Petra Goger fasst die aktuelle Lage prägnant zusammen. "Das ist eine Katastrophe, was da abgeht". Sie spricht von der Hotel- und Gaststättenbranche im Allgemeinen, aber auch im Speziellen vom Augsfelder Hotel Goger, dessen Inhaberin sie ist.
Sie wirkt im Gespräch mit dieser Redaktion, das sie gemeinsam mit ihrer im Hotel mitarbeitenden Tochter Katharina führt, teils resigniert, teils kämpferisch. "Man hört immer nur Lockdown, Lockdown. Und es ist ja schon die Rede von einer dritten Welle". Was ihr fehlt, sind irgendwelche Aussichten auf Besserung, auf ein Ende der coronabedingen Einschränkungen. "Viele sind kaputt, oder gehen noch kaputt", befürchtet sie.
Die Gaststätte ist leer, das ist deutlich sichtbar
Das ist für den geneigten Betrachter, der regelmäßig auf der ehemaligen B26 an dem Hotel vorbeifährt, quasi direkt sichtbar. Auf dem großen Parkplatz herrscht gähnende Leere. Die Leere zieht sich auch durch das Innere des schmucken Gebäudes. Wer es betritt, fühlt sich fast wie in einemfrisch verlassenen Lost Place. Theoretisch wäre alles bereit, um Übernachtungsgäste aufzunehmen, Familienfeiern und Tagungen abzuhalten oder einfach nur hungrige Gäste zu bewirten. Doch die 450 Sitzplätze auf dem Gelände sind genauso leer wie die 45 Zimmer mit insgesamt 105 Betten.
Der Deutsche Hotel- und Gaststättenverband DEHOGA spricht in Schätzungen von einem rund 40-prozentigen Minus bei den Übernachtungszahlen in Deutschland. Aktuelle Zahlen hat der Verband derzeit noch nicht vorliegen. Die letzten Zahlen stammen aus dem November, da bezifferte ein DEHOGA-Sprecher den Rückgang auf mehr als 72 Prozent. Zahlen, von denen die Gogers nur träumen können. Ihr Rückgang liegt deutlich darüber, sie sprechen von mehr als 90 Prozent weniger Übernachtungen.
"Man weiß einfach nicht wie es weitergehen soll", sagt Petra Goger. "Wir können noch von unserem Ersparten leben. Aber wie lange noch?", stellt sie eine Frage, auf die es derzeit keine Antwort gibt. Und doch ist alles darauf ausgelegt, dass es irgendwann wieder losgehen kann. Die zehn Mitarbeiter sind zum Großteil in Kurzarbeit, "wir wollen sie ja unbedingt halten".
Mit den von der Politik groß angekündigten Soforthilfen ist Petra Goger auch nicht komplett zufrieden. "Profitiert haben die, die komplett zugemacht haben", sagt sie. Das sind nach DEHOGA-Angaben rund 80 Prozent aller Beherbergungsbetriebe. Das Hotel Goger habe von der im November beantragten Soforthilfe bis Mitte Januar nur eine Teilzahlung erhalten. Ob und wann der Restbetrag eingeht, ist völlig unklar.
Die Hygienekonzepte sind wirksam
Dass den Gastronomie- und Übernachtungsbetrieben erneut diktiert wurde, die Türen zu schließen, können Petra und Katharina Goger nicht nachvollziehen. "Wir haben alles gemacht, was von uns gefordert wurde". Damit meinen die beiden die ausgeklügelten Hygienekonzepte, die sie auch für ihr Haus erstellt haben. Für die beiden "ist die Gastronomie nicht schuld, dass die Zahlen gestiegen sind". Als Indiz werten sie, dass die Infektionskurve auch nach dem 2. November, als die Anordnung der Regierung für den zweiten Lockdown in Kraft trat, weiter massiv gestiegen sei.
Allen Widrigkeiten zum Trotz versucht Familie Goger, den Betrieb so weit wie möglich am Laufen zu halten. Aber selbst Dinge wie "Essen to go" seien "nur ein Tropfen auf den heißen Stein". Der Kuchen verteile sich auf viele Schultern, denkt Petra Goger an das breite Angebot der Konkurrenz aus regionaler, nationaler und internationaler Küche. "Da bleibt für den Einzelnen wenig übrig".
Das nicht vorhandene Weihnachtsgeschäft schmerze in dem Augsfelder Betrieb heftig. Einer sonst erklecklichen Anzahl servierter Gerichte stand um die Feiertage nur ein verschwindend geringer Anteil an Essensabholungen gegenüber. Was Petra Goger aus Sicht ihrer Gäste nachvollziehen kann. In Zeiten von Kurzarbeit, die viele Menschen treffe, werde eben mehr auf die Finanzen geachtet, dazu sei mehr Zeit vorhanden, und durch die Kontaktbeschränkungen hätten sich auch die Mengen verringert, sodass die heimischen Küchen für das Weihnachtsessen ausgereicht hätten.
Dieses Phänomen beobachten Petra und Katharina Goger nicht nur an Weihnachten, sondern beispielsweise auch bei Familienfeiern. "Bei der Kommunion wird jetzt eben das Wohnzimmer ausgeräumt", anstatt eine Räumlichkeit in einem Gatronomiebetrieb zu buchen. Zu viele Unzulänglichkeiten beinhalte eine solche Planung. Findet die Kommunion überhaupt statt? Wenn ja, wie viele Gäste dürfen kommen? Und dürfen die alle überhaupt gemeinsam Essen gehen?
Mit gutem Beispiel voran
Petra Goger hat Verständnis für ihre Gäste, daher hat sie alles, was gebucht war, kostenfrei storniert. Solche Flexibilität würde sie sich auch von Behörden oder anderen Geschäftspartnern wünschen. Dass das nicht immer der Fall ist, hat Katharina Goger am eigenen Leib erfahren. Sie hatte für vergangenen Sommer ihre Hochzeit geplant – diese angesichts der Corona-Pandemie aber um ein Jahr verschoben. Das Standesamt habe aber darauf bestanden, die Anmeldegebühr zweimal zu erheben. Einmal für den ursprünglichen Termin 2020, und das zweite Mal für den Termin 2021. "Das finde ich nicht richtig", drückt es die 31-Jährige vorsichtig aus.
Von einem anderen Beispiel berichtet ihre Mutter. Das Hotel Goger habe mit einem bundesweit agierenden Unternehmen aus der Sanitätsbranche einen Vertrag, der gegen ein pauschales monatliches Entgelt die Versorgung mit Hygiene- und Kosmetikartikeln und der dazugehörigen Infrastruktur übernimmt. Auf Verhandlungen, die monatliche Pauschale zumindest während des Lockdowns zu kürzen, habe sich das Unternehmen nicht eingelassen. Den Vertrag kündigen, sei auch keine wirkliche Option. Tue sie das, müssten zum Beispiel sämtliche Seifenspender abgebaut werden, "und ich habe in 45 Zimmern Bohrlöcher in der Wand".
Langsam geht es an die Ersparnisse
Das sei aber nur ein kleines Beispiel der laufenden Kosten, die trotz eingeschränktem Betrieb voll laufen. "Es ist wirklich nicht einfach, das Geld geht trotzdem raus", sagt die 52-Jährige. "Zum Glück haben wir vorausschauend gewirtschaftet". Aber so langsam gehe es ans Ersparte. "Das, was wir für später zurückgelegt haben, wird jetzt dazu verwendet, die Löcher zu stopfen".
Obwohl Petra Goger sehr entschlossen und kämpferisch wirkt, blickt sie mit bangen Gedanken in die Zukunft. "Ich befürchte, so wie es war, wird es nie mehr werden." Schon jetzt habe sie deutlich negative Signale von Stammkunden erhalten. Von Firmen, die bislang regelmäßig Tagungen und Meetings, zum Teil über eine ganze Woche, in Augsfeld abhielten, gebe es schon jetzt Andeutungen, dass auch nach Corona mehr online stattfinden wird. "Da wird massiv rationalisiert."
"Für uns ist das eine sehr schwere Zeit", sagt Petra Goger. "Wir sind so flexibel, wie wir sein können." Sie hofft einfach, dass "die Leute wieder kommen", wenn sie das denn dürfen. Ob das der Fall sein wird? Sie weiß es nicht. "Das Schlimme ist, dass kein Ende absehbar ist. Ich hoffe, nicht nur für uns, sondern auch für unsere Kollegen, dass irgendwann mal wieder die Sonne scheint".