
Ungeimpftes Personal darf ab 15. März nicht mehr im Krankenhaus arbeiten. Wird dies den Pflegenotstand verschärfen, weil sich Personal deswegen verabschiedet? Wir fragten im Thoraxzentrum nach.
Martin Schleyer ist Betriebsleiter der Münnerstädter Lungenfachklinik, Träger des Krankenhauses ist der Bezirk Unterfranken. Für ihn wie für alle Manager und Chefärzte in Kliniken in ganz Deutschland ist diese Situation keine gute. Schleyer: "Wir werden davon momentan überrollt und wissen nicht genau, wie wir ab dem 15. März damit umgehen sollen. Natürlich haben wir ein Interesse daran, alle Mitarbeiter zu halten - angesichts des Pflegenotstands brauchen wir auch jeden."
Er spricht sich für eine möglichst hohe Impfquote in der Pflege aus. "Aber es sollte die persönliche Entscheidung eines jeden bleiben. Und wenn es gesundheitliche Gründe gegen eine Impfung gibt, dann steht das auch noch auf einem ganz anderen Blatt, und das muss berücksichtigt werden. Wir brauchen jeden und es ist schlimm für uns und die Betroffenen, wenn sie nicht mehr arbeiten dürfen. Aber das liegt nicht in unserer Entscheidungsgewalt."
Entscheidung der Regierung
Damit kämpft Betriebsleiter Martin Schleyer am meisten: Dass in den Köpfen vieler hängenbleiben könnte, es sei eine Entscheidung der Klinik, sich von Ungeimpften zu trennen - und nicht ein Beschluss der neuen Ampelregierung, die die Kliniken nun bis 15. März umsetzen müssen.
Für Petra Will, 51, Atmungstherapeutin im Thoraxzentrum, wäre die Freistellung von Kollegen, die sich nicht impfen lassen wollen, "verheerend". Als Beispiel nennt sie Krankenschwester Kathrin U.: "Wie die anderen Fachkräfte auch ist sie eine Stütze der Station." Jeder ist dort Stütze, denn: Der Pflegeberuf ist für viele sehr unattraktiv geworden. "Wir haben schon jetzt nicht genügend Personal, um all unsere Intensivbetten belegen zu können", sagt Will.

24 Intensivbetten hat das Thoraxzentrum zur Verfügung, die rein technisch und apparativ zur Verfügung stünden. Doch aufgrund des Personalmangels können sie derzeit maximal zwölf von ihnen belegen. Eine Pflegefachkraft muss sich um drei Betten kümmert.
Neun Betten schafft eine Schicht
Neun Betten schafft die Schicht im Thoraxzentrum zum Beispiel am Montag, 13. Dezember 2021. Ein zehntes wird hergerichtet, ein Patient aus Bad Kissingen soll auf den Michelsberg in Münnerstadt transportiert werden. Hier landen die Patienten, die das Schlimmste der Corona-Erkrankung oft schon hinter sich haben und in der Spezialklinik von der Beatmungsmaschine entwöhnt werden sollen.
Dass mit Herrn K. ein Mensch als einziger mit Akut-Covid, ansteckend und in schlechtem Zustand, nun schon seine dritte Woche hier verbringt, ist eher die Ausnahme. Die Ärzte wissen: Wer an die künstliche Beatmung kommt, hat eine Fifty-fifty-Chance zu überleben. Ob Herr K. das auch weiß? Vielleicht will er sich gar nicht damit auseinandersetzen, Verdrängung ist manchmal eben auch eine gute Möglichkeit, seelisch die Wochen auf der Intensivstation zu packen.
Im Zimmer nebenan liegt eine Frau, mittlerweile corona-negativ, die aufgrund einiger Vorerkrankungen noch sehr mit den Folgen des Virus zu kämpfen hat. Anders als die Frau im Nebenzimmer hat sie kein Tracheostoma im Hals, keinen Schlauch in der Lunge, der sie beatmet. Zum Husten ist die Frau zu schwach. Und natürlich auch zu schwach für die schlimmste Nachricht, die ihr eröffnet werden wird, wenn sie sich erholt haben sollte. Dass ihr Mann gestorben ist. An Covid.
Petra Przybilla ist Physiotherapeutin. Sie sorgt dafür, dass sich Sehnen und Muskeln während der Zeit der Bewusstlosigkeit nicht verkürzen, sie bleibt am Bett und bestärkt und unterstützt die Menschen, wenn für die nur das bloße Sitzen an der Bettkante zur Höchstleistung wird. "Ich bin überzeugt, dass wir uns alle impfen lassen sollten. Aber ich verstehe auch die Ängste, die manche haben."
Oberarzt Dr. Jan Koch desinfiziert sich vermutlich zum 312. Mal die Hände an diesem Tag. Eine Gruppe unter den Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen in seinem Team sind ungeimpft. "Wir finden jetzt schon kein Personal", sagt er. Petra Will ergänzt: "Wenn die alle weggehen, bricht ein System zusammen." Er widerspricht ihr nicht. Für Koch ist die Situation nicht einfach. "Ich sehe es problematisch. Pflegepersonal sollte geimpft sein. Es sollte das mindeste sein, dass vulnerable Gruppen sich nicht anstecken können. Aber es können eben auch Geimpfte das Virus übertragen."
Es sei eine Abwägung, sagt er vorsichtig. Ob er persönlich es verstehe, dass es Menschen gibt, die die Impfung verweigern? "Die Gründe für diese Menschen sind vielfältig und individuell verschieden. Es obliegt mir nicht, darüber zu urteilen, ob dies im Einzelfall gerechtfertigt ist. Zudem habe ich noch nicht mit jedem einzelnen Mitarbeiter gesprochen und kenne deren Beweggründe nicht im Detail."