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Schondra
Podiumsdiskussion zur Bundestagswahl in Schondra: Wer rettet das flache Land vor dem Abgehängtwerden?
Klamme Kassen, Ärztemangel und marode Straßen: So diskutierten fünf Direktkandidaten zur Bundestagswahl über Zustand und Zukunft des ländlichen Raums.
Leidenschaft für die Demokratie: Fünf Direktkandidatinnen und Direktkandidaten zur Bundestagswahl am 23. Februar im Wahlkreis Bad Kissingen diskutierten in Schondra mit Energie um die richtige Politik für das flache Land. Im Bild (v. links) Dorothee Bär (CSU), Karl Graf Stauffenberg (FDP), Christian Ruser (Bündnis 90/Die Grünen), Sabine Dittmar (SPD) und Florian Beck (Die Linke).
Foto: Heiko Becker | Leidenschaft für die Demokratie: Fünf Direktkandidatinnen und Direktkandidaten zur Bundestagswahl am 23. Februar im Wahlkreis Bad Kissingen diskutierten in Schondra mit Energie um die richtige Politik für das flache ...
Gerhard Fischer
 |  aktualisiert: 10.02.2025 02:34 Uhr

Die Brückenauer Rhönallianz hatte gerufen – und über 200 Besucherinnen und Besucher waren am frühen Freitagabend in die Schondratalhalle gekommen. Sie wollten wissen, was die Direktkandidaten zur Bundestagswahl im Wahlkreis 247 zu sagen haben. Welche Rezepte haben sie gegen die klammen Kassen der Kommunen? Welches Heilmittel gibt es gegen den Ärztemangel auf dem flachen Land? Und wer nur hält das wuchernde Monster Bürokratie in Schach?

Zehn Jahre Brückenauer Rhönallianz

Die Brückenauer Rhönallianz mit ihrem Vorsitzenden, dem Bad Brückenauer Bürgermeister Jan Marberg, nutzte die Feierlichkeiten zum zehnjährigen Jubiläum, den Direktkandidaten zur Bundestagswahl, deren Partei auch im Bundestag vertreten ist, ein Forum zu bieten. Fünf Vertreterinnen und Vertreter fanden aufs Podium, der AfD-Kandidat Christopher Klunker aus Main-Spessart musste terminbedingt absagen. Auf dem Podium tauschten sich Dorothee Bär (CSU), Sabine Dittmar (SPD), Karl Graf Stauffenberg (FDP), Christian Ruser (Bündnis 90/Die Grünen) und Florian Beck (Die Linke) aus.

Leer blieben nur die Plätze der Podiums-Diskutanten. Über 200 Interessierte kamen am frühen Freitagabend in die Schondratalhalle.
Foto: Heiko Becker | Leer blieben nur die Plätze der Podiums-Diskutanten. Über 200 Interessierte kamen am frühen Freitagabend in die Schondratalhalle.

Das Moderations-Duo mit Julia Back (Main-Post-Redaktionsleitung Bad Kissingen und Rhön-Grabfeld) und Simon Snaschel (Stellvertreter Bad Kissingen) hatte einen klaren Rahmen abgesteckt. Der Fokus der Redebeiträge sollte auf die Probleme des ländlichen Raumes gerichtet sein, der sich von den Ballungszentren abgehängt fühlt – oder es gar ist.

Jeder Kanidat und jede Kandidatin mit eigenem Schwerpunkt

Die Sozialdemokratin Sabine Dittmar sah Handlungsbedarf beim Thema Gesundheitsversorgung. Der Grüne Ruser nannte den Hochwasserschutz und geschlossene Schwimmbäder. FDP-Mann Stauffenberg zählte die ärztliche Versorgung, die digitale Infrastruktur und die Wirtschaft als Problemfelder. Florian Beck von der Linken sah mangelnde Fördergelder. Für Dorothee Bär von der CSU müsse die Landwirtschaft von Bürokratie entlastet werden. Beim ÖPNV müsse ein Sowohl-als-auch gelten. Das 58-Euro-Ticket nutze hier kaum jemandem, stattdessen sollte die Pendlerpauschale erhöht werden.

Fotoserie

Breiten Raum nahm das Thema der ärztlichen Versorgung ein. Florian Beck, der selbst in der Altenpflege tätig gewesen war, sprach von den vielen Zwängen in der Branche. "Und die Kleinen zerbrechen unter dem Druck", kritisierte er. Karl Graf Stauffenberg erwähnte die Rekordzahl an Ärzten seit Bestehen der Bundesrepublik. "Doch die stehen sich die Füße platt in den Metropolen", so der Politiker. Er schlug vor, Menschen aus der Region beim Medizinstudium finanziell zu unterstützen. Im Gegenzug müssten die Jungärzte dann eine gewisse Zeit vor Ort bleiben.

Ist der Numerus Clausus für das Medizinstudium noch zeitgemäß?

Wichtig sei eine Abkehr vom Numerus Clausus. Unterstützung fand er in Dorothee Bär. "Der Abiturient oder die Abiturientin mit dem besseren Abschluss ist nicht unbedingt der bessere Arzt oder die bessere Ärztin", so die CSU-Frau. Außerdem müssten Frauen ihren Arztberuf besser mit dem Familienleben vereinbaren können. Sie sprach auch die palliative Versorgung auf dem Land an, "damit Menschen vom ersten bis zum letzten Atemzug hier leben können", so Bär.

Sabine Dittmar nahm die ärztliche Selbstverwaltung in die Pflicht. Die müsse sich darauf einstellen, dass junge Ärztinnen und Ärzte eher in Teams und in Zentren arbeiten wollen. "Die Landarzt-Idylle gibt es nicht mehr", so Dittmar. Das Beispiel Stockheim (Lkr. Rhön-Grabfeld) mit einem Modellprojekt zur medizinischen Grundversorgung durch Schwestern sei beispielhaft.

Klamme Kommunen haben kein Geld mehr für Schwimmbäder

Das Thema der klammen Kommunen war ein zweiter Themenschwerpunkt des Abends. Christian Ruser von den Grünen nannte als Beispiele die fehlenden Bäder in Bad Kissingen und Bad Brückenau. Er sieht in Solaranlagen auf bürgerlicher oder kommunaler Ebene Geldbringer, um solche Bäder zu unterhalten. Auch eine Lockerung der Schuldenbremse sei denkbar.

Das Moderations-Duo Julia Back (links) und Simon Snaschel von der Main-Post achtete darauf, dass der Themenschwerpunkt 'Ländlicher Raum' nicht verlassen wurde bei der Podiums-Diskussion in Schondra.
Foto: Heiko Becker | Das Moderations-Duo Julia Back (links) und Simon Snaschel von der Main-Post achtete darauf, dass der Themenschwerpunkt "Ländlicher Raum" nicht verlassen wurde bei der Podiums-Diskussion in Schondra.

Ein klares Nein zu einer Aufweichung der Schuldenbremse kam von Dorothee Bär. Sie will nicht, dass die Kinder "auf Schuldenbergen spielen" müssen. Stattdessen müssten zahlreiche Förderprogramme auf den Prüfstand. Allerdings sei Rot-Grün gerade noch dabei, zum Beispiel im Familienministerium Programme über die Legislatur hinaus zu verlängern.

SPD-Kandidatin Dittmar konterte zu Bärs Nein zur Neuverschuldung. Es sei den Kindern ebenso wenig zuzumuten, auf marode Straßen oder kaputte Schultoiletten angewiesen zu sein. Der von Fachleuten bezifferte Investitionsstau im Land von rund 400 Milliarden Euro lasse sich nicht aus laufenden Haushaltseinnahmen finanzieren.

Schafft das Bürgergeld falsche Anreize?

Für den Freidemokraten Karl Graf Stauffenberg gibt es ein Ausgabenproblem. Auch beim Bürgergeld, das noch zu viele Anreize biete, auf eine Arbeit zu verzichten. Was insbesondere die Verkehrsinfrastruktur betreffe, so sei dies das Versagen einer ganzen Riege von CSU-Verkehrsministern. Der Grüne Ruser wollte nicht, dass beim Thema Bürgergeld die Schwächeren der Gesellschaft gegeneinander ausgespielt würden.

Blieb am Schluss der mit eineinhalb Stunden straff geplanten Podiumsrunde das Thema Bürokratie. Der Grüne Ruser hofft auf bessere Digitalisierung, um zum Beispiel Landwirte bei der Fruchtfolgen-Meldung zu entlasten.

Auch Bürokratieabbau schafft Probleme

Dittmar wusste aus ihrer Praxis im Bundestag, dass man zwar die Meldezettel für Hotelbetriebe abschaffen kann, dass dann aber wieder die Kurorte schauen müssen, wie sie ihre Kurtaxe bestimmen sollen. "Von 300 Vorschriften im Gesundheitssektor sind nur 60 auf Gesetze zurückzuführen", der Rest stamme von der Selbstverwaltung der Verbände selbst, so die Parlamentarische Staatssekretärin im Gesundheitsministerium. Freidemokrat Stauffenberg schimpfte, dass die Staatsquote in Deutschland immense 50 Prozent betrage.

Nach gut eineinhalb Stunden läuteten Moderatorin Julia Back und Moderator Simon Snaschel das Ende der Diskussion ein. Zwei Antworten waren an diesem Abend vielleicht die wichtigsten. Wenn sich die Kandidatinnen und Kandidaten von fünf Parteien ohne Grobheiten austauschen, dann spricht das für die politische Kultur im Wahlkreis.

Und wenn an einem frühen Freitagabend problemlos die Schondratalhalle gefüllt wird, dann haben die Bürgerinnen und Bürger der Region die Lust an der Demokratie noch lange nicht verloren.

 
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  • Peter Koch
    In 23 Jahren im Bundestag, davon 16 in einer regierenden Partei, hat es die Frau Bär nicht geschafft ihre Wahlkreise nach vorne zu bringen. Keine Fabrik für Latexdirndl, keine Fabrik für Flugtaxis und keine Anhängerkupplung für abgehängte Wahlkreise.
    Wenn das mal kein Regierungsversagen ist.
    Zur Erinnerung
    https://www.tagesspiegel.de/gesellschaft/panorama/wonder-woman-outfit-sorgt-fur-kritik-4055866.html
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  • Hiltrud Erhard
    Im Nachhinein gesehen war das Format schlecht.
    Letztendlich haben die Kandidaten allesamt auf vier Fragen geantwortet. Für mehr war die Zeit nicht, weil man ja zeitig fertig sein musste, nachdem der grüne Kandidat ja einen anderen Termin hatte, der wohl wichtiger war.
    Auch die Vorbereitung und das ganze Procedere machte einen etwas Unprofessionellen Eindruck.
    Das größte Manko war jedoch, dass die 200 Zuhörer keine Gelegenheit hatten, Fragen zu stellen oder die Kandidaten direkt anzusprechen. So jedenfalls braucht es dieses Format nicht noch einmal.
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  • Andreas Gerner
    Bitte ausbessern.

    Da fehlen wohl 2 Wörter.

    "Ein klares Nein zur Schuldenbremse kam von Dorothee Bär"

    Dem Sinn der folgenden Schilderung entnehme ich, dass das klare Nein wohl der ABSCHAFFUNG DER Schuldenbremse galt.

    Und damit hat sie dann Recht.

    Man stelle sich vor, was die Ampel alles getrieben hätte mit endlos verfügbarem gepumpten Geld. Angefangen von noch höherem Bürgergeld, über noch mehr Geld für gendergerechte Projekte im Ausland, hunderte Millionen für die Vergrößerung des Kanzleramts und selbst nach völlig sinnbefreiten Aktionen wie kostenfreien Tampons auf Herrentoiletten wäre noch längst nicht Schluss gewesen.
    Das alles und die Zinsen dafür müssen unsere Nachkommen dann zahlen.

    Wenn Regierungen trotz rekordhoher Einnahmen nicht wirtschaften und haushalten können (im Gegenteil. Man erhöhte Diäten und zahlte pro Abgeordneten 3000€ Inflationsbonus aus. Steuerfrei), sollten sie halt einfach nicht mehr gewählt werden.
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  • Gerhard Fischer
    Sehr geehrter Herr Gerner,
    danke für Ihre aufmerksame Lektüre. Natürlich muss es heißen "Ein klares Nein zur Aufweichung der Schuldenbremse kam von Dorothee Bär". Wir bitten, den Fehler zu entschuldigen. Er ist mittlerweile korrigiert.
    Mit freundlichen Grüßen, Gerhard Fischer, Main-Post-Redaktion Rhön-Grabfeld
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  • Jochen Behr
    8 Milliarden weniger in die Ukraine überweisen hilft bereits.
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  • Hubert Endres
    Herr Behr. Und Kosten der Bürokratie, Migration, Bürgergeld, Entwicklungshilfe, Kosten Bundestag, Landtage und EU , usw. Auch die Staatsquote reduzieren. Könnten so ca. 150 bis 200 Milliarden eingespart werden.
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  • Stefan Flessa
    Und dann lacht sich Putin ins Fäustchen. Genau so wie er es gerade jetzt macht, wo sein Busenfreund Donald in den Staaten an der Macht ist…

    By the way: woher kommt die Zahl 8 Mrd? Quelle?
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