Bei manchem Gebäude in Bad Kissingen muss man schon genauer hinschauen, um die wahre Bedeutung zu erfassen. Der Tag des Offenen Denkmals 2021 bietet in Bad Kissingen in Bezug auf Sein & Schein reichlich Anschauungsobjekte. In der Kurstadt dreht sich die Veranstaltung um Privathäuser sowie das Luitpold- und das Kurhausbad.
Angehängt an die bayerische Veranstaltungsreihe, ohne Aufnahme in das offizielle Veranstaltungsverzeichnis, haben sich im Landkreis Bad Kissingen Schloss Aschach und Maria Bildhausen. Wobei das mit dem Schein & Sein am Sonntag selbst auch so eine Sache ist. Die "offenen Denkmäler" sind bei der Präsentation coronabedingt in der Minderzahl, zumindest in der Kurstadt müssen Blicke von außen genügen.
Vorgetäuschte Adelssitze
So auch bei den falschen Burgen und Schlössern, denen sich Stadtheimatpfleger Peter Kaidel in diesem Jahr besonders annimmt. Die im Stadtbild auffallenden bürgerlichen Villen von schlossähnlichem Aussehen täuschen Adelssitze vor. Dabei verbergen sich hinter den Fassaden zumeist Mietwohnungen. Sieben solcher Objekte präsentiert die Stadt auf einem Flyer und im Internet.
Die eindrucksvollste ist die Petersburg. Sie erläutert Kaidel am Sonntag vor Ort in der Maxstraße 30. Eine Besichtigung innen ist wegen der Pandemie allerdings nicht möglich. Das ist schade. Bei den vergangenen Führungen des Experten zum Tag des Offenen Denkmals 2019 kamen 80 bis 100 Interessenten.
Falscher Prunk schon seit der Antike
Kaidel macht Bad Kissinger Architektur gern erfahrbar. "Es gibt Häuser, da läuft man ein Leben lang vorbei", weiß er. Da sei es schön, einmal die Aufmerksamkeit darauf zu richten. Dabei sind diese Prunkbauten kein spezielles Bad Kissinger Phänomen. Schon seit der Antike kennt man Illusion in der Malerei. Im Barock und Historismus feierten illusionistische Techniken im Bauwesen wie Blendfassade, Quaderputz oder Rustizierung Hochkonjunktur.
Die Petersburg ist 1903 von Kunstschlosser Peter Anton Deeg (1875–1940) errichtet worden und ist heute noch im Familienbesitz. Architekt war Carl Krampf, ein zu dieser Zeit in Bad Kissingen bedeutender Baumeister. Das Gebäude stellt sich als eine Burg in Formen der deutschen Renaissance, aus Rotsandstein-Bossenquadern mit Türmen, Loggien und Erkern sowie Grausandstein-Gliederungen dar.
Bauherr Deeg war ein Virtuose auf dem Gebiet der Kunstschlosserei. Er fertigte Tore für die Großfürstin Marija Alexandrowna von Russland und handgeschmiedete Türbeschläge für die Hofburg in Wien im Auftrag von Kaiserin Elisabeth (Sisi) von Österreich.
Stadt zeigt auch zwei Filme
Die weiteren Burgen und "Schlössle", wie die Prunkbauten im Volksmund hießen, können auf eigene Faust von außen betrachtet werden. Grundlage für eine eigene Besichtigungstour können der städtische Flyer oder die Homepage der Stadt sein. Zu sehen gibt es reichlich Turmerker, Ecktürme und sogar Elemente der französischen Schlossbaukunst. Adressen sind die Wohnhäuser und Villen in der Bibrastraße 15, Erhardstraße 21, Am Steig 16, Hemmerichstraße 50, Salinenstraße 22 und Valentin-Weidner-Platz 1. Das dortige Wohnhaus des Bildhauers Valentin Weidner wird wegen seines Aussehens auch "Maxschlössle" genannt.
Zum architektonischen Sein & Schein passt auch die neue Nutzung von Luitpoldbad und Kurhausbad. Deswegen zeigt die Stadt im Internet zwei Filme zu diesen Gebäuden, die Einblicke in den heutigen Denkmalschutz geben. Den brandneuen Film zum Kurhausbad hat der Dokumentarfilmer Christian Beyer in Zusammenarbeit mit dem Stadtarchiv Bad Kissingen und Architekt Christian Teichmann erstellt.
Mittelalterliche Burg diente vielen Zwecken
Mit von der Partie ist am Sonntag auch Schloss Aschach mit seiner bewegten Geschichte. Im 12. Jahrhundert errichtet, erfolgte nach Zerstörungen im 16. Jahrhundert der Wiederaufbau als Jagdschloss und Verwaltungssitz durch die Würzburger Fürstbischöfe. Im 19. Jahrhundert richtete die Familie Sattler dort eine Steingutmanufaktur ein. Von 1874 bis 1955 diente das Schloss der gräflichen Familie von Luxburg als Sommerresidenz. Die ehemaligen Wohnräume der Familie sind noch heute erhalten und für Museumsgäste zugänglich. Einblicke gibt es auch in die Herausforderungen bei der Neukonzeption der Dauerausstellung.
Auch das Kloster Maria Bildhausen rückt durch den Tag des Offenen Denkmals in den Blickpunkt. Seit 1929 werden in dem ehemaligen Zisterzienserkloster mit seinen stattlichen Gebäuden und Gärten Menschen mit Behinderung aufgenommen und betreut. Die letzten drei Ordensfrauen wurden 2017 verabschiedet. Neue Pläne sehen für das Kloster unter anderem ein Zelt-Schullandheim und die Bayerische Akademie für Sozialberufe, Pädagogik und Ehrenamt vor.
- Führungen an der Petersburg, Maxstraße 30, mit Stadtheimatpfleger Peter Kaidel gibt es um 11 und um 15 Uhr. Mehr zu den Kissinger Burgen unter www.badkissingen.de/denkmal
- Im Schloss Aschach gibt es drei Rundgänge mit fachkundigen Erläuterungen. Die Uhrzeiten sind 13.30 Uhr, 14.30 Uhr und 15.30 Uhr
- Die Führung durch die Klosteranlage von Maria Bildhausen mit den Architekten Dag Schröder und Alfred Graf von Soden dauert von 14 bis 15.30 Uhr. Treffpunkt ist am Torbogen. Anmeldung ist nicht notwendig.