Der Waschbär polarisiert. Manche würden ihn am liebsten bei jeder sich bietenden Gelegenheit bekämpfen, andere plädieren für ein friedliches Zusammenleben. Und einige finden ihn einfach nur possierlich und sogar zum Knuddeln. Genauso starke Gegensätze gibt es auch bei seiner Verbreitung. Ein vor rund zwei Jahren vom Bayerischen Jagdverband durchgeführtes Waschbär-Monitoring zeigte in Unterfranken deutliche Unterschiede. Während im Raum Haßberge damals nur drei der kleinen Raubtiere anzutreffen waren, waren es Richtung Hessen zusehends mehr. Im Kreis Schweinfurt wurden schon 35 Waschbären ausgemacht, im Raum Bad Kissingen gar 468 Exemplare. Seit dem Monitoring dürften sich die Populationen kaum verkleinert haben dürften.
Förster Thomas Hefter: "Schnapsidee"
Die Jäger im östlichen Unterfranken sind bei dem Thema relativ gelassen. Thomas Hefter aber, der aus Hofheim im Landkreis Haßberge stammt und vier Jahrzehnte Erfahrung als Revierförster im Spessart hat, lässt kein gutes Haar an dem Pelztier. In seinem Revier habe es Schäden in Höhe von Tausenden von Euro angerichtet und zahlreiche Biotope verwüstet. Für den Spessartförster ist es absolut unbegreiflich, wie man auf die "Schnapsidee" kommt, am Tierheim des Landkreises Haßberge im Knetzgauer Gemeindeteil Zell für "solche Schädlinge" gar ein Gehege zu errichten.
Grünes Licht von den Behörden
Britta Merkel, Vorsitzende der Tierschutzinitiative Haßberge, plant genau dieses. Und sie hat bereits grünes Licht von den Behörden dafür bekommen. Die Tierheimleiterin hatte vor einigen Monaten die verwaisten Waschbär-Babys Matze und Ivy aus einem Privathaushalt in Schweinfurt übernommen und zunächst zu Hause mit der Flasche aufgezogen. Als die Unterbringung dort nicht mehr möglich war, kam Merkel auf die Idee, ein artgerechtes Gehege auf dem Gelände des Tierheims in Zell zu errichten.
Entgegen kam ihr dabei die Initiative des Tierschutzbundes Bayern, in ausgewählten Tierheimen als Pilotprojekt Möglichkeiten zur artgerechten dauerhaften Unterbringung von Waschbären zu schaffen. Eine dieser neuen "Haltungen unter Verschluss", so nennt es der Tierschutzbund, soll neben dem Tierheim am Radweg entstehen.
Geplant ist ein 120 Quadratmeter großes Gehege mit vier Abteilungen, in dem bis zu zehn Waschbären Unterschlupf finden können, so die Vorsitzende vor den Vertretern des Zweckverbandes "Fundtier Landkreis Haßberge". Als Träger ist dessen Zustimmung für den Bau erforderlich. Für die vier Abteile sieht Merkels Plan Wasserbecken, Wasserlauf sowie Gebüsche und Bäume vor. Nach oben hin soll das Gehege offen sein, Bleche sollen verhindern, dass die Tiere herausklettern können. Das Gehege werde nicht nur für Waschbären, sondern wenn nötig auch für andere Wildtiere genutzt werden, so die Tierheimleiterin.
Pilotprojekt hin, Zustimmung der Behörden her - das Projekt ist im Landkreis Haßberge umstritten. Das zeigte sich schon, als Merkel die Mitglieder des Zweckverbandes bei einer Bürgermeisterversammlung darüber informierte. Günther Werner, Bürgermeister der Kreisstadt Haßfurt, wurde deutlich: "Das ist das Privatvergnügen von Britta Merkel. Es ist nicht unsere Aufgabe, am Tierheim solche Wildtiere ein Leben lang unterzubringen."
Werners Widerstand kommt nicht von ungefähr. Seit 2014 ist der Waschbär europaweit als invasive Art eingestuft, die bekämpft und deren Population dezimiert werden soll. Dazu wurde eigens eine EU-Verordnung erlassen - samt Haltungs- und Zuchtverbot. Ferner dürfen Waschbären, die sich irgendwo in Obhut des Menschen befinden, nicht ausgewildert werden.
Pilotprojekt der Tierschutzbundes Bayern
Ein Dilemma für Britta Merkel. Denn wenn sie ihre beiden kleinen Waschbären, sobald sie ausgewachsen sind, vor die Türe setzen würde, würde sie sich strafbar machen. Durch die laut EU-Verordnung erlaubte und ausdrücklich erwünschte Bejagung der Pelztiere kommt es immer wieder vor, dass Muttertiere erschossen werden. In vielen Fällen landen die Jungtiere dann in einem Tierheim, das zumeist aber für die artgerechte Haltung nicht ausgerüstet ist. Der Tierschutzbund Bayern stellt deshalb auf seiner Homepage die Frage: "Wohin mit den liebenswerten Rackern?" Und gibt selbst gleich die Antwort: Er verweist auf das geplante Projekt des Landesverbandes, zu dem nun auch der Landkreis Haßberge gehört.
Keine kommunalen Mittel für Bau oder Betrieb vorgesehen
Der Tierschutzbund lässt sich das Waschbär-Projekt im Tierheim Haßberge einen Zuschuss in Höhe von 10 000 Euro kosten. Den Rest in etwa gleicher Höhe muss die Tierschutzinitiative aus Spendenmitteln drauflegen. Dieter Möhring, Vorsitzender des Zweckverbandes, stellt klar: "Es werden keine kommunalen Mittel in den Bereich Waschbärgehege fließen. Weder für die Errichtung, noch für den Betrieb." Selbst ein Rückbau - Waschbären werden in Gefangenschaft immerhin bis zu 20 Jahre alt - wäre laut Möhring nicht Sache des Zweckverbandes.
Behördlich genehmigt und überwacht
Wegen der Einstufung des Waschbären als "Gefahr für heimische Wildtiere", wie der Tierschutzbund selbst auf seiner Webseite schreibt, verabschieden die Vereinsvorsitzende, der Zweckverbandsvorsitzende und Amtsveterinärin Dr. Simone Nowak auf Anfrage dieser Redaktion eine gemeinsame Erklärung: Die "Haltung unter Verschluss" orientiere sich am Maßnahmenplan des Landesamtes für Umwelt, das in Bayern für die Umsetzung der EU-Richtlinie zuständig sei: "Natürlich wurde das Vorhaben im Vorfeld mit den zuständigen Naturschutz-, Jagd- und Veterinärbehörden abgestimmt und geprüft", so die Stellungnahme von Merkel, Möhring und Nowak. "Es ist somit behördlich genehmigt und überwacht."
Die Befürchtungen besorgter Bürger, die Waschbären könnten den für Menschen mitunter tödlichen Spulwurm oder die für Hund und Katze tödliche Staupe übertragen, halten Merkel und Nowak nicht für begründet. Alle im Tierheim Haßberge gehaltenen Tiere unterlägen den nötigen Quarantänemaßnahmen und somit auch einer ersten Impfung und Entwurmung. Die Waschbären würden auch anschließend regelmäßig entwurmt und geimpft, "ferner haben die im Gehege gehaltenen Waschbären zu den Insassen der Hunde- und Katzenzwinger keinen Kontakt".
Bauern und Winzer habe andere Sorgen
Zurückhaltend äußert sich Klaus Merkel vom Bauernverband: "Solange sich der Waschbär in seinem Zwinger aufhält", sei er für die Landwirte kein Problem. Lakonisch fügt der Kreisobmann an: "Für uns ist derzeit die Afrikanische Schweinepest wichtiger." Ähnlich sieht es der Ziegelangerer Winzer Max Martin: "Bis jetzt haben wir kein Problem mit den Waschbären. Unser Problem sind eher die Rehe, die unsere Träuble fressen."
Auch Egon Frank als Vorsitzender des Jagdverbandes in den Haßbergen hat nichts gegen den Waschbären. "Wenn der in seinem Gehege sitzt, können sich die Bürger einmal anschauen, wie so ein Tier aussieht." Von der Bejagung des Tieres nur um der Jagd willen will Frank nichts wissen: "Wir schießen nicht Tiere und schmeißen sie dann irgendwohin." Er glaube auch nicht, dass durch den Bau des Geheges die Zahl der Waschbären im Landkreis in die Höhe gehen würden.
Ivy und Matze können im Landkreis Haßberge also trotz aller Polarisation und teils heftigen Gegenwinds wohl bald in einer 120 Quadratmeter großen Unterkunft am Zeller Tierheim aufwachsen und alt werden.
Sollen dann in 10 Jahren etwas hunderte Waschbären in Knetzgau heimisch werden?
Ein großes Problem ist die bereits anfangs erwähnte "Possierlichkeit" bzw. "Knudelligkeit" oder der Begriff "liebenswerte Racker". Wären die Tiere giftig oder wären auf andere Art und Weise für Menschen gefährlich (Krankheitserreger) oder würden aussehen wie Spinnen oder Skorpione wäre die Lobby sicher nicht so groß!
Eine intensive Bejagung dieser Tiere ist ausdrücklich erwünscht, auf der anderen Seite sorgt man sich dann um Jungtiere... - hier wird der einheimische Tierschutz von einigen wieder durch die rosarote Brille betrachtet bzw. ist man gleich ein Unmensch wenn man sich traut die Problematik anzusprechen.