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Maßbach
Zwischen Slapstick und Ernsthaftigkeit: Frankensteins Monster erwacht im Theater Maßbach zum Leben
Christian Schidlowsky inszeniert am Theater Schloss Maßbach den Schauerroman aller Schauromane: Mary Shelleys "Frankenstein" – mit vier Schauspielern in 26 Rollen.
Frankenstein (Yannick Rey) erschafft einen künstlichen Menschen.
Foto: Sebastian Worch | Frankenstein (Yannick Rey) erschafft einen künstlichen Menschen.
Siggi Seuß
 |  aktualisiert: 07.02.2025 02:35 Uhr

Monster erobern augenblicklich wieder einmal die Welt. Da bleibt die Bühne nicht verschont. Im Meininger Theater erschaudert das Publikum beim Musical "Jekyll & Hyde", im Theater Schloss Maßbach erzittern die Zuschauer Auge in Auge mit einer Kreatur: Premiere von Christian Schidlowskys freier Bearbeitung von Mary Shelleys Schauerroman "Frankenstein".

Und wieder mischt bei Schidlowskys Inszenierung das Ensemble bei der Entwicklung des Stückes kräftig mit. Noch vor der Rollenverteilung filterten die Schauspieler die Romanpassagen heraus, die ihnen am wichtigsten waren. Nach einer Phase der Improvisation erarbeitete der Regisseur eine Stückfassung, angelehnt an den Lauf der Ereignisse im Roman. Und damit stellt sich wieder einmal die Frage: Wie bewältigen vier Darsteller um Himmels Willen 26 Charaktere in einer Handlung, die sich über Jahre hinzieht und von Genf aus um die Welt wandert?

Schauspieler mit Lust am Experimentieren

Natürlich steht die enorme Wandlungsfähigkeit der Maßbacher Schauspieler Anna Schindlbeck, Yannick Rey, Ingo Pfeiffer und Marc Marchand an erster Stelle, gefolgt von ihrer unerschütterlichen Lust am Experimentieren, an Spontanität, Fantasie, Witz und der Kunst der Andeutung. Daniela Zepper hat die Darsteller in zeitgemäße Gewänder gekleidet.

'Was kommt da wohl auf uns zu?' Auge in Auge mit dem Grauen (von links: Anna Schindlbeck, Marc Marchand, Yannick Rey und Ingo Pfeiffer)
Foto: Sebastian Worch | "Was kommt da wohl auf uns zu?" Auge in Auge mit dem Grauen (von links: Anna Schindlbeck, Marc Marchand, Yannick Rey und Ingo Pfeiffer)

Bühnenbildner Andreas Wagner hat eine weiße Wand gebaut, mit zahlreichen Klappen und Türchen – wie eine Trennwand zwischen dem Offensichtlichen davor und dem Unbekannten dahinter. Auf sie werden immer wieder Bilder projiziert. Die Projektionen entwarf Wagner zusammen mit Anna Schindlbeck. Die erweckt, hier in der Rolle der neunzehnjährigen Autorin Mary Shelley, von einem Stehpult aus die erstaunlichsten Dinge zum Leben: einen Federkiel, der Manuskriptseiten beschreibt, Flüssigkeiten, die sich blutend über die Wand zu ergießen scheinen, eine Hand, die mit Nadel und Faden ein Menschenherz aus Paprikaschotenhälften zusammennäht.

Die Schauspielerin erzählt, erzeugt Geräusche wie Pferdewiehern, Hämmern, Sägen, Bohren, um die Handlungen auf der Bühne akustisch zu untermalen, bis hin zur lautstarken Erschaffung des monströsen Homunkulus (Marc Marchand) durch Frankenstein (Yannick Rey).

Manchmal staunt man nur noch darüber, mit welch schöpferischer Vielfalt Schidlowsky und sein Team die Handlung vorantreiben. Gerade nach der Pause gibt es Szenen voller Innigkeit und Ernsthaftigkeit, dann, wenn sich Frankensteins Schöpfung durch aufmerksame Beobachtung von Natur und Umwelt Laute, Sprache, Fertigkeiten und Wissen aneignet. Oder dann, wenn das Wesen seine unendliche Einsamkeit spürt, seine Hässlichkeit und eine unermessliche Sehnsucht nach Zuneigung.

Mary Shelley (Anna Schindlbeck) schreibt ihre Geschichte nieder. Die Zeilen werden auf eine Wand projiziert.
Foto: Sebastian Worch | Mary Shelley (Anna Schindlbeck) schreibt ihre Geschichte nieder. Die Zeilen werden auf eine Wand projiziert.

In diesen Augenblicken wächst Marc Marchand in seiner Rolle als mordende Kreatur über sich hinaus. Dass sich die Assoziationen zur Gegenwart (Künstliche Intelligenz, Vereinsamung, Entstehung von Hass und Gewalt) nur in den Köpfen der Zuschauer entfaltet und nicht als moralische Botschaften von der Bühne herunterwehen, auch das gelingt der Inszenierung gut.

Handlung teilweise auf Slapstick-Niveau

Nur einen entscheidenden Nachteil hat diese unorthodoxe Art des Theaterspiels: Die Vielfalt der Ideen, mit der die komplexe Geschichte lebendig wird, fordert eine strenge Einfalt der schauspielerischen Akzente. Szenen werden nur kurz angespielt, Charaktere können sich dabei kaum entwickeln.

Die Handlung bewegt sich – zur allgemeinen Erheiterung – besonders im ersten Teil häufig auf Slapstick-Niveau ("Haben Sie ein Bein übrig?"), das man nur schwer mit den ernsthaften Szenen verknüpfen kann. So wirkt der Maßbacher "Frankenstein" mehr wie ein filigranes Netzwerk kreativer Gedanken als eine dramaturgisch geschlossene Erzählung von Genie und Wahnsinn eines Menschen und seiner Schöpfung.

Vorstellungen bis 23. Februar. Infotelefon 09735-235. www.theater-massbach.de

 
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