50 Millionen Euro. Diese gewaltige Summe hat die Papierfabrik Palm am Standort Eltmann (Lkr. Haßberge) in die Modernisierung ihres Heizkraftwerks gesteckt. Und das nicht nur zur eigenen Energieversorgung. "Wir denken nicht in Zeiträumen von fünf Jahren, sondern in Zeiträumen von 20 bis 30 Jahren, in Generationen also", erklärte der geschäftsführende Gesellschafter Wolfgang Palm (70) am Donnerstag in Eltmann bei der Einweihung des Kraftwerks.
Die Papierfabrik Palm GmbH & Co. KG ist ein Familienunternehmen. Anfang 2022 ist mit Tochter Marina Palm, Jahrgang 1994, die vierte Generation in die Geschäftsleitung eingestiegen. Der unternehmerische Weitblick der Palms über Generationen hinweg wird am Beispiel des modernisierten Kraftwerks durchaus deutlich.
Grüner Wasserstoff: Noch zu teuer und kaum verfügbar
Erstens: Die neue Industriegasturbine, Herzstück des Kraftwerks, kann mit reinem Wasserstoff betrieben werden. Gemeint ist grüner Wasserstoff, erzeugt durch Sonnen- oder Windenergie. Dieser "saubere" Wasserstoff soll eines Tages, gemessen am Strom- und Dampfbedarf (zur Modernisierung gehört auch eine neue Dampfturbine), eine vollständig CO2-freie Papierproduktion gewährleisten. Doch noch ist in der Region kein grüner Wasserstoff verfügbar. Es fehlt eine Leitung ins Maintal und nach Eltmann.
Es seien bereits Gespräche mit Gasnetzbetreibern gelaufen, sagte Wolfgang Palm. Trotzdem rechnet er damit, dass es noch Jahre dauern wird, bis der grüne Energieträger seine Papierfabrik erreicht. Palm appellierte an die Politik, darauf Einfluss zu nehmen, dass solche Projekte zügig realisiert werden können. Und auch, dass der bisher extrem teure grüne Wasserstoff erschwinglich wird. Ökologie und Ökonomie müssten im Einklang stehen, so der promovierte Betriebswirt.
Zweitens: Schon jetzt kann Palm nach eigener Überzeugung einen "erheblichen Beitrag zum Erfolg der erneuerbaren Energien" leisten, auch wenn das Heizkraftwerk noch Erdgas verbrennt. Palm sieht die Gasturbine als ideale Ergänzung zur witterungsbedingt schwankenden regenerativen Stromerzeugung: Die SGT 800 lässt sich, anders als ihr Vorgänger, laut Hersteller Siemens Energy in kürzester Zeit zur vollen Leistung hochfahren und ebenso schnell wieder "abschalten".
Das heißt: Wenn viel Wind- oder Sonnenstrom im Netz ist, steht die Turbine sofort still und die Papierfabrik zieht ihren Strom aus dem Netz. Bei Dunkelflaute – bei Windstille und Bewölkung also – springt das Heizkraftwerk unverzüglich an.
Drittens: Bisher ist das Palm-Kraftwerk in Eltmann darauf ausgelegt gewesen, den eigenen Bedarf an Strom und Dampf zu erzeugen. Das hat die Modernisierung grundlegend geändert. Laufen Gas- und Dampfturbine auf Volllast, "dann können wir darüber hinaus alle Einwohner des Landkreises Haßberge (Anm. d. Red.: rund 85.000 Menschen) sowie ein weiteres Gebiet mit ebenso vielen Einwohnern mit Strom versorgen", verkündet Palm stolz.
Dann nämlich speist die Papierfabrik Strom in die Netze ein, verkauft also die Energie. Der zuständige Stromübertragungsnetzbetreiber Tennet hat nach Angaben von Palm das Eltmanner Heizkraftwerk wegen seiner hohen Flexibilität und "netzdienlichen Eigenschaften" als eines von wenigen Kraftwerken als systemrelevant eingestuft.
Übrigens: Palm ist das erste Unternehmen überhaupt, das die genannte Siemens-Gasturbine einsetzt. Die "62-Megawatt-Maschine" erreiche einen weltweit einzigartigen Wirkungsgrad von über 60 Prozent, warb Siemens-Energy-Vertreter Tilman Harig in eigener Sache. Gas- und Dampfturbine zusammengenommen sollen auf einen Nutzungsgrad von 90 Prozent der eingesetzten Primärenergie kommen. Palm hatte die Siemens-Gasturbine geordert, noch ehe sie auf dem Markt war. Das Unternehmen hat dasselbe Modell auch im Stammwerk Aalen und am Standort Wörth eingebaut.
Die Papierfabrik Palm, die ihren Sitz in Aalen-Neukochen (Baden-Württemberg) hat, erzeugt in Eltmann Zeitungsdruckpapier. "Jede dritte Zeitung in Deutschland wird auf Papier aus Eltmann gedruckt", verdeutlichte Wolfgang Palm die Bedeutung des Werks für sein Unternehmen. Auch im englischen King's Lynn stellt Palm Zeitungspapier her und ist in dieser Sparte inzwischen nach eigener Aussage Europas größter Produzent.
Doch auch Wolfgang Palm weiß, dass die gedruckte Zeitung heute "etwas dünner geworden ist und etwas weniger gelesen wird", wie es der geschäftsführende Gesellschafter noch zurückhaltend formuliert. Ist es da tatsächlich eine vorausschauende Planung über mindestens eine Generation hinweg, 50 Millionen in den zeitungspapierproduzierenden Standort Eltmann zu investieren?
"Unsere Strategie baut darauf auf, dass wir an die Zeitung glauben", sagte Palm mit Blick auf die Print-Ausgabe. Der Markt werde noch schrumpfen, aber nur bis zu einer bestimmten Grenze. Auch seine Tochter Marina Palm, aufgewachsen mitten im digitalen Wandel, glaubt, dass es dauerhaft einen festen Anteil an Menschen geben wird, die ihre druckfrische Zeitung am Frühstückstisch haben wollen.
"Wir wollen zeigen, dass wir dauerhaft ein verlässlicher Partner sind", meint die Unternehmerin, die wie ihr Vater in Betriebswirtschaft promoviert hat, bezüglich der Leserinnen und Leser und vor allem der Verlage. Kein anderes Unternehmen habe in den letzten 20 Jahren so massiv in Zeitungspapier investiert wie Palm.
Palm kündigt für Eltmann eine weitere Millionen-Investition an
Und in Eltmann kündigt sich bereits die nächste Investition an. Im nächsten Jahr will Palm die Papiermaschinen hier für mehrere Millionen Euro dahingehend ertüchtigen, dass sie auch Papier herstellen können, wie es für Zeitschriften und Illustrierte benötigt wird.
Und ein Unternehmer, der voran geht und zeigt was machbar ist und nicht nur erzählt was nicht mehr möglich ist.