In den frühen Morgenstunden des 26. August 1972 erreicht das Olympische Feuer vor knapp 50 Jahren unterfränkischen Boden. Es ist auf dem Weg von München nach Kiel. Läufer tragen es dabei auch durch den Landkreis Haßberge. Einer von ihnen ist Josef Saalfrank. Er nimmt das Olympische Feuer in der Prappacher Straße entgegen und trägt es in Richtung der Kreisstadt Haßfurt, wo er das Feuer an den nächsten Sportler übergibt.
"Es hat gedauert, bis die Fackel angegangen ist", erinnert sich der heute 83-Jährige an seinen damaligen Einsatz. Ansonsten lief aber alles reibungslos. Trotz der frühen Uhrzeit hatten sich viele Zaungäste entlang der Strecke eingefunden. "Es war wie bei der Tour de France", erinnert sich Saalfrank und fügt an: "Es war ein Gefühl, das kann man nicht beschreiben."
Über 1000 Läufer, Radler und Reiter brachten das Olympische Feuer von München nach Kiel
Josef Saalfrank war einer von insgesamt 1280 Fackelträgern, die das Olympische Feuer 1972 zu Fuß von München, dem Austragungsort der Olympischen Spiele, nach Kiel brachten, wo die Segelwettbewerbe stattfanden. Neben den Läufern nahmen 90 Radfahrer und 34 Reiter an dem zweitägigen Staffellauf teil. Zurückgelegt wurde dabei eine Strecke von 933 Kilometern, wie auf einer Website des Internationalen Olympischen Komitees zu lesen ist.
Die Vereine seien damals von den Münchner Organisatoren aus angeschrieben und aufgefordert worden, geeignete Läufer für den Staffellauf auszuwählen, erinnert sich Saalfrank. "Alles war von München aus streng reguliert", berichtet er. So lautete etwa eine Vorgabe, dass die Läufer eine Strecke von 1000 Metern in 3 Minuten 30 Sekunden zurücklegen können müssen.
"Für mich war das quasi ein Freilos, da ich schon Leichtathlet war", sagt Saalfrank, der damals in Reihen des TV Haßfurt aktiv war. Zu dem Zeitpunkt habe es nicht viele andere gegeben, weswegen es im Grunde keine große Frage gewesen sei, dass er als Fackelläufer zum Einsatz kommt. Begleitet wurde Saalfrank auf seinem Streckenabschnitt von zwei Vereinskameraden.
Der Fackellauf machte Saalfrank im Haßbergkreis bekannt
Er sei danach ziemlich bekannt gewesen, erinnert sich der 83-Jährige und lacht. Kontakte zu den anderen Staffelläufern bestehen kaum noch. "Es lebt ja fast keiner mehr", erklärt Saalfrank. "Und die Läufer, die vor Zeil und nach Haßfurt an der Reihe waren, habe ich damals auch gar nicht gekannt." Kurios ist, dass sich offenbar auch nicht mehr rekonstruieren lässt, wie der genaue Streckenverlauf war. "Sie wissen nicht mehr, ob es über Fulda oder über Würzburg weiterging."
Die Olympischen Spiele verfolgte Saalfrank damals – und auch heute noch – mit großer Aufmerksamkeit. "Immer, egal, wo wir sind, es muss immer einen Fernseher geben", erzählt seine Frau Irmtrud mit Blick auf die Spiele und lacht. Auch das Stadion im griechischen Olympia, wo zur jeweiligen Olympiade stets die Flamme entzündet wird, hat Saalfrank mit seiner Familie schon besucht. Spaßeshalber trat er dort im 100-Meter-Lauf gegen seinen Sohn an.
"Ich hab' allerdings verloren", fügt Saalfrank dann an. Es ist nur eine kleine Bemerkung, aber sie lässt den Ehrgeiz des Sportlers durchblitzen. "Ich bin nie irgendwo hingefahren mit dem Gedanken vielleicht Zweiter oder Dritter zu werden", erklärt er mit Blick auf seine aktive Karriere, die der 83-Jährige erst vor zwei Jahren beendete.
Diskuswerfen und Kugelstoßen waren Saalfranks Paradedisziplinen
Ein Raum im Keller zeugt von den sportlichen Erfolgen: Medaillen und Urkunden reihen sich dort aneinander. Bayerische, Süddeutsche und Deutsche Meistertitel. Medaillen von Länderkämpfen. Angefangen hatte Saalfrank dabei eigentlich als Fußballer. Die alten Fußballschuhe zieren noch eine Regalleiste an der Wand. Die Leichtathletik entdeckte er für sich als er beruflich Zwischenstation im Rheinland machte. Seine sportlichen Paradedisziplinen fortan: Diskuswerfen und Kugelstoßen.
Auch als der Körper sich zu Wort meldete, die Hüften und die Bandscheiben, ließ sich Saalfrank nicht bremsen. Mit inzwischen zwei künstlichen Hüftgelenken setzte er seine sportliche Karriere bei den Behindertensportlern fort. Auch an der Senioren-Weltmeisterschaft in Rom nahm der Augsfelder teil und belegte am Ende den neunten Platz. "Da waren die ganzen Asse von früher dabei", erzählt Saalfrank nicht ohne Stolz. "Ich war da der einzige Amateur, glaube ich."
Der neunte Platz reiht sich ein in eine lange Reihe von Erfolgen. 23 Bayerische, acht Süddeutsche und zehn Deutsche Meistertitel stehen in Saalfranks Sportlerkarriere zu Buche. Es sei immer sehr rührend gewesen, wenn bei Siegerehrungen die Nationalhymne gespielt wurde, erinnert sich der 83-Jährige. Zwischen seinen Medaillen und Urkunden im Keller ist auch eine kleine Fahne zu finden: "Fackellauf XX. Olympische Spiele" steht darauf. Keine Auszeichnung, aber trotzdem etwas, das für immer bleibt.