Die Vision lautet: Ein Mensch soll mit dem öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV) kreuz und quer durch die sieben Landkreise und zwei kreisfreien Städte der Region Mainfranken fahren können, mit einem Ticket vom Start zum Ziel, in akzeptabler Zeit und zu einem bezahlbaren Preis, den er ohne Probleme selbst ermittelt.
Der Mann, der das wahr machen soll, ist jetzt ins Würzburger Rathaus eingezogen: Christopher Alm heißt er, 41 Jahre alt und studierter Volks- und Verwaltungswirt. Bislang war er ÖPNV-Koordinator der Planungsregion 3 (das sind die nordunterfränkischen Landkreise und die Stadt Schweinfurt ). Als Geschäftsführer der neugegründeten Nahverkehr Mainfranken GmbH (NVM) soll er den ÖPNV für die 940 000 Einwohner der Landkreise Würzburg , Schweinfurt, Haßberge, Bad Kissingen, Main-Spessart, Kitzingen und Rhön-Grabfeld und der Städte Würzburg und Schweinfurt unter ein Dach bringen.
Keine Perspektive für Klein-Klein
Bis 1. August 2022 hat er dafür Zeit. Gelingt das Werk, hat er - gemessen an der Bevölkerung - den drittgrößten Verkehrsverbund Bayerns geschaffen, bezogen auf die Fläche gar den zweitgrößten Verkehrsverbund.
Landrat Töpper kündigte "deutliche Kostensteigerungen" an. Die Landkreise im "Beitrittsgebiet", so sagte er, seien zu Mehrausgaben bereit, "um die Attraktivität zu gewährleisten". Wie bisher, "im Kleinteiligen", könne es nicht weitergehen.
In einer gemeinsamen Pressekonferenz im Rathaus berichteten Alm und die NVM-Vorstandsvorsitzenden, Würzburgs OB Christian Schuchardt und sein Stellvertreter, der Schweinfurter Landrat Florian Töpper , über die Pläne.
Zum Verkehrsverbund VVM gehören derzeit 120 Bus-, acht Zug- und fünf Straßenbahnlinien in Würzburg und den Landkreisen Würzburg , Kitzingen und Main-Spessart. Gesellschafter sind Stadt, Landkreise und die Verkehrsunternehmen. Entscheidungen müssen einstimmig getroffen werden.
Im geplanten erweiterten Verkehrsverbund sind nur noch die Landkreise und kreisfreien Städte Gesellschafter. Die Verkehrsunternehmer werden über einen Kooperationsvertrag einbezogen. Die Stimmanteile sind abhängig von den Einnahmen. Das Einstimmigkeitsprinzip gilt nur noch in Ausnahmefällen. Damit seien, meint Alm, "fast keine Blockaden einzelner Partner möglich". Vereinbart ist, dass die Verkehrsunternehmer im neuen Verkehrsverbund nicht schlechter gestellt sein sollen, so dass Städte und Landkreise, unterstützt vom Freistaat, die Mehrkosten übernehmen.
Erhebung der Verkehrsdaten
Alm ist nicht nur der Geschäftsführer des NVM, er ist auch der einzige Mitarbeiter. "Das soll sich ändern", sagt er. Die Daten, die er braucht - wie viele Passagiere nutzen wann und wie den ÖPNV - sind entweder veraltet oder nie erhoben worden. Förderzusagen des Freistaats, berichtet er, lägen nur mündlich, nicht schriftlich vor. Unterschiedliche Tarifsysteme müssen vereinigt werden. Während in Würzburg und um Würzburg herum Tickets nach Großwaben abgerechnet werden, gilt in Schweinfurt ein Kilometertarif.
Als Neuerung steht auch ein 365-Euro-Ticket an, ursprünglich gedacht für alle im Verkehrsraum, vorerst aber nur geplant für Schüler, Studierende und Azubis bis 24 Jahre.
Steigt ein Mensch in Röttingen in den Bus ein, um nach Schonungen im Landkreis Schweinfurt zu reisen, soll er mit nur einem Ticket ans Ziel kommen. Alm muss die Frage lösen, welcher Aufgabenträger (so heißen die Gesellschafter) und welches Verkehrsunternehmen nach welchem Modus welchen Anteil vom Fahrpreis bekommen soll. Die erste große Geldausgabe steht im Jahr 2021 an. Für drei Millionen Euro, so kalkuliert Alm, sollen die Verkehrsdaten ein Jahr lang im ganzen NVM-Gebiet erhoben werden.
Wolfgang Jung