In Knetzgau besteht große Nachfrage nach Wohnraum, also wünschen sich viele ein neues Baugebiet. Uneinigkeit besteht allerdings darüber, wie dieses aussehen soll. In der letzten Gemeinderatssitzung führte das laut Schilderung von Ratsmitgliedern und Beobachtern zu einer heftigen Auseinandersetzung. Im Nachgang der Sitzung wird vor allem Kritik an Bürgermeister Stefan Paulus (CWG) laut, dieser habe in der Sitzung geschrien, sich im Ton vergriffen – und damit die Basis für eine gute Zusammenarbeit beschädigt.
Streit um Mehrfamilienhäuser und Parkplatz
Das kritisieren unter anderem Mitglieder der Bürgerinitiative (BI) "für bürgerorientiertes Bauen & Wohnen in der Gemeinde Knetzgau". Sie wollen zwar ein Baugebiet, setzen aber auf Veränderungen im Vergleich zum Vorschlag der Gemeindeverwaltung.
Erstmals vorgestellt wurde ein Plan im November 2020, ausgearbeitet vom Haßfurter Ingenieurbüro Baurconsult. Aus der Bevölkerung kamen daraufhin Anregungen für Veränderungen. Denn in "Höret II" soll neben Einfamilienhäusern größere Mehrfamilienhäuser und Parkflächen entstehen. Der aktuelle Plan der Gemeindeverwaltung sieht vor, den Parkplatz und die Mehrfamilienhäuser in den Süden des Baugebiets zu setzen, direkt neben die bestehenden Häuser.
Nach acht Monaten immer noch der gleiche Plan
Das missfällt einigen Anwohnern des bestehenden Wohngebiets. Zu ihnen gehört Andreas Baier, Sprecher der Bürgerinitiative. "Die Anwohner wollen nicht an einem Großparkplatz wohnen", sagt er. So kam es zum Vorschlag, sowohl den Parkplatz als auch die Mehrfamilienhäuser an den nördlichen Rand zu verlegen, der künftig den äußeren Ortsrand bilden wird.
Nach Gesprächen mit Bürgermeister Paulus hätten die Anwohner auch Hoffnungen gehabt, dass ihre Wünsche berücksichtigt würden. Umso schockierter seien sie dann gewesen, als am 20. Mai in einer Videokonferenz die Gemeinde ihren Plan vorstellte. "Das war der gleiche wie acht Monate zuvor", sagt Andreas Baier. "Auf meine Fragen habe ich keine Antwort bekommen."
Angeblich sind die Pläne bei vielen Bauinteressenten nicht gut angekommen. Diese hätten sich andere Grundstücksgrößen gewünscht, außerdem bestehe kaum Interesse, in ein Reihenhaus zu ziehen – doch gerade die bilden einen Schwerpunkt der Planung. Ein weiterer Kritikpunkt, den Baier anspricht: Der "Quartiercharakter" des Neubaugebiets: Eine gemeinschaftlich genutzte Fläche in der Mitte sei eine Idee für Städte, aber nicht für ein Dorf der Größe von Knetzgau.
Viele Baubewerber, wenig Platz
"Wir haben dann alle Interessensgruppen zusammengebracht und die Bürgerinitiative gegründet", berichtet Baier. "Wir wollen mehr Bürgerbeteiligung. Wir wollen, dass alle Interessen berücksichtigt werden, wenn es ein neues Baugebiet gibt." Dabei sei der aktuelle Fall in Knetzgau der Auslöser, allerdings wollen sich Baier und seine Mitstreiter künftig auch dafür einsetzen, dass in anderen Ortsteilen bei der Planung von Baugebieten die Bevölkerung mehr zu Wort kommt.
Carolin Schuler, Nachbarin von Andreas Baier und ebenfalls Mitglied der BI, erklärt, wie es zum Bebauungsplan für das neue Wohngebiet gekommen sei. "Die Gemeinde ist von mehr Platz ausgegangen. Aber dann haben die Grundstückseigentümer nicht verkauft." So sei das Neubaugebiet kleiner geworden als ursprünglich gedacht, die Zahl an Baubewerbern aber nach wie vor hoch. Deshalb habe der Gemeinderat die Nachverdichtung beschlossen. Sprich: Es sollten Wege gefunden werden, mehr Wohneinheiten auf der nun kleineren Fläche unterzubringen.
Geht es nur um die Interessen von Besserverdienern?
"Das Ziel der Nachverdichtung unterstützen wir", sagt Andreas Baier. Nur mit der Anordnung haben er und seine Mitstreiter ein Problem. Doch der Bürgermeister habe das nicht gelten lassen. In der letzten Ratssitzung, in der es um das Baugebiet ging, habe Paulus sie beschuldigt, sich nur für die Interessen von Besserverdienern einzusetzen, da durch die Änderungsvorschläge mehr Einfamilienhäuser und weniger Mehrfamilienhäuser kämen. Besonders vor den Kopf gestoßen fühlen sich die Gegner des Bebauungsplans von Paulus' Aussage, Gemeinderäte, die den Entwurf der Gemeindeverwaltung ablehnen, seien "unsozial".
Dass diese Aussage des Bürgermeisters gefallen sei, bestätigen auch die Gemeinderätinnen Nina Köberich (Grüne) und Barbara Ullrich (CSU). Auch sie kritisieren Paulus dafür. "Seine Art und Weise im Umgang mit den Gemeindräten lässt darauf schließen, wie wenig ihm unsere Meinung, unser Rat und unsere Argumente wichtig sind", sagt Ullrich. Köberich betont: "Ich stelle mir eine kollegiale Zusammenarbeit anders vor." Beide Gemeinderätinnen sowie Vertreter der Bürgerinititive, die in der Sitzung als Zuschauer dabei waren, kritisieren die Wortwahl des Bürgermeisters.
Kein Kindergarten ohne Baugebiet?
Laut Köberich und Ullrich ist niemand prinzipiell gegen ein Baugebiet. Nur dem aktuellen Entwurf hätten weder die Grünen noch die CSU zustimmen wollen, da kein Vorschlag der Anwohner und der Bürgerinitiative aufgegriffen wurde. "Es kommt so rüber, als gäbe es nur diese eine Variante", bringt Barbara Ullrich ihren Unmut zum Ausdruck.
Nina Köberich und die Vertreter der Bürgerinitiative nennen noch eine weitere Aussage des Bürgermeisters, die auf Unverständnis gestoßen sei: Die Ankündigung, ohne das Baugebiet werde es auch den bereits geplanten Kindergarten in der Nähe nicht geben. Immerhin sei die Nachfrage nach Kindergartenplätzen hoch, der neue Kindergarten sei also selbst dann nötig, wenn keine neuen Wohnhäuser dazukommen.
Der Bürgermeister antwortet auf die Vorwürfe
In einer E-Mail an diese Redaktion begründet Paulus diese Aussage: Die zu erwartenden Kinderzahlen durch das neue Baugebiet seien in die Bedarfsplanungen für den Kindergarten mit eingeflossen. "Kommt das Baugebiet nicht, hat dies natürlich Einfluss auf die Kinderzahlen und der Bedarf muss neu ermittelt werden."
In dieser Mail bestreitet Paulus auch, den Gemeinderat beleidigt zu haben. Die Wünsche der BI seien abgelehnt worden, weil sie nicht umsetzbar seien, für eine genauere Begründung hierzu verweist er ans Planungsbüro. "Insgesamt bewerben sich mehr als 80 Bauwillige für die gut 61 Wohneinheiten, die unterschiedliche Wohnformen beinhalten", schreibt Paulus. "Würden wir die Mehrfamilienhäuser oder die Straßenerschließung umplanen, würde dies zu Lasten der Grundstückzahl gehen." Damit widerspricht er der Aussage der BI, die angibt, durch ihren Alternativplan könnten sogar mehr Wohneinheiten geschaffen werden.
Können Geringverdiener sich die neuen Wohnungen leisten?
Paulus bekräftigt in seiner Mail auch den Vorwurf, die Gegner der bestehenden Pläne seien unsozial. "Verdienen nur Nachbarn mit einem eigenen Haus Respekt, Toleranz und Rücksichtnahme?", fragt der Bürgermeister. "Es werden dort auch Menschen mit geringem Einkommen, Alleinerziehende oder mit Migrationshintergrund leben." Paulus betont, diese Menschen seien ihm wichtig, und fragt, ob sie ausgegrenzt werden sollen, "nur weil es einigen Nachbarn nicht passt?"
Die BI hingegen begründet den Wunsch, diese höheren Gebäude an den Rand des Baugebiets zu verlegen, hingegen mit Schattenwurf. Nina Köberich bezeichnet Paulus Argumentation mit sozialem Wohnungsbau als "Fassade", denn auch die Wohnungen in den Mehrfamilienhäusern seien wohl zu groß für Geringverdiener.
Abstimmung vertagt
Ursprünglich war in der Sitzung eine Abstimmung über das Baugebiet geplant, doch der Bürgermeister zog sie zurück. Paulus' Kritiker vermuten, ihm sei klar gewesen, dass das Vorhaben in der aktuellen Form keine Mehrheit bekommen würde. Stattdessen sind nun alle Kritiker aufgerufen, Alternativvorschläge einzureichen. Die Frist von zwei Wochen finden die Vertreter der BI dafür zwar sehr gering, dennoch haben sie einen Entwurf erarbeitet. "Wir hoffen jetzt, dass mehrere Vorschläge zur Abstimmung vorgelegt werden", sagt Andreas Baier.