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Bamberg
Angeklagt wegen vierfachen Mordversuchs in Hofheim: Für die Verteidigung ist es "nur" schwere Brandstiftung
Spricht das brandanalytische Gutachten für den Beschuldigten? Der Verteidiger des 36-Jährigen sieht seinen Mandanten ganz weit weg vom Mordversuch.
Für die Staatsanwaltschaft war es im vergangenen Dezember in Hofheim vierfacher Mordversuch, für die Verteidigung 'nur' Brandstiftung. Voraussichtlich in der kommenden Woche wird nun das Landgericht Bamberg entscheiden.
Foto: Julien Becker | Für die Staatsanwaltschaft war es im vergangenen Dezember in Hofheim vierfacher Mordversuch, für die Verteidigung "nur" Brandstiftung. Voraussichtlich in der kommenden Woche wird nun das Landgericht Bamberg entscheiden.
Bearbeitet von Udo Güldner
 |  aktualisiert: 08.02.2024 21:14 Uhr

In dem Prozess um einen vierfachen Mordversuch und eine versuchte schwere Brandstiftung im Dezember 2022 in Hofheim kam am Mittwoch und Freitag die Stunde der Sachverständigen. Am Landgericht Bamberg ging es zum einen darum, wie gefährlich es wirklich war, dass der Beschuldigte einen Benzinkanister mit brennender Lunte geworfen hatte. Zum anderen ging es um den geistigen Zustand des Mannes während der Tatnacht. Insgesamt ergaben sich neue Hinweise auf sein Motiv. 

Normalerweise schnupft der 36-Jährige täglich fast ein Gramm Crystal Meth. Das braucht er, um weiter funktionieren zu können. Es ist der vorläufige Höhepunkt einer Suchtmittel-"Karriere", die mit 14 Jahren im Internat begonnen hat. Erst Marihuana und Extasy, dann Speed und Kokain. In den vergangenen sieben Jahren ist es vor allem Crystal Meth. Das konsumiert der Angeklagte schon zum Frühstück; er legt mittags noch einmal nach und braucht abends gleich mehrere Joints, um überhaupt zur Ruhe kommen zu können. 

In den Tagen vor der Brandlegung erhöht sich die Dosis der aufputschenden Droge noch einmal dramatisch. Der Angeklagte ist fast 100 Stunden wach. Die Mischung aus Rauschgiftmenge und Schlafmangel führt nach Ansicht des psychiatrischen Gutachters zu einer Psychose. Der Angeklagte hört Stimmen, spricht mit einer Wand, fühlt sich verfolgt und beobachtet. Im Zentrum des Wahnvorstellungen: sein Bruder. Der habe ihn wirtschaftlich betrogen, als es um eine gemeinsame Firma gegangen sei. Der habe ihn bei Geschäftspartnern als drohend insolvent denunziert. Der habe ihm die Ehefrau und das Kind wegnehmen wollen. Der habe sogar sein Haus in Schweinfurt anzünden wollen. Der habe sein Auto verwanzt und ihm Verfolger nachgeschickt.

"Er sagte, er habe seinem Bruder eine Grenze aufzeigen wollen," so Dr. Thomas Wenske vom Bezirksklinikum Erlangen. Damit tritt das anfangs mögliche Motiv des Grolls auf den Vater in den Hintergrund, der ihn aus der Wohnung geworfen hatte. In den immer wieder kreisenden Gedanken des Angeklagten ist nurmehr der Bruder vorhanden.

Es geschieht nicht oft, dass Dr. Hans Zwicknagl in Bedrängnis gerät. Für einige Minuten macht der Fachmann des Landeskriminalamtes aus München keine gute Figur. Das ist den hartnäckigen, geschickt gestellten Fragen Dr. Michael Schulzes aus Schweinfurt zu verdanken. Der Rechtsanwalt des Angeklagten schafft es, dem Chemiker mit jahrzehntelanger Erfahrung einige Sätze zu entlocken. "Wenn nach 30 Minuten noch kein anderer Traktor brennt, dann ist davon auszugehen, dass sich das Feuer nicht so stark ausgebreitet hätte. Da ist dann das größte Brandgeschehen schon vorbei." Im Klartext: Weil nur ein Reifen gebrannt hat und die Flammen nicht auf benachbarte Bulldogs übergegriffen haben, waren die Garage, die Wohnung und letztlich die Menschen im Stockwerk darüber nicht wirklich in Gefahr. "Deshalb sind wir ganz weit weg vom versuchten Mord," so Rechtsanwalt Schulze.

Dabei hatte sich das im vorläufigen schriftlichen Gutachten des Brandgutachters doch alles so klar lesen lassen. In der Garage gab es mit den zwei Dutzend eng nebeneinander geparkten, aufgetankten Traktoren, sowie einem fahrbaren Dieseltank mit 100 Litern Fassungsvermögen reichlich Brandlast, um beim Worst-Case-Szenario auf die darüber liegende Wohnung überzugreifen. Immerhin war es für den Angeklagten nicht kontrollierbar, wo der mit der Lunte versehene Benzinkanister aufschlägt: neben einem Traktor, wie geschehen; unter einem Fahrzeug oder gar unter dem Dieselfass.

Auf dem Überwachungsvideo sind meterhohe Flammen und eine enorme Rauchentwicklung zu erkennen. Auch diese Rauchgase sind äußerst gefährlich. Schließlich lösen sich da nicht irgendwelche Holzscheite, sondern chemisch sehr komplexe Autoreifen in Qualm auf. Die Gase können schwere gesundheitliche Schäden bis hin zum Tode verursachen. Außerdem sorgen sie dafür, dass das Treppenhaus als Fluchtweg zur Falle werden kann.

Die Stunde der Urteilsverkündung rückt näher

In der kommenden Woche wird sich entscheiden, ob die Zweite Strafkammer, wie von Oberstaatsanwalt Michael Hoffmann angeklagt, einen vierfachen Mordversuch annimmt oder sich die Verteidigung mit der weniger folgenreichen versuchten schweren Brandstiftung auf das Gebäude durchsetzt. Die anderen Vorwürfe der Brandstiftung am Traktor, der Sachbeschädigung an den Motorrädern des Vaters, des Drogenbesitzes und der Bedrohung mittels einer angekündigten Brandstiftung sind unstrittig. Es bleibt spannend.

 
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