Wie die Zeit vergeht. Am vergangenen Donnerstag war es auf den Tag genau 15 Jahre her, dass an der Landesgrenze zu Thüringen bei Queienfeld das letzte Teilstück der Autobahn 71 zwischen Schweinfurt und Erfurt freigegeben und damit die A 71 eröffnet wurde. Bei eisigem Wind durchschnitten der damalige Bundesverkehrsminister Wolfgang Tiefensee ( SPD ) - dem angesichts einer fast gänzlichen fehlenden Haarpracht wohl das Mitleid aller Anwesenden galt - sowie Bayerns Ministerpräsident Edmund Stoiber ( CSU ) und sein Thüringer Kollege Dieter Althaus ( CDU ) das Band zwischen den beiden Freistaaten.
Die Feier dazu musste allerdings improvisiert werden, tags zuvor hatte ein Sturm das Festzelt neben der Trasse zerfetzt.
So heftig wie der Sturm gewütet hat, so heftig wurde zeitweise die Auseinandersetzung geführt, die dem Bau vorausging. Vor allem in der Diskussion um die Trassenführung war zwischen den Betroffenen der Ost- und der Westvariante böses Blut geflossen.
Diese damals entstandene Zwietracht ist längst vergessen. Inzwischen ist die A 71 ein fester Bestandteil der Region und die Menschen möchten sie nicht mehr missen, zumal das Verkehrsprojekt Deutsche Einheit Nr. 16 als die Autobahn der Superlative in die Geschichte eingeht. Mit Gesamtkosten von 2,6 Milliarden Euro für die 220 Kilometer von Schweinfurt bis an den Anschluss Sangershausen zur A 38 ist sie die teuerste Autobahn Deutschlands. Die 440 Millionen Euro für die 56 Kilometer auf bayerischer Seite nehmen sich dagegen bescheiden aus. Allein der Rennsteigtunnel - mit knapp acht Kilometern längster Autobahntunnel Deutschlands - verschlang schon 250 Millionen Euro. Hinzu kommen bei der Durchquerung des Thüringer Waldes weitere fünf Tunnel und 19 Brücken.
Teuerstes Bauwerk
Weniger Aufwand herrschte auf bayerischer Seite, aber auch in diesem Abschnitt mussten 46 Brücken errichtet werden. Mit rund 20 Millionen Euro war dabei die Saaletalbrücke bei Hollstadt das teuerste Bauwerk. Größer ist zwar die Lauertalbrücke bei Münnerstadt, doch ein Firmenkonkurs hatte die Arbeit an der Überführung in Rhön-Grabfeld verzögert und erheblich verteuert.
Die ersten Planungen der Trassenführung gehen auf das Jahr 1991 zurück. Anfangs hatte das Straßenbauamt Schweinfurt noch einen vierspurigen Ausbau der B 19 geplant, um vor allem den grenznahen Bereich zu entlasten. Doch schon bald wurde das Vorhaben in das Gesamtpaket Verkehrsprojekte Deutsche Einheit aufgenommen und als Autobahn konzipiert.
BN: Enorme Fehlinvestition
Erster Spatenstich war 1995 auf Thüringer Seite, während auf bayerischer Seite auf Grund des großen Widerstands in der Bevölkerung erst 1999 die Arbeiten aufgenommen wurden. Die einzelnen Abschnitte wurden in Teil-Schritten in Betrieb genommen, 2002 der erste wiederum in Thüringen. Der letzte fehlende Abschnitt bei Sömmerda wurde erst 2015 freigegeben.
Einer der erbittertsten Gegner war der Bund Naturschutz (BN), der noch heute die A 71 als enorme Fehlinvestition betrachtet und die ökologischen Schäden in keinem Verhältnis zum ökonomischen Nutzen sieht. Bad Neustadts Bund-Ortsvorsitzender Martin Müller stand damals schon in vorderster Front der Gegner. Mittlerweile, das gibt er zu, nutze er die Autobahn natürlich auch und schätze die Möglichkeit einer schnellen Fortbewegung. Dennoch fragt er sich, ob es damals nicht auch Alternativen gegeben hätte. "Da ist eine Chance verpasst worden, um der Verkehrsinfrastruktur der Zukunft eine andere Richtung zu geben", sagt er. Statt auf eine zweigleisige Eisenbahnlinie und dem Ausbau der B 19 zu setzen, sei politisch entschieden worden, um ein deutliches Signal hin zur deutschen Einheit zu geben.
Weniger Fahrzeuge
Die Verkehrszahlen sehen aus Sicht der Naturschützer zumindest deutlich anders aus als vorausgesagt. Im Bereich Schweinfurt wurden beispielsweise bis zu 38.000 Fahrzeuge prognostiziert, laut einer Dauerzählstelle der Bundesanstalt für Verkehrswesen sind es aber nur 23.000. Fast ebenso krass liest sich das Missverhältnis bei Mellrichstadt . Dort passieren statt der 20.000 prognostizierten Fahrzeuge nur 13.000 Fahrzeuge die Landesgrenze . In den vergangenen drei Jahren wird sogar ein leichter Rückgang des Verkehrsaufkommens registriert.
Der erhoffte wirtschaftliche Aufschwung blieb zumindest für den Thüringer Wald aus. Suhl, das mit dem Anschluss an die A 73 und die A 71 im Grunde ideale Verkehrsanbindungen besitzt, schrumpfte seit 1995 um bald 40 Prozent seiner Einwohner. Einer der Profiteure dieses Verkehrsprojekt ist Bad Neustadt. Die Stadt hat sich zuletzt zu einem florierenden Mittelzentrum entwickelt. "Die A 71 ist ein Segen für Bad Neustadt", beteuert Altbürgermeister Bruno Altrichter . Die Autobahn habe die gesamte Verkehrsinfrastruktur der Region beeinflusst und mehrere Straßenprojekte nach sich gezogen. "Für die Wirtschaft ist sie ein wichtiger Standortfaktor und für die Menschen hier ermöglicht sie ein schnelles Erreichen eines außerhalb gelegenen Arbeitsplatzes, einer Einkaufsmetropole oder eines Urlaubsziels". Wenn das im 16. Jahr der A 71 wieder möglich sein wird - ohne Pandemie-Beschränkungen.Eckhard Heise