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Oerlenbach
Schwarze Pfütze Oerlenbach: Ruine ohne Namen
Die Behörden hatten dem Besitzer des von Brand und Sturm gezeichneten Gasthofs Sicherungsmaßnahmen nahegelegt. Der Mann reagierte nicht. Nun wurde ein Geschoss eingelegt.
Das einstige Gasthaus an der früheren B 19 wurde Anfang Oktober teilweise abgerissen.
Foto: Isolde Krapf | Das einstige Gasthaus an der früheren B 19 wurde Anfang Oktober teilweise abgerissen.
Isolde Krapf
 |  aktualisiert: 07.04.2020 13:02 Uhr

Merkwürdig mutet das verfallene Ensemble an der früheren B 19 schon an. Das denkmalgeschützte einstige Gasthaus Schwarze Pfütze ist inzwischen, vorn an der Giebelseite, bis zur Oberkante des Erdgeschosses abgerissen. Der hintere Teil des Gebäudes wurde nicht einbezogen. Gleichzeitig herrscht in diesen Tagen auf dem Grundstück Bewegung, denn nebenan hat die Firma Vodafone einen riesigen Kran aufgebaut, mit Hilfe dessen gerade der schon länger auf dem Grundstück befindliche Mobilfunkmast modernisiert wird.

"Eine Schande ist das!", ruft plötzlich einer aus einem vorbeifahrenden Auto heraus und deutet auf das baufällige Haus an der früheren B 19. In der Nachbarschaft lenkt ein Mann seine beladene Schubkarre durch die Hofeinfahrt: "Ja, das stört mich schon", sagt Hubert Greubel zu dem halb eingelegten Bau neben seinem Wohnhaus. Er findet: "Es sieht jetzt schlimmer aus als vor dem Abriss der Dachbalken."

Bushaltestelle nebenan

Das Landratsamt habe aber offensichtlich handeln müssen, sagt er. "Das Zeug ist vom Dach 'runtergeflogen, und unten standen die Kinder früh an der Bushaltestelle." Das sei viel zu gefährlich gewesen. Sein Sohn, der auch in der Nachbarschaft wohnt, habe sich schließlich bei der Behörde darüber beschwert.

Das Obergeschoss des Gebäude-Teils im Hintergrund wurde nicht eingelegt.
Foto: Isolde Krapf | Das Obergeschoss des Gebäude-Teils im Hintergrund wurde nicht eingelegt.

Mit dem dahin bröckelnden Gebäude haben die Behörden – Landratsamt und Landesamt für Denkmalpflege - schon länger ihre liebe Not. Bei einem Brand im Dezember 2013 wurde das Haus schwer in Mitleidenschaft gezogen. Tragisch dabei: Der Betreiber des Gasthofs, der das Haus seit 1974 geführt hatte, kam ums Leben. Sein Bruder, der auf einer Pazifik-Insel zu Hause ist, hatte das Gebäude nach der Jahrtausendwende erworben und im Dezember 2010 an einen Mann aus Schweinfurt verkauft. Da war die Episode des Landgasthofs als Swingerclub (2004 bis 2006) schon Geschichte.

Der neue Eigentümer hatte seinerzeit angekündigt, aus der Schwarzen Pfütze wieder das machen zu wollen, was sie früher war: ein gutbürgerliches Gasthaus mit Biergarten. Doch der Betrieb wurde ein knappes Jahr später wieder zugemacht. Irgendwann verlor sich offenbar seine Spur. Der Schweinfurter sei zwar ordnungsgemäß am Amtsgericht Bad Kissingen als Eigentümer ins Grundbuch eingetragen, weiß der beim Landratsamt für Bauen und Umwelt zuständige Abteilungsleiter Thomas Schoenwald.

Zwangsversteigerung vor zwei Jahren

Den Kaufpreis entrichtet habe der Mann bislang aber nicht. Vielmehr sei der Mann in Schweinfurt nicht mehr auffindbar, so der Abteilungsleiter weiter. Denn das Landratsamt habe mehrfach versucht, Kontakt zu ihm aufzunehmen und ihm mitzuteilen, dass die Schwarze Pfütze – inzwischen äußerst marode – nun gesichert werden müsse.

Die Firma Vodafone modernisiert den Mobilfunkmast auf dem Areal der Schwarzen Pfütze.
Foto: Isolde Krapf | Die Firma Vodafone modernisiert den Mobilfunkmast auf dem Areal der Schwarzen Pfütze.

Bleibt das verfallene Gebäude so stehen?

Der Mann, der als in Schweinfurt wohnhaft gilt, habe jedoch noch einen Briefkasten. Deshalb habe ihm die Behörde im Sommer schriftlich eine Frist gesetzt, dass das Obergeschoss des Gasthofs bis zum 1. September abzureißen sei. Nachdem der Besitzer mehrfach nicht reagiert habe, teilte ihm die Behörde mit, dass dass man von Amts wegen nun an seinem Besitz eine Sicherungsmaßnahme wegen Einsturzgefahr vornehmen müsse, sagt Schoenwald. "Wir dürfen aber nur sichern, nicht den Müll aufräumen."

Manch einer fragt sich jetzt, nachdem das Dach eingerissen wurde, ob das baufällige Gebäude nun bis in alle Ewigkeit so stehen bleiben wird. "Es könnte wieder Bewegung reinkommen, wenn wir die Auslagen für den Abbruch – rund 6000 Euro – erstattet haben wollen", sagt Schoenwald. Sollte der Besitzer auch auf diese Zahlungsaufforderung nicht reagieren, könnte sich die Behörde beim Amtsgericht eine Sicherungshypothek auf das Grundstück eintragen lassen, so der Abteilungsleiter. Denkbar wäre später vielleicht, dass die Behörde eine Zwangsversteigerung einleitet, spinnt Schoenwald den Faden weiter. Möglicherweise fände sich ja dann ein Interessent, den der Erwerb dieses Grundstücks reizt.

Stark verrostet: die Fenstergitter des Landgasthofs.
Foto: Isolde Krapf | Stark verrostet: die Fenstergitter des Landgasthofs.

Auf die Frage, was an dem Gebäude aktuell noch schutzwürdig sei, äußert sich das Landesamt für Denkmalpflege (München) vorsichtig. Nach dem Brand sei der Denkmalbestand an diesem Landgasthof zwar "erheblich reduziert" gewesen, heißt es von der Münchner Pressestelle. Die Kubatur der ehemaligen Posthalterei als zweigeschossiger Halbwalmdachbau des frühen 19. Jahrhunderts sei jedoch "noch substanziell überliefert" gewesen. "Ein Wiederaufbau wäre seinerzeit noch möglich gewesen", so die Pressesprecherin weiter. Durch fortschreitenden Wassereintrag in den vergangenen Jahren sei das Obergeschoss jedoch offenkundig inzwischen so weit zerstört, dass das Landratsamt entsprechend bauaufsichtlich habe tätig werden müssen.

Schwarze Pfütze
Die Schwarze Pfütze gibt es seit 1819. Zur damaligen Zeit wurde an der fürstbischöflichen Chaussee Würzburg-Meiningen, die in diesem Abschnitt 1780 fertig geworden war, ein Stationsgasthaus eingerichtet. Hinzu kam die Posthalterei. An der Schwarzen Pfütze rasteten Kutscher und Postillione. Die Pferde wurden getränkt und man kehrte zu Speis und Trank in die Gaststätte ein. Reisende und Fuhrleute nahmen dort gelegentlich Herberge. Nach Angaben des Landesamts für Denkmalpflege sind in den Jahren 1795 bis 1814 zehn Bewerbungen um eine "Schankgerechtigkeit" an diesem Standort überliefert. Nachdem dann die Eisenbahn zahlreiche weitere Gäste nach Bad Kissingen zog, entwickelte sich das durch einen Promenadeweg erschlossene Gasthaus im 19. Jahrhundert zu einem beliebten Ausflugsziel für Kurgäste. In den 1950er Jahren wurde in der Schwarzen Pfütze sogar ein Film gedreht. In "Sohn ohne Heimat" sah man nicht nur Oerlenbachs Kirchturmspitze, sondern auch den Münnerstädter Bahnhof. In den 1960er Jahren traf man sich des Abends im Schankraum zum gemeinschaftlichen Fernsehen. Zu bestimmten Jahrestagen kamen damals auch junge Pärchen beim Tanzabend zum Schwoofen zusammen. Jahrzehnte lang war die Schwarze Pfütze anschließend ein repräsentatives Speiserestaurant, das auch die Schweinfurter sehr zu schätzen wussten. Ende der 1990er Jahre waren Asylbewerber untergebracht. Ab 2004 gab es kurzzeitig einen Swingerclub. (ikr)
 
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