angereist sei.
"Normalerweise beginnt man mit der Planung einer solchen Veranstaltung ein Jahr vorher", sagte Steppert am Rande des CSD. "Wir haben es in wenigen Monaten gemacht", erklärt der 18-Jährige, der in Sand aufwuchs, in Haßfurt zur Schule ging und inzwischen in Würzburg lebt, mit Blick auf die noch frische Vereinsgründung im Juli. "Natürlich war die Aufregung vorher groß, ob alles klappt", so der Aktivist. Es gelang.
Warum die CSDs im ländlichen Raum besonders wichtig sind
Auf dem Marktplatz hatten neben der FDP auch die Grünen einen Stand aufgebaut. Letztere hatten mit Tessa Ganserer, seit 2021 Mitglied des Deutschen Bundestages, eine prominente Unterstützerin eingeladen. "Es braucht Mut, in einer Kleinstadt wie Haßfurt einen CSD zu organisieren", betonte die Politikerin auf der Bühne. Aber genau hier seien Veranstaltungen wie diese "noch wichtiger" als in den großen Metropolen. Denn auch im ländlichen Räum müsse das sogenannte queere Leben sichtbarer werden, die Akzeptanz steigen.
Dass das weiterhin nicht überall so ist, zeigte sich auch am Rande der Veranstaltung in Haßfurt. Dort hatte sich eine Gruppe mit einem Plakat positioniert, das die Aufschrift "Gott schuf Mann und Frau. Gott plante die Ehe für einen Mann und eine Frau" trug. "Ich finde gut, dass sie da waren", erklärte Vincent Steppert nach der Veranstaltung. So lange alles friedlich bleibe, könne man ins Gespräch kommen. "Und vielleicht haben sie so etwas gelernt", so der Aktivist.
L.G. Martin Dobat Würzburg