Obwohl vermutlich schon lange kaum ein Kraftfahrzeug ohne Kugellager aus Schweinfurt über die bundesdeutschen Straßen rollt, hat sich die Stadt am Main nicht wirklich einen Namen als "Automobil-Stadt" machen können. Doch genau das hätte sie werden können, wie der in Ostwestfalen lebende Historiker Jörg Militzer zu berichten weiß.
Seit vielen Jahren widmet er sich der rund ein Dutzend Einzelfahrzeuge umfassenden "Gesamtproduktion" des kleinen "Pinguin" und sucht für ein nun abschließendes Buch zum Thema die Hilfe der Schweinfurter. Doch eins nach dem anderen.
Es ist gut sieben Jahrzehnte her, dass sich aus dem Mangel der frühen Nachkriegsjahre heraus eine kleine Schar automobilbegeisterter Konstrukteure und Kaufmänner anschickte, einen der damals so beliebten " Kleinstwagen " auf gerade einmal drei Räder zu stellen.
Bereits 1953 waren zwei Prototypen in einer kleinen Halle im westfälischen Herne fertiggestellt und rollten im Oktober auf eigener Achse zur "Internationalen Fahrrad- und Motorrad-Ausstellung" nach Frankfurt. Obwohl unzählige Prospekte verteilt und auch die Presse die schnittige Karosserie des " Porsche auf drei Rädern" hervorhob, zeigten sich einige Mängel die von einer schnellen Serienfertigung Abstand nehmen ließen.
Also folgten personelle Veränderungen in der Konstruktionsabteilung und ein gänzlich neues Fahrgestell trug die nun ebenfalls überarbeitete Karosserie. Um ganz sicher zu gehen, so forderte es wohl auch ein potentieller Lizenznehmer, sollten einige der so modifizierten Fahrzeuge mehrere zehntausend Kilometer lange "Bewährungsproben" absolvieren.
Diesmal wohl recht erfolgreich, steuerten damals blutjunge Automobilisten die Wägelchen an den Rhein, durch den Schwarzwald und vorbei am Bodensee, bis in die Alpen. Davon überzeugt zeigte sich auch der Industrielle Rudolf Stierlen, der Mitte 1954 das Projekt in sein Schweinfurter Werk der "Rotenburger Metallwerke" umziehen ließ.
In der Ernst-Sachs-Straße 5
Konstruktion, Werkzeuge und auch Mitarbeiter wechselten daraufhin von der Ruhr an den Main und sollten nun an der Ernst-Sachs-Straße 5 die Produktion von landwirtschaftlichen Geräten und Dosenverschließ-Maschinen ablösen oder zumindest ergänzen.
Die fortan gebauten "Pinguine" unterschieden sich durch den jetzt von Fichtel & Sachs gelieferten 200-ccm-Motor, der das gleichgroße ILO-Aggregat ablöste, und auch äußerlich wurden die Automobile behutsam von Fahrzeug zu Fahrzeug laufend modifiziert.
Doch es zeigte sich schnell, dass die nun aufkommenden Mitbewerber vom Schlage des Messerschmitt Kabinenrollers, der BMW Isetta oder des Goggo-Mobils den Markt längst für sich erobert hatten. Obwohl noch bis weit in das Jahr 1955 weiter "experimentiert" wurde, gab Finanzier Stierlen nicht nur das Kleinwagenprojekt, sondern den gesamten Schweinfurter Standort auf.
Während die Immobilie in den Besitz der Firma Kugelfischer überging und abgetragen wurde, hieß es lange, dass die gebauten Fahrzeuge allesamt verschrottet wurden. Dass dem nicht so ist, hat Historiker Militzer an mehreren Beispielen schon nachweisen können.
Während eines der Fahrzeuge - das von Zeitzeugen auch als "Rotenburger Dreirad" bezeichnet oder mit dem "Fuldamobil" verwechselt wurde - mit seinem Besitzer Erich Lhotzky ins Rheinland umzog, sind die anderen zum Teil noch bis in die frühen 1960er Jahre im Raum Schweinfurt unterwegs gewesen. Als Besitzer sind demnach ein Bernhard Iff in Pfersdorf, ein Herr Geisler in Schonungen oder auch Franz Borst in Schweinfurt bekannt. Weitere Fahrzeuge sollen Josef Burger, Richard Gräf, Walter Naumann und Willi Werner besessen haben. Zu all diesen ehemaligen Besitzern beziehungsweise deren Familien sucht der in Bünde lebende Historiker nun den Kontakt, wie auch zu ehemaligen Mitarbeitern der "Rotenburger Metallwerke". So etwa Gerhard Gutgesell, ein Herr Löwerick oder auch Betriebsleiter Moll.
Über Hinweise und natürlich Fotografien zu den "Rotenburger Metallwerken" und den dort gebauten Kleinwagen würde sich Militzer freuen. Kontakt: Tel.: 05223/ 6530230. Jörg Militzer