Bad Neustadt an der Saale

Was Georg Bieberich nicht vermisst

Nach 42 Dienstjahren geht Bad Neustadts Polizeichef, ein gebürtiger Großwenkheimer, der schon lange in Weichtungen wohnt, in den Ruhestand.
Premiere für die unterfränkische Polizei: Die erste Verabschiedung online.       -  Premiere für die unterfränkische Polizei: Die erste Verabschiedung online.
| Premiere für die unterfränkische Polizei: Die erste Verabschiedung online.

Sein Markenzeichen ist der Schnurrbart. Und die akkurat sitzende Uniform. Ob grün, grün-beige oder blau. Diese drei Farben trug Georg Bieberich in seinem langen Berufsleben als Polizist . Ende Januar ist der Erste Polizeihauptkommissar (EPHK) Pensionist. Zuletzt leitete der 60-Jährige die Polizeiinspektion Bad Neustadt, mit etwa 70 Mitarbeitern eine der größeren in Unterfranken.

Premiere: Verabschiedung online

"Normalerweise würden wir zu einem solchen Anlass Repräsentanten aus zahlreichen Behörden einladen. Doch in der Pandemie müssen wir den Amtswechsel online durchführen - eine Premiere für uns", sagte Unterfrankens Polizeipräsident Gerhard Kallert . Er lobte den gebürtigen Großwenkheimer als einen Kollegen, der geradlinig und schnell seine Polizei-Karriere angepackt hat. "Mit 17 Jahren kam er zur Bereitschaftspolizei nach Würzburg und später nach München. Mit 28 war er Polizeikommissar mit abgeschlossenem Studium. Eine bemerkenswerte Leistung."

Laut Kallert war Bieberich hauptsächlich in Schweinfurt und Bad Neustadt eingesetzt, "ein Mann aus und für die Region gewissermaßen!" Über die Dienstgruppenleitung in der PI Schweinfurt Stadt (1989 bis 1993) bis zum Leiter der Einsatzzentrale der Polizeidirektion Schweinfurt (ab 1999) habe man Bieberichs Talent erkannt, einerseits sehr nahe am Menschen zu sein, andererseits aber auch immer ein offenes Ohr für die Kollegen zu haben. "Schwer beeindruckt damals waren alle, dass Bieberich früh die Bedeutung der digitalen Datensysteme erkannt und für den polizeilichen Arbeitsbereich eingesetzt hat", erinnerte Kallert.

Im Führungsstab bei G7-Gipfel

Das mag auch der Grund gewesen sein, dass Bieberich 2015 beim G7-Gipfel im Schloss Elmau bei Garmisch-Partenkirchen zum Sicherheits-Führungsstab zählte. "Eine Aufgabe von einer solchen Dimension hatte ich zuvor noch nie erlebt. Das eine Jahr Vorbereitungszeit, die total neue Technik, die Einsatzwoche, die nicht so gewalttätig endete, wie erwartet - das alles hat mich stark beeindruckt", beschrieb Georg Bieberich. 2003 war der in Weichtungen wohnende Polizist erstmals nach Bad Neustadt gekommen. Im Juni 2008 wurde Bieberich zum 1. Polizeihauptkommissar und zum als stellvertretenden Dienststellenleiter ernannt. Als sein damaliger Vorgesetzter Thomas Gütlein zum Einsatz in den Kosovo abkommandiert wurde, hatte er 2013/14 und 2015/17 die führende Funktion in der Dienststelle inne.

Nahezu täglich mit dem Rad zum Dienst

2019 wurde sie ihm vollends übertragen. Zurecht, wie Kallert betonte. Sein Engagement, sein Wissen und nicht zuletzt seine Omnipräsenz hätten ihn dazu befähigt. "Wie die Kollegen mir berichteten, gab es keine Morgenbesprechung, in der sich Bieberich nicht schon vorher über die Sachlage umfassend kundig gemacht hatte", so Kallert.

Das sei durchaus als ambitioniert zu betrachten. Denn Bieberichs Arbeitstag hatte zumeist mit Wecken um 5 Uhr begonnen. Dann stieg er bei Wind und Wetter aufs Mountainbike zur morgendlichen Radl-Fahrt, vom Wohnort zur Dienststelle und zurück sind es immerhin 20 Kilometer. Zu Bieberichs Neigungen zählte immer der Sport. "Als ich 1978 zur Polizei ging, hatte ich nicht so sehr den Kalten Krieg und die Terrorwelle der Roten Armee-Fraktion im Blick, sondern eher den Sport und den Kontakt mit den Menschen in diesem Beruf", sagte Bieberich.

Dass er den für ihn so wichtigen Kontakt zu den Bürgern gerade als Polizeichef in Bad Neustadt auf eine höchst sensible Art praktizieren musste, zählt zu den einschneidendsten Erlebnissen in Bieberichs Berufsleben. Im August 2014 wurde ein 18-Jähriger, der vom Donnerstagskonzert nach Hause ging, von einem damals 21-Jährigen so geschlagen, dass er nach diesem Schlag gegen den Hals starb. "Das war eine echt schwierige Zeit damals", erinnerte sich Bieberich. Es sei darum gegangen, den Bürgern , die große Angst vor einer weiteren Bedrohung hatten, mit den richtigen Maßnahmen zu begegnen. "Setzen wir auf stärkere Polizei-Präsenz , bleiben wir im Hintergrund? Wir mussten auf jeden Fall sehr viel reden mit der Bevölkerung, zumal der Tatort im Bereich von mehreren Schulen war. Ich habe mich damals oft gefragt, mache ich alles richtig?"

Wilde Verfolgungsjagd bis in die Stadt

Nicht vermissen wird der scheidende Dienststellenleiter solche Funksprüche, wie den im Winter vor fünf Jahren. Da war ein Autofahrer auf der B 279 aufgefallen, der offensichtlich einen schweren Wagen gestohlen hatte. Er hatte sich mit der Polizei eine wilde Verfolgungsjagd bis nach Bad Neustadt hinein geliefert. "Den hätte ich gerne außerhalb der Stadt schon dingfest machen lassen. Das war brutal gefährlich damals", erinnerte sich der Weichtunger. Auch die zunehmende Gewalt besorgt ihn. Früher habe es auch Schlägereien gegeben. "Wenn einer am Boden lag, war es genug. Mittlerweile wird aber weitergetreten, ohne Rücksicht!", hat Bieberich beobachtet - genauso auch wie den Respektsverlust vor den Ordnungshütern. Neu sei die Tatsache, dass völlig Unbeteiligte sich bei einem Polizeieinsatz einmischen und die Kollegen hart angingen, bestätigt auch Polizeipräsident Kallert. 15 bis 20 Prozent mehr dieser Fälle seien zuletzt in Unterfranken gezählt worden.

Zu den Brennpunkten in Bad Neustadt zählte Bieberich den Busbahnhof, an dem sich viele Jugendliche abends treffen. Mit ihren hochmotorisierten, teilweise technisch manipulierten Fahrzeugen und der lauten Musik seien sie schon ein Dorn in den Augen vieler Bürger . Darauf reagiere die Polizei mit ständiger Präsenz und verstärkten Kontrollen. Den Heuweg in Mühlbach sah Bieberich trotz der vielen Einsätze nicht unbedingt als Brennpunkt. "Solche Wohnsituationen gibt es in jeder Stadt. Da werden wir meist zu Sicherheitsstörungen in Verbindung mit Alkohol gerufen. Das ist mit polizeilicher Arbeit nicht allein zu bewältigen", bilanzierte er.

Nachfolger Aut kommt im März

Sein Nachfolger, Polizeioberkommissar Florian Aut, hat sich diese Einschätzungen genau notiert. Der 36-Jährige wird ab 1. März die Führung der PI Bad Neustadt für ein halbes Jahr im Rahmen des Aufstiegsverfahrens in die vierte Qualifikationsebene übernehmen. Aut kam 2004 zur Bereitschaftspolizei nach Eichstädt, war danach bei der Einsatz-Hundertschaft in Kempten und dann fünfeinhalb Jahre in Karlstadt. Nach seinem Studium in Sulzbach-Rosenberg wechselte er zur Verkehrspolizei nach Biebelried. Führungserfahrung hat er zuletzt als stellvertretender Dienststellenleiter in Hammelburg gemacht.

"Ich weiß, dass Schorsch mir große Fußstapfen in Bad Neustadt hinterlässt, aber auch eine gute Zusammenarbeit unter den Kollegen. Deshalb kann ich diese Herausforderung annehmen. Ich will wie er auf Bürgernähe zu den Rhönern setzen", so Aut. Im Gegensatz zu seinem Vorgänger dürfte er sich mit einer Routine schwer tun - mit der täglichen Fahrt zum Dienst per Rad. Aut lebt in Veitshöchheim.

 
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