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BAD KISSINGEN
Schlereth: „Eine Jahrhundertentscheidung“
Die Studie der Uni Würzburg zur sozioökonomischen Evaluierung einer möglichen Nationalpark-Region Rhön bietet für politische Mandatsträger aus den Rhön-Landkreisen zahlreiche positive Aspekte.
Foto: Sonja Demmler | Die Studie der Uni Würzburg zur sozioökonomischen Evaluierung einer möglichen Nationalpark-Region Rhön bietet für politische Mandatsträger aus den Rhön-Landkreisen zahlreiche positive Aspekte.
Isolde Krapf
 |  aktualisiert: 27.04.2023 04:32 Uhr

Das sozioökonomische Gutachten von Professor Hubert Job (Würzburg) zur Nationalpark-Region Rhön zeigt eigentlich auf, was man schon lange weiß: Die Bevölkerung geht stark zurück, die wirtschaftliche Gesamtleistung (BIP) liegt im Mittelfeld, beziehungsweise in der niedrigsten Kategorie und der Tourismus vegetiert vor sich hin. Sollte der Status quo erhalten bleiben, würde sich die Situation noch verschlechtern, heißt es in der Expertise. In einem Nationalpark wäre die Wertschöpfung laut Job hingegen nach 30 Jahren erheblich größer. Wir fragten bei den politisch Verantwortlichen nach, wie sie das Gutachten einordnen.

Touristischer Mehrwert aufgezeigt

„Bislang haben wir nur alles erfühlt, jetzt wissen wir es“, antwortet der Bad Kissinger Oberbürgermeister Kay Blankenburg auf die Frage, inwieweit das Gutachten für ihn überraschend war. Frappiert habe ihn das Auseinanderklaffen von zwei statistischen Werten: Ab 2050 könne man pro Jahr mit 27,5 Millionen Euro Mehreinnahmen im Bereich Tourismus rechnen, heißt es in der Expertise, während für die Holzwirtschaft mit einem Wegbrechen der Einnahmen in Höhe von 2,5 Millionen Euro gerechnet wird. Blankenburg: „Es ist ganz klar, dass der touristische Mehrwert überwiegt.“

Seiner Ansicht nach müsse man jetzt zügig von der Dialog- in die Konzeptphase gehen, um Details abzuklären. Eine Schätzung darüber, wie die Kreisbevölkerung das Thema aufnimmt, wagt Blankenburg nicht. Es gebe Pro und Kontra, aber eben auch viele, die noch unentschieden sind und mehr zum Thema wissen wollen, glaubt er.

Diskussion mit den Bürgern

Keinen Hehl macht der OB daraus, dass er darüber „enttäuscht“ ist, dass das Gutachten bislang nur bei den Landratsämtern aufschlug und nicht auch an die Bürgermeister der vom Nationalpark tangierten Kommunen ging. Denn es sei wichtig, dass die Diskussion auch draußen in der Bürgerschaft geführt werde. Generell glaubt Blankenburg, dass der angedachte Nationalpark Rhön eine „Riesenchance“ wäre. „Wir sollten sie nicht vertun.“

„Das Gutachten bestärkt mich in meiner Meinung“, sagt der Bad Kissinger Kreissprecher des Bayerischen Gemeindetags, Gotthard Schlereth (Oberthulba), auf Anfrage. Nachdem der Verfasser des Gutachtens auch das ILEK-Konzept für die Kommunen der Allianz Kissinger Bogen, zu der auch seine Kommune gehört, erarbeitet hat, wisse er bereits, welches Zukunftspotenzial allein in der Allianz-Region steckt.

Das Ausweisen eines Nationalparks könne seiner Ansicht nach die gesamte Rhön „nach vorn bringen“.

Mehr Zeit gefordert

Für wichtig hält Schlereth es jetzt, dass ausreichend Zeit bleibt, die Angelegenheit zu diskutieren. „Der Zeitdruck muss weg, wir entscheiden schließlich für die nächsten 50 Jahre. Man kann sagen, es ist eine Jahrhundertentscheidung.“ Die Bürger müssten jetzt schleunigst eingebunden werden, denn sie hätten bereits erkannt, dass die Natur zukünftig von hoher Bedeutung ist.

Von oben verordnete Konzepte würden Angst erzeugen, glaubt der Gemeindetagssprecher und plädiert daher im Vorfeld der Entscheidung auch für Bürgerversammlungen. „Der Reifungsprozess des Gedankens Nationalpark hat gerade erst begonnen.“

Zwei wichtige Ziffern

Auch für Landrat Thomas Bold liefert das Gutachten zunächst zwei wichtige Ziffern. Dass die Auswirkungen auf den Tourismus ab 2050 dann 27,5 Millionen Euro Mehreinnahmen bringen, habe ihn in diesem Ausmaß überrascht. Andererseits zeigt er sich skeptisch bezüglich eines Verlusts von nur 2,5 Millionen Euro in der Holzwirtschaft. Man müsse erforschen, wie „aussagekräftig“ diese Zahl sei. Für ihn sei das Thema Holzwirtschaft „relativ schmal abgehandelt“. Das Gutachten müsse man nun genau ansehen und sich von den Fachleuten aufschlüsseln lassen, so Bold weiter.

Am Montag fährt Bold zusammen mit Rhön-Grabfeld-Landrat Thomas Habermann und den Kreissprechern des Bayerischen Gemeindetags nach München. Was dort genau besprochen werden soll, darüber hielt Bold sich bedeckt. Er räumte ein, dass es wohl auch darum gehen werde, mehr Zeit für den Dialog mit den Bürgern und Ratsgremien einzufordern. Möglicherweise werde auch ein länderübergreifender Nationalpark Rhön zusammen mit Hessen zur Debatte stehen – ein Thema, das am Freitag von Ministerpräsident Horst Seehofer und Hessens Regierungschef Volker Bouffier diskutiert wurde.

Summe als Plangröße

Sein Kollege Thomas Habermann (Bad Neustadt) wertet die prognostizierten Mehreinnahmen im Tourismus ab 2050 als positiv. Profitieren würden die Kurorte (plus 13 Prozent) und die übrige Nationalparkregion (plus 137 Prozent), zitiert Habermann die Studie. „Die Summe ist freilich Plangröße.“ Letztlich komme es darauf an, wie die Region die infrastrukturellen Chancen nutzt.

Zu den 2,5 Millionen Euro jährlich, die durch die Nichtnutzung forstwirtschaftlicher Möglichkeiten auf einer 9000 Hektar umfassenden Staatswaldfläche wegfielen, wie es im Gutachten heißt, sagt Habermann: Ein Teil dieser Summe verblieb bisher in Form von Arbeitslohn in der Region, der überwiegende Teil, der Erlös, floss beziehungsweise fließt derzeit in den Haushalt der Staatsforsten ab. „Zusätzliche regionale Arbeitsplätze der Nationalparkverwaltung könnten den Wegfall des dann fehlenden Anteils wahrscheinlich gänzlich kompensieren.“

Das Gutachten enthält viele Zahlen, die zunächst einmal mit einem Nationalpark an sich nichts zu tun haben, findet Daniel Wehner, Vorsitzender des Nationalpark-kritischen Vereins „Unsere Rhön – gemeinsam stark“ (Burkardroth). Zudem stört ihn, dass die Wertschöpfung im Gutachten erst ab 2050 berechnet wurde. Denn man müsse auch die unmittelbar bevorstehenden Jahre in eine Prognose miteinbeziehen. Wehner kritisiert, dass man immer von einer „vorläufigen Gebietskulisse“ spricht.

Gegengutachten zum Nationalpark

„Die Frage ist, wie sieht sie denn endgültig aus?“ Der Verein möchte den Nationalpark-Bestrebungen etwas entgegensetzen und hat in einer Würzburger Kanzlei ein Gutachten in Auftrag gegeben darüber, ob es überhaupt rechtens ist, in der Rhön ein solches Schutzgebiet zu errichten.

Für Claus Schenk von „Pro Nationalpark Rhön“ (Bad Kissingen) enthielt das Würzburger Gutachten keine echten Überraschungen. Er bleibe bei seiner Überzeugung, dass man die sozio-ökonomisch schwache Rhön-Region mit einem Nationalpark stärken könnte. Was das Gutachten in Schenks Augen überzeugend macht, sei die Tatsache, dass es der Fachmann erstellte, der das Gutachten zum Biosphärenreservat schrieb. „Professor Job ist eine Spitzenkenner der Rhön.“ Wenn es nach Schenk geht, sollte der Nationalpark sogar länderübergreifend mit Hessen und Thüringen ausgewiesen werden. Denn dann könnte man etliche Strukturen, die bereits für das Drei-Länder-Biosphärenreservat erfolgreich etabliert wurden, auch für das neue Schutzgebiet nutzen.

 
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Kommentare
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  • Atnerva
    Man kann bei den Annahmen und Prognosen im Gutachten natürlich unterschiedlicher Meinung sein.

    Dass die Region touristisches Potential hat, dieses bisher kaum genutzt wurde und ein Nationalpark ein Touristenmagnet ist, ist doch unumstritten und kann von den Nationalparkgegner nicht ernsthaft bezweifelt werden.

    Dass der Tourismus einer wesentlich breiteren Bevölkerungsgruppe Vorteile bringt, als die Fortswirtschaft ist doch auch klar.

    Selbst wenn man die Werte im Gutachten für den Tourismus halbiert und für die Fortswirtschaft verdoppelt, sind die Vorteile einen Nationalparks für die Region immer noch immens gegenüber einem weiter so.

    Solange die Gegner keine Alternativen vorweisen können, bietet der Nationalpark die beste Perspektive für unsere Region.
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  • richtig
    Den Nazifakt können wir so nicht prüfen und veröffentlichen wir daher nicht.
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  • volker.stahl@steinach-saale.de
    Kleine Erläuterung:
    Mit "Warten wir also auf das Gegengutachten, damit wir uns eine eigene Meinung bilden können." meine ich natürlich, dass man Gutachten und Gegengutachten zur eigenen Meinungsbildung lesen sollte. 😉
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  • volker.stahl@steinach-saale.de
    Gutachter, die "vorbelastet" sind, haben ein Problem: sie fordern geradezu Gegengutachten heraus
    Was hat das Ganze also für einen Sinn? Diese Gutachten tragen zur Aufklärung nicht viel bei, da sie in eine spezielle Richtung tendieren, und den Nimbus von Gefälligkeitsgutachten tragen.
    Selbst wenn die Zahlen und Prognosen so eintreffen würden - also 2050 - werden die NP-Gegner solchen Gutachten nicht oder nur bedingt glauben: es folgen also bereits erwähnte Gegengutachten. Dies geht wie ein ewiger Kreislauf so lange weiter, bis in München eine Entscheidung getroffen wird oder eine der Seiten die finanziellen Mittel ausgehen.
    Warten wir also auf das Gegengutachten, damit wir uns eine eigene Meinung bilden können.
    Was letzten Endes 2050 sein wird, weiß keiner - nicht mal Gutachter.
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  • h-heil@t-online.de
    Der Gutachter hat es einfach! Er schreibt irgendwelche Zahlen zusammen, addiert...rechnet mit falschen MwSt Sätzen und stellt alles so dar, wie es seiner Vorstellung am besten entspricht...2050 kann man ihn auch nicht mehr dazu befragen...oder nachweisen, dass er nur falschen Zahlen ins Gutachten geschrieben hat!
    Ich beglücke aber jetzt schon die tollen Kurorte Bocklet und Kissingen! 1,7 Mio Übernachtungsgäste und 3,4 Mio Tagesgäste jährlich....hat sich schon mal einer überlegt, was das pro Tag (365) bedeutet??
    10.000 Besucher täglich??? Bocklet hat keine 5000 Einwohner und Kissingen mit OT etwas über 20.000!
    Ich meine, es würde auffallen wenn diese "Heerscharen" über KG herfallen!
    Hier hat sich der Gutachter wohl vertan...das Gutachten ist das Papier nicht wert, deswegen liest man es als pdf.....
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