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Landkreis Haßberge
"Arbeitsgelegenheiten" im Landkreis Haßberge: Asylbewerber sollen künftig gemeinnützige Arbeiten verrichten
Landrat Wilhelm Schneider hat angekündigt, dass der Landkreis in den kommenden Wochen entsprechende Angebote machen will. Was genau steckt dahinter?
Die Einsatzmöglichkeiten für Asylbewerber im Rahmen der Arbeitsgelegenheiten sind vielfältig.  Auch die Beseitgung von Laub auf öffentlichen Plätzen kann dazugehören.
Foto: Laszlo Ruppert (Symbolfoto) | Die Einsatzmöglichkeiten für Asylbewerber im Rahmen der Arbeitsgelegenheiten sind vielfältig.  Auch die Beseitgung von Laub auf öffentlichen Plätzen kann dazugehören.
Martin Sage
 |  aktualisiert: 31.12.2024 02:38 Uhr

Sie könnten zum Beispiel Unkraut oder Laub von öffentlichen Plätzen entfernen, Schnee auf Gehwegen räumen, beim Möbeltransport zupacken oder bei der Instandsetzung von Kinderspielplätzen helfen: Der Landkreis Haßberge wird in den nächsten Wochen Asylbewerberinnen und Asylbewerbern gemeinnützige Arbeitsgelegenheiten anbieten. Das kündigt Landrat Wilhelm Schneider in seinem Weihnachts- und Neujahrsgruß an. Diese Beschäftigungen, so der CSU-Politiker, "stärken das Selbstwertgefühl, schaffen Tagesstruktur und ermöglichen den Kontakt zu Einheimischen." Doch was genau steckt hinter diesen "Arbeitsgelegenheiten" nach dem Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG)? Hier die Antworten auf die wichtigsten Fragen:

Was ist der Hintergrund?

Ende 2023 haben Bundesregierung und Länder beschlossen, mehr Arbeitsmöglichkeiten für Leistungsberechtigte nach dem Asylbewerberleistungsgesetz zu schaffen: Konkret gemeint sind "gemeinwohlorientierten Tätigkeiten" etwa im kommunalen Bauhof, in der Landschaftspflege oder in Sport- und Freizeiteinrichtungen. Den Rahmen für diese Tätigkeiten steckt das AsylbLG ab, Genaueres regelt hier der Paragraf 5. Die Arbeit soll sinnstiftend und tagesstrukturierend sein, aber auch die Toleranz in der Bevölkerung gegenüber Geflüchteten erhöhen.

Wer kommt für die Arbeitsgelegenheiten in Frage?

Jede Person, die Leistungen nach dem AsylbLG bezieht, kommt grundsätzlich für die gemeinnützige Arbeit in Frage. Das betrifft Asylbewerberinnen und -bewerber aus allen Herkunftsländern, über deren Asylantrag noch nicht oder bereits negativ entschieden wurde, teilt das Landratsamt Haßberge auf Anfrage der Redaktion mit. Und auch ukrainische Geflüchtete gehören dazu, "die ihren Lebensunterhalt nicht aus eigenen Kräften sicherstellen können und deren Aufenthaltsrecht von der Ausländerbehörde noch nicht abschließend festgestellt wurde".

Wo genau kann der betroffene Personenkreis eingesetzt werden?

Laut einem Leitfaden des Bayerischen Innenministeriums zu den Arbeitsgelegenheiten sind hier Tätigkeiten innerhalb von Aufnahmeeinrichtungen für Geflüchtete (Anker-Zentren), Gemeinschaftsunterkünften und dezentralen Unterkünften gemeint, die  insbesondere "der Aufrechterhaltung und dem Betrieb der Einrichtungen" dienen. Ferner fordern Politik und Gesetzgeber alle staatlichen, kommunalen und gemeinnützigen Träger auf, entsprechende Arbeitsmöglichkeiten anzubieten. Um welchen Job auch immer es sich handelt, er muss zwingend gemeinnützig sein. "Der Einsatz von Arbeitsgelegenheiten bei privatwirtschaftlichen Unternehmen ist ausgeschlossen", macht das Innenministerium klar. 

Gibt es Geld für den Job?

Für jede geleistete Arbeitsstunde erhält die Arbeitskraft eine pauschale Aufwandsentschädigung von 80 Cent. Im Einzelfall kann die Entschädigung höher ausfallen, wenn die betroffene Person zum Beispiel Fahrtkosten geltend macht. Die Aufwandsentschädigung gilt nicht als anzurechnendes Einkommen, sie wird im Monat der Auszahlung folglich zusätzlich zu den weiteren Leistungen nach dem AsylbLG bezahlt. Zuständig für die Auszahlung sind die Landkreise und kreisfreien Städte, die das Geld vom Land zurückerstattet bekommen. 

80 Cent: Das ist der Stundenlohn für Geflüchtete, die im Rahmen der "Arbeitsgelegenheiten" gemeinnützige Arbeit verrichten.
Foto: Martin Sage | 80 Cent: Das ist der Stundenlohn für Geflüchtete, die im Rahmen der "Arbeitsgelegenheiten" gemeinnützige Arbeit verrichten.

Beruhen die Arbeitsgelegenheiten auf Freiwilligkeit?

Nein, wer nach dem AsylbLG für die Tätigkeiten in Frage kommt, kann dazu verpflichtet werden. Ausgeschlossen sind Personen, die als nicht arbeitsfähig eingestuft sind, die bereits einer Erwerbstätigkeit nachgehen oder noch im schulpflichtigen Alter sind. Umgekehrt hat niemand Anspruch auf eine Arbeitsgelegenheit. Es sind wiederum die Landratsämter oder kreisfreien Städte, die prüfen, ob eine Asylbewerberin oder ein Asylbewerber die Voraussetzung für den Job erfüllt. Wer die Tätigkeit unbegründet verweigert oder abbricht, dem drohen Leistungskürzungen. Die Anbieterinnen und Anbieter der Arbeitsgelegenheiten haben Beschäftigungsnachweise zu führen. 

Wie viele Stunden pro Woche dürfen die Beschäftigten arbeiten?

Laut bayerischem Innenministerium sind bis zu 20 Wochenstunden "in jedem Fall zulässig", obwohl es keine feste Unter- und Obergrenze gebe. Die Arbeit solle einerseits zeitlich und räumlich so gestaltet sein, dass sie stundenweise ausgeübt werden kann, andererseits aber nicht den Volleinsatz einer Arbeitskraft erfordern. Desweiteren: Arbeitsgelegenheiten begründen kein Beschäftigungsverhältnis im Sinne von Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung und keine Anwartschaft auf Arbeitslosenversicherung; die Beschäftigten fallen aber im Rahmen ihrer Tätigkeit in die gesetzliche Unfallversicherung.

Gibt es breiten gesellschaftspolitischen Konsens zu den Arbeitsgelegenheiten?

Das Modell der Arbeitsgelegenheiten ist nicht unumstritten. Tareq Alaows etwa, der füchtlingspolitische Sprecher von Pro Asyl, kritisiert auf der Homepage des Vereins, es sei rassistisch und menschenverachtend, zu suggerieren, "dass Geflüchtete arbeitsunwillig seien, die man jetzt zur Arbeit unter ausbeuterischen Verhältnissen zu 80 Cent pro Stunde verpflichten müsse – während viele von ihnen schlichtweg nicht arbeiten dürfen". Aus Reihen der Linken heißt es, 80-Cent-Jobs für Geflüchtete seien schäbiger als schäbig. Die Partei befürchtet, dass die billigen Arbeitskräfte dazu missbraucht werden, Tarifverträge und Mindestlöhne zu unterlaufen und sie in die Rolle von Lohndrückern zu drängen. 

Was sagt der Landrat zur Kritik an dem Modell?

Wilhelm Schneider verweist auf die Gemeinnützigkeit der Arbeit, eine Konkurrenzsituation etwa mit Handwerksbetrieben komme dadurch gar nicht erst zustande. An den 80 Cent Stundenlohn könne der Landkreis nichts ändern, die seien gesetzlich vorgegeben. Außerdem müsse man bedenken, dass es sich um eine Aufwandsentschädigung handele, die zu einer bestehenden Leistung hinzukomme. "Die Geflüchteten können damit auch ein wichtiges Signal senden, dass sie sich in die Gesellschaft einbringen", meint der Landrat mit Blick auf manche Vorbehalte, die es gegen Asylbewerberinnen und Asylbewerber gibt. Schneider kann sich auch vorstellen, dass sich mancher Geflüchtete über die Arbeitsgelegenheit für den ersten Arbeitsmarkt empfiehlt.

Kann das Landratsamt Beispiele für den künftigen Einsatz nennen?

Landratsamtssprecherin Moni Göhr erwähnt den Caritasverband für den Landkreis Haßberge, "bei dem Flüchtlinge mit besseren Deutschkenntnissen als Dolmetscher für einfache Angelegenheiten unterstützend tätig werden". Oder eben Gemeinden, bei denen Geflüchtete den Bauhof bei der Pflege und Instandhaltung von Spielplätzen oder Freizeiteinrichtungen entlasten. 

Arbeitsgelegenheiten für Geflüchtete: Beispiele für den Einsatz

Das bayerische Innenministerium nennt in seinem "Leitfaden Arbeitsgelegenheiten nach § 5 Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG) bei staatlichen, kommunalen oder gemeinnützigen Trägern" folgende mögliche Einsatzbereiche und Tätigkeiten für Geflüchtete:
Landschaftspflege: zum Beispiel Unkrautbeseitigung, Unterstützung bei Reinigungsarbeiten wie etwa Beseitigung von Unrat oder Laub;
Wegebau: zum Beispiel Pflege von Fuß-, Rad- und Wanderwegen;
Werkstätten: zum Beispiel Reparatur von gespendeten Altfahrrädern, Möbelaufbereitung und Möbeltransporte;
Umwelt- und Naturschutz: zum Beispiel Pflege und Erhalt der Randbereiche von Bächen und Flüssen, Erhalt von Moorgebieten, Anlage und Pflege von bienenfreundlichen Blühstreifen und Streuobstwiesen; 
Umfelderhaltung: zum Beispiel Unterstützung der Vorbereitungsmaßnahmen für die Verschönerung der Außenanlagen an Schulen und Kindertagesstätten; 
Soziales: zum Beispiel Sprachmittlung, einfache und unterstützende Tätigkeiten bei der Tagesstrukturierung von betreuungsbedürftigen älteren Menschen; 
Sport- und Freizeiteinrichtungen: zum Beispiel Beseitigung von Unrat;
Kommunale Einrichtungen: zum Beispiel einfache Tätigkeiten im Bauhof oder Wertstoffhof, Einsatz bei der Pflege von Grünanlagen und im Gartenbau;  
Arbeitseinsätze bei unvorhersehbaren Ereignissen wie Naturkatastrophen: zum Beispiel Aufräumarbeiten, Mithilfe bei der Unterstützung von obdachlos gewordenen Menschen, Schneeräumen. 
Quelle: Bayerisches Staatsministerium des Innern, für Sport und Integration
 
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Kommentare
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  • Traudel Goodrick
    Ich denke es ist wichtig ,die Menschen in irgendeiner Form
    zu beschäftigen.
    Da fällt kein Zacken aus
    der Krone , geben und nehmen!!
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  • Stefan Wolz
    Weiter so. Es müsste eine Arbeitspflicht geben. Und nicht nur für Asylbewerber sondern auch für Bürgergeldempfänger egal ob aus der Ukraine oder Deutschland. Wie oben geschrieben, wer hier von Steuergeldern lebt, sollte auch was zurück geben. Schließlich beziehen viele Sozialleistungen und habe noch keinen Cent einbezahlt.... Ist doch klar dass dann unser Gesundheitssystem dann pleite geht. Aber es wird ja in eine dringende Krankenhausreform verpackt.
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  • Dietmar Eberth
    Asylsuchende erhalten in den ersten 36 Monaten nur notwendige und unaufschiebbare Behandlungen
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  • Dietmar Eberth
    Hoffentlich geht die neue Regierung auch verstärkt gehen Schwarzarbeit in den letzten Jahren um 40% auf 480 Milliarden Euro gestiegen), Steuerhinterziehung und Sozialbetrug vor dem Staat und den Sozialkassen entgehen dadurch jährlich mehr als 200 Milliarden Euro!!

    https://www.focus.de/finanzen/steuern/schwarzarbeit-steuerhinterziehung-sozialleistungen-113-milliarden-euro-pro-jahr-haerterer-kampf-gegen-sozialbetrug-wuerde-allen-helfen_id_259705105.html

    Warum wird dieses Thema seit Jahrzehnten verharmlost?
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  • Martin Deeg
    "Verharmlost" wird da nichts - es ist halt für manchen (zu) schwer, zu durchschauen, dass die gleichen Politiker, die Asylbewerber in "Arbeit" zwingen wollen, gleichzeitig Gesetze durchwinken, die Straftäter und Banken schützen:

    ...."28,5 Milliarden Euro – so hoch ist der geschätzte Schaden durch CumCum-Geschäfte in Deutschland. CumCum-Geschäfte sind illegale Steuertricks von Banken. Das Geld, das von Banken durch CumCum-Geschäfte gestohlen wurde, gehört uns allen.

    Zurückgeholt wurde von diesen Steuermilliarden erst ein Bruchteil. Damit ist CumCum zusammen mit CumEx der größte Steuerraub der deutschen Geschichte. Dennoch wurde nun ein Gesetz beschlossen, das es Banken ermöglicht, Dokumente zu vernichten, die ihre Beteiligung an CumCum-Geschäften beweisen könnten. Es wird die Strafverfolgung für schwere Steuerhinterziehung wie CumCum massiv erschweren, weil Beweismittel weit vor Ablauf der Verjährungsfrist legal geschreddert werden dürfen. "...

    Finanzwende.de, 23.10.24
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  • Stefan Wolz
    Olaf weiß von nix
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  • Martin Deeg
    Ein die Intelligenz der Menschen beleidigendes Beschäftigungsprogramm für Juristen, da vermutlich bereits im Ansatz rechtswidrig.

    Unter dem Strich: menschenerachtender Unsinn, der einzig auf Klischeedenken und billige Emotionen abzielt und wieder einmal tiefen Einblick gewährt in das Menschen- und Weltbild der CSU.

    So hat es mit Hartz-IV auch angefangen - hochqualifizierte, psychisch belastete Menschen versucht man in Tätigkeiten als "Lagerhelfer" zu zwingen.....das Ergebnis ist bekannt.
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  • Hubert Endres
    Herr Deeg. Ich habe von Ihnen keinen anderen Kommentar erwartet. Sie leben in einer anderen Welt. Hoffentlich tragen Sie zur Gerechtigkeit in unserem Land bei. Glaube eher nicht.
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  • Michael Appel
    Wer von unseren Steuergeldern lebt soll/muss auch eine Gegenleistung erbringen denn wir lassen ja auch keinen verhungern und erfrieren.
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