
Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Tierheims in Zell haben derzeit alle Hände voll zu tun. Zu verdanken haben sie das einerseits einer gewissen Zahl an Aufzuchttieren. Das sind verwaiste Wildtiere, die ohne Versorgung im Tierheim nicht überleben würden. Andererseits gab es in den vergangenen Monate mehrere Fälle, in denen das Heim Tiere aus schlechten Haltungsbedingungen aufnehmen musste.
"Dann sind wir echt ins Schlittern gekommen", sagt Britta Merkel, Vorsitzende der Tierschutzinitiative Haßberge und Leiterin des Tierheims in Zell. In der vergangenen Woche musste sich das Tierheim nach einer Wohnungsräumung um 27 Katzen kümmern – nur der jüngste Fall von vielen, bei dem die Tierschützer eine große Zahl an Kreaturen aus der Qual-Haltung gerettet haben.
Tierheime sind untereinander gut vernetzt
Im Januar hatte das Tierheim auf einen Schlag 40 Maine-Coon-Katzen (US-amerikanische Hauskatze) aufnehmen müssen. Im Juni wurden dann 70 Meerschweinchen gerettet – eine "Mammut-Aktion", wie das Tierheim in einer Pressemitteilung schreibt; und kein schöner Anblick, denn zwischen den 70 auf engstem Raum lebenden Tieren lagen bereits 20 tote Meerschweinchen. Und schließlich mussten die Tierschützer im Juni nach einer Hausräumung noch verschiedene Exoten aufnehmen. Darunter waren unter anderem Leopardengeckos, eine Bartagame und eine Wasserschildkröte.
Geholfen habe es bei diesen Aktionen, dass Tierheime untereinander meist gut vernetzt sind. So kann beispielsweise nach Fällen von krankhafter Tiersammel-Sucht (Animal Hoarding) die große Zahl an geretteten Tieren auf mehrere Tierheime in der Region verteilt werden.

Zur Frage, wie häufig es vorkommt, dass Behörden Tiere beschlagnahmen, weil diese nicht artgerecht gehalten werden, erklärt das Veterinäramt auf Anfrage der Redaktion: "Manchmal drei bis vier mal im Jahr, manchmal auch gar nicht." Aufmerksam werde die Behörde auf solche Fälle unter anderem durch Anzeigen von Nachbarn oder Bekannten, durch eigene Kontrollen oder durch Kontrollen der Polizei. "Im aktuellsten Fall aufgrund einer Räumung durch den Gerichtsvollzieher", heißt es in dem Schreiben der Behörde.
Wann darf das Veterinäramt Tiere wegnehmen?
Wer ein Tier hält, muss es laut Tierschutzgesetz "seiner Art und seinen Bedürfnissen entsprechend angemessen ernähren, pflegen und verhaltensgerecht unterbringen". Sollte das nicht gegeben sein, darf das Veterinäramt eingreifen und dem Halter die Tiere "fortnehmen und so lange auf dessen Kosten anderweitig pfleglich unterbringen, bis eine den Anforderungen entsprechende Haltung des Tieres durch den Halter sichergestellt ist", heißt es im Tierschutzgesetz. Sollte dem Halter eine artgerechte Haltung auch auf längere Sicht nicht möglich sein, kann die Behörde das Tier veräußern und dem Halter untersagen, künftig Tiere einer bestimmten Art zu halten.
Wie das Veterinäramt mitteilt, sind die Hürden für die Anwendung dieser Paragraphen allerdings hoch. "Die Tiere müssen erheblich vernachlässigt sein oder schwerwiegende Verhaltensstörungen aufweisen", heißt es im Schreiben der Behörde. Sollte eine solche Situation gegeben sein, stünden dem Veterinäramt härtere Mittel zur Durchsetzung zur Verfügung: Bei Gefahr im Verzug gibt es ein Betretungsrecht, "notfalls kann die Polizei hinzu geholt werden, wenn eine mündliche Anordnung nicht befolgt wird".
Die Motive für schlechte Tierhaltung sind sehr vielfältig
Doch was treibt einen Menschen dazu, Tiere zu kaufen oder zu züchten, die er nicht einmal ansatzweise artgerecht halten kann? "Die Motive sind sehr unterschiedlich. Jeder Fall ist anders", heißt es aus dem Veterinäramt. Die Bandbreite reiche von Tiermessis über Menschen mit psychischen Problemen bis hin zu Personen, die mit der Tierhaltung überfordert sind. Oft fehle die Bereitschaft, das Verhalten zu ändern, so dass es zu Aussagen komme wie: "Wir haben unseren Hund schon immer angekettet." Außerdem gebe es Personen, die finanzielle Probleme haben, aber ihre Tiere nicht aufgeben wollen, Landwirte, die es nicht mehr schaffen, alle Tiere zu versorgen, und auch Menschen, die das Problem überhaupt nicht wahrnehmen. Und schließlich gebe es auch Züchter, die Tiere, die sie verkaufen wollen, unter schlechten Bedingungen halten – hier nennt das Veterinäramt als Beispiel den immer stärker werdenden Online-Handel.

Den sieht auch Tierheim-Leiterin Britta Merkel als Problem, vor allem, weil er weiter dazu beitrage, dass Menschen sich Haustiere kaufen, ohne sich vorher ausreichend Gedanken über eine artgerechte Haltung zu machen. "Wenn man auf eBay kuckt, findet man ja fast alles", sagt Merkel.
Corona: Gibt es Probleme mit "Lockdown-Haustieren"?
Ganz anders seien da die Menschen, die sich für ein Haustier aus dem Tierheim interessieren. "Das Publikum, das ich hier habe, ist super", sagt Merkel. Sprich: Den Leuten ist es wichtig, dass es den Tieren gut geht, und sie informieren sich, was dafür nötig ist. Sollte sich doch mal jemand aus einer Laune heraus für ein Tier interessieren, ohne zu wissen, auf was er sich einlässt, wird er es zumindest im Tierheim nicht bekommen – dafür werde zu genau kontrolliert und nachgefragt.
Unüberlegte Haustier-Käufe sind auch in Corona-Zeiten ein Thema geworden. In anderen Tierheimen sei es bereits so weit, dass vermehrt Tiere abgegeben werden, die sich Menschen im Homeoffice zugelegt haben, die nun feststellen, dass ihnen nach dem Ende des harten Lockdowns doch die Zeit für die neuen Mitbewohner fehlt. Merkel berichtet, es habe dazu auch schon eine Umfrage des Deutschen Tierschutzbundes gegeben. "Wir merken noch nichts davon", sagt sie. Sie kann sich aber vorstellen, dass das Problem in den Ferien auf ihr Tierheim zukommt.
Wildtiere im Tierheim?
Neben herrenlosen Haustieren ist derzeit auch eine große Zahl an Wildtieren im Tierheim. So kümmern sich Merkel und ihre Mitstreiter nicht nur um Katzen, Hunde oder Meerschweinchen, sondern auch um Waschbären, Rehböcke, ein Eichhörnchen, die Taube, einen Mauersegler, einen Marder und einen Igel.

Aber ist es eigentlich Aufgabe eines Tierheims, sich um verwaiste Wildtiere zu kümmern? "Prinzipiell muss ein Tierheim das nicht. Aber wir haben es in unserer Satzung stehen", sagt Merkel. In der Öffentlichkeit ist diese Vorgehensweise umstritten: Es gibt durchaus auch Stimmen, die fordern, Wildtiere, die verletzt aufgefunden werden, sterben zu lassen – es sei nun einmal der Lauf der Natur, dass nicht jedes Tier überlebt.
Doch Britta Merkel berichtet, oft komme es eben vor, dass Passanten ein hilfloses Tier finden. "Die gehen dann auch nicht dran vorbei." Wenn solche Tiere dann im Tierheim vorbeigebracht werden, könne ein Tierschutzverein ja kaum die Hilfe verweigern. Oft seien es sogar Jäger, die verwaiste Tiere ins Tierheim bringen, obwohl diese ja sogar das Recht zu einem "Gnadenschuss" hätten. Auf diese Art sei die Tierschutzinitiative unter anderem schon zu Rehen gekommen, sowie zu einem der Waschbären, die momentan in Zell leben.