Immer wieder gab es mächtig Zoff in der Beziehung zwischen dem 39-jährigen Angeklagten und seiner zwei Jahre jüngeren Freundin, immer wieder kam es dabei zu Handgreiflichkeiten und Gewalt, immer wieder mal war Schluss – und immer wieder versöhnten sich die beiden anschließend lustvoll im Bett. Die Beziehung verlief weitgehend nach dem Motto eines Filmklassikers: "Sie küssten und sie schlugen sich."
Vor ziemlich genau einem Jahr jedoch eskalierte die Situation dermaßen, dass die Frau die Polizei rief. Bei dem Prozess vor dem Amtsgericht Haßfurt machte sich das Ex-Liebespaar heftige gegenseitige Vorwürfe: Sie behauptete, er habe mehrere Male ihren Kopf gegen die Balkonscheibe geschlagen, er versicherte, sie habe ihn beim Liebesspiel in den Penis gebissen. Da es keine Zeugen gab, konnte das Gericht den Sachverhalt nicht aufklären. Das Verfahren endete mit einer Einstellung unter Auflagen.
Polizei stellt Alkoholgehalt von zwei Promille fest
Es war am letzten Wochenende im April 2020, als sich beide – obwohl eigentlich wieder mal Schluss war – in der Wohnung der Frau trafen. Im Laufe des späten Abends und der Nacht warf sie ihn dreimal raus – und ließ ihn jedes Mal erneut rein. Unstrittig war, dass der Angeklagte, wie schon so oft, stark alkoholisiert war. Später stellte die Polizei bei einem Alkoholtest einen Wert von rund zwei Promille fest.
Assistiert von seinem Anwalt Willy Marquardt schilderte der Mann den Verlauf der Nacht aus seiner Sicht. Nach seinen Worten stand die Beziehung "gerade auf der Kippe". Seine Freundin habe jedoch mit ihm reden wollen. Doch das Gespräch sei alles andere als harmonisch verlaufen, denn seine Geliebte habe ihn immer wieder mit Vorwürfen wegen anderen Frauen überhäuft. Als er dann auf der Couch gelegen wäre, hätte die Frau seine Hose geöffnet und mit dem Liebesspiel begonnen. Das aber habe jäh geendet, als sie ihn in den Penis gebissen habe. Da habe er nur noch aus der Wohnung raus gewollt und gewusst: "Das ist nicht die richtige Frau für mich". Auf Nachfrage der Strafrichterin Kerstin Leitsch versicherte der Angeklagte, dass es zu keinen Handgreiflichkeiten gekommen sei.
Ex-Freundin mit dem Kopf gegen die Tür geschlagen?
Eine völlig andere Version beschrieb anschließend die Ex-Freundin im Zeugenstand. Sie erklärte, dass der Angeschuldigte damals in dem Mietshaus mitten in der Nacht die Musik laut aufgedreht hätte. Sie habe ihn daraufhin viermal aufgefordert, zu gehen. Als der Mann partout nicht habe verschwinden wollen und sie als "Schlampe" beschimpft habe, sei sie zu ihrem Telefon gegangen, um die Polizei zu rufen. In dieser Situation habe der Angeklagte sie gepackt und ihren Hinterkopf etwa fünfmal gegen die Balkonscheibe geschlagen. Erst, als ihr zwölfjähriger Sohn von dem Krach aufgewacht sei und den Angreifer von hinten umklammert habe, habe dieser von ihr abgelassen.
Die Frau charakterisierte den Mann als Narzissten, also als jemanden, der an krankhafter Selbstverliebtheit leidet. Sie ließ an ihm kein gutes Haar und berichtete, dass er schon vorher im Vollrausch auf ihre neue Couch gepinkelt hätte. In der fraglichen Nacht sei es zu keinen Intimitäten gekommen, beteuerte sie auf die Frage des Gerichts.
Liebesbrief trotz des Vorfalls?
Eine wichtige Rolle in dem Verfahren spielte ein handschriftlicher Brief, den der Verteidiger dem Gericht vorlegte. Dabei handelte es sich um einen Liebesbrief, den die Frau kurz nach dem Vorfall dem Beschuldigten geschickt hatte. Darin beteuerte sie, dass sie ihn liebe und an ihn glaube. Wörtlich schrieb sie: "Meine Liebe und meine Gefühle für dich sind immer noch vorhanden."
Keinen Widerspruch von Seiten der Staatsanwaltschaft erntete Rechtsanwalt Marquardt, als er meinte, "die Aussagen der Zeugin sind von Anfang bis Ende nichts wert". Die Staatsanwältin verwies jedoch auf das zerrissene T-Shirt der Frau. Dies beweise, dass es doch zu einer Auseinandersetzung gekommen sein musste. Wegen geringer Schuld stellte die Vorsitzende mit Zustimmung aller Beteiligten daraufhin das Verfahren mit der Auflage ein, dass der Mann bis spätestens 30. Juni 2021 500 Euro an das Erich-Kästner-Kinderdorf bezahlen muss.